Span. Virgen de Guadalupe‚ „Jungfrau von Guadalupe“, ein Gnadenbild Marias.
Vom 9. bis 12. Dezember 1531 erschien im Stadtviertel Guadalupe am nördlichen Stadtrand von Mexiko-Stadt dem Indio Juan Diego Cuauhtlatoatzin (1474-1548) viermal eine schöne Frau, die sich als „Maria, die Mutter des wahren und einzigen Gottes“ bezeichnete. Sie beauftragte Juan Diego, dem örtlichen Bischof zu übermitteln, dass am Berg dieser Erscheinung eine Kapelle errichtet werden sollte, sie wolle den Menschen dort ihre Liebe als mitleidvolle Mutter zukommen lassen. Der Bischof bezweifelte den Bericht und verlangte ein Zeichen.
Da öffnete Diego seine Tilma, unter der er die Blumen verbarg. Als diese zu Boden fielen, erschien mit einem Mal auf der Tilma das Abbild der Seligen Jungfrau Maria in der Form, wie sie in der Kirche von Tepeyac (genannt Guadalupe) heute zu sehen ist. Der Bischof war nun von der Echtheit der Erscheinung überzeugt und erfüllte Diegos Bitten.
Am Ort der Erscheinung wurde zunächst eine Kapelle errichtet. As die Azteken das in die Tilma eingeprägte Bild sahen, bekehrten sich innerhalb weniger Jahre Millionen Indios zum Christentum, weil sie im Bild ein Zeichen des Himmels erblickten. 1709 wurde eine erste Basilika erbaut, die 1974 durch eine neue ersetzt wurde.
Unsere Liebe Frau von Guadalupe ist heute das bedeutendste Marienheiligtum Mexikos und zählt zu den bekanntesten Gnadenbildern der Welt.
Die Tilma (167 x 105 cm) ist aus Ixtle bzw. Agave hergestellt, einer mexikanischen Pflanze namens maguey. Ihr offizieller Name ist Unsere Liebe Frau van Guadalupe. Wenngleich die Tilma Jahrhunderte hindurch vor allem von Kunstexperten untersucht wurde, um eine natürliche Erklärung für ihre Entstehung und Eigenart zu finden, kam man nach zahlreichen Untersuchungen schließlich zu folgenden Feststellungen, die hier stichwortartig zusammengefasst seien:
‒ Material nicht identifizierbar, weder tierischen noch pflanzlichen oder mineralischen Ursprungs.
‒ Keine Pinselstriche vorhanden.
‒ Keine Vorzeichnungslinien bzw. Skizze.
‒ Keine Untermalung, Grundierung oder Leimung.
‒ Trotz fehlender Schutzlackierung sind Stoff und Bild gut erhalten.
‒ Unebenheiten auf dem Gewebe sind gezielt ausgenutzt, um dem Gesicht Tiefe zu verleihen.
‒ Die Tilma ist merkwürdig geglättet, glänzend weiß und weich unter dem Bild.
‒ Bei Untersuchungen durch Prof. Jody Smith aus Pensacola/Florida und Prof. Philip Callahan der Universität Florida wurde 1979 festgestellt, das sich die Farben wie auf Vogelfedem, Schmetterlings- oder Käferflügeln verhalten, d.h. sie verändern sich bei Betrachtung aus verschiedenen Blickwinkeln.
‒ Das Bild auf der Vorderseite kann, deutlich durchscheinend, von hinten gesehen werden. Ein rätselhafter grüner Fleck auf der Rückseite des Gewebes hingegen ist von der Vorderseite aus nicht sichtbar.
‒ Gesicht und andere Details sind nur aus einigen Metern Entfernung deutlich zu erkennen.
‒ Das größte Rätsel bilden jedoch die Augen im Gesicht auf der Tilma. In beiden Augen spiegelt sich die damalige Szene der Bildentstehung 1531 vor dem Bischof wider, mit Verzerrungen in Abhängigkeit von den Gesetzen der Krümmung der Hornhaut, und im zweiten Auge um genau den Faktor verschoben, wie es sich in einem lebendigen Auge zeigen würde.
All diese Besonderheiten und der gute Zustand von Gewebe und Bild sind nach wie vor ein Rätsel und nicht zu erklären. Die Farben haben bis heute nicht an Leuchtkraft verloren. Das Bild widerstand dem Ruß und Qualm von Millionen Kerzen, der dieses in den ersten 116 Jahren, in denen es noch von keinem Schutzglas umgeben war, bis zur Unkenntlichkeit hätte schwärzen müssen. Zudem wurde das Bild in jener Zeit von Millionen von Pilgern berührt und geküsst, Kranken auf ihren Körper gelegt und Andachtsgegenstände wurden an ihm gerieben. Selbst nach Anbringen des Schutzglases wurde das Bild für Pilger und ranghohe Persönlichkeiten wiederholt aus der Umrahmung genommen und berührt.
Das Außergewöhnliche an Guadalupe liegt jedoch nicht nur in den zahlreichen außergewöhnlichen Erfahrungen der vielen Pilger aus aller Welt (ca. 16 Millionen jährlich), sondern neuerlich auch in dem starken Licht am Gnadenbild, das u.a. am 24. April 2007 beobachtet wurde. Das Licht ist kein Reflex, sondern kommt aus dem Innern des Bildes der seligen Jungfrau. Außerdem handelt es sich um ein rein weißes, intensives Licht, wie es für gewöhnlich auf Fotografien nicht zu finden ist. Noch dazu ist es von einem Hof umgeben, der die Form und das Ausmaß eines Embryos hat und sich in Bauchhöhe der Jungfrau von Guadalupe befindet. Viele verstanden dieses Ereignis aber auch als ein deutliches Zeichen Gottes, der sich mit den schwachen, unmündigen und gefährdeten Kindern solidarisiert, wurde doch gerade an dem Tag in Mexiko die Abtreibung bis zur 12. Schwangerschaftswoche legalisiert.
Somit ist der Wallfahrtsort Unserer Lieben Frau von Guadalupe – sowohl was das Gnadenbild anbelangt als auch was die Geschichte des Heiligtums betrifft – ein Gegenstand, der mit dem Grabtuch von Turin und dem Schleier von Manoppello zu den größten Wundern der Menschheit gehört. 1576 erteilte Papst Gregor XIII. den Pilgern zum Heiligtum einen vollkommenen Ablass, Papst Benedikt XIV. erklärte Unsere Liebe Frau von Guadalupe zur Schutzpatronin Mexikos, Papst Leo XIII. führte die Feier des Gedenktags ihrer Erscheinung am 12. Dezember in ganz Lateinamerika ein. Papst Johannes XXIII. rief der Gottesmutter zu Ehren vom 12. Dezember 1960 bis 12. Dezember 1961 ein marianisches Jahr aus. Papst Johannes Paul II. stellte Nord- und Südamerika unter den Schutz Marias, verfasste Unserer Lieben Frau von Guadalupe zu Ehren ein Weihegebet, sprach 2002 Juan Diego heilig und erhob den 12. Dezember zum Gedenktag Unserer Lieben Frau in Guadalupe für die ganze Kirche.
Lit.: Lafaye, Jacques: Quetzacoatl and Guadalupe: The Formation of Mexican National Consciousness, 1531-1813. Chicago: University of Chicago Press, 1976 (m. e. Vorw. v. Octavio Paz); Poole, Stafford: Our Lady of Guadalupe: The Origins and Sources of a Mexican National Symbol, 1531-1797. Tucson: University of Arizona Press, 1995; León-Portilla, Miguel/Valeriano, Antonio: Tonantzin Guadalupe: pensamiento náhuatl y mensaje cristiano en el „Nicān mopōhua“. Colegio Nacional Mexico: Fondo de Cultura Económico, 2000; Noguez, Xavier: Documentos guadalupanos, un estudio sobre las fuentes de información tempranas en torno a las mariofanías en el Tepeyac. Toluca: El Coleguo Mexiquense, 1993; Badde, Paul: Maria von Guadalupe: wie das Erscheinen der Jungfrau Weltgeschichte schrieb. Berlin; Ullstein, 2004; Resch, Andreas: Unsere liebe Frau von Guadalpe. Grenzgebiete der Wissenschaft (GW) 60 (2011) 4, 307-329.