Esoterik

E. (griech. esoterikos, nach innen, zum inneren Kreis gehörig) nannte man im antiken Griechenland die Mysterienkulte und das Spekulative, das jenen verborgen blieb, die kein Interesse daran hatten, sich vom exoterischen (griech. exoterikos, nach außen, für die Öffentlichkeit) allgemeinen Interesse und Verständnis in Wissenschaft, Religion und Kultur abzuheben.
Als esoterisch werden daher jene Auffassungen, Verhaltensformen und Handlungen bezeichnet, die nur einem Kreis von Eingeweihten, Sensitiven und Erleuchteten verständlich seien, da sie Erfahrungen, Erkenntnisse, Symbole und Riten beinhalten, die dem öffentlichen Verständnis in Wissenschaft, Religion und Kultur nicht begreifbar seien. Ihr Verständnis erfordere daher eine Initiation, eine Einweihung, die verschiedene Formen und Ausrichtungen aufweisen kann:
– Einführung in 
überlieferte Kenntnisse
– Weckung und Einübung veränderter Bewusstseinszustände
– Mystisch meditative Versenkungsformen zur Weckung von Intuition, Inspiration und
   Weisheit
– Erlernen symbolischer Deutungskünste
– Erlernen besonderer Kenntnisse, die innerlicher und verborgener sind als die Kenntnisse der Exoterik
– Belehrung durch ein besonders hervorgehobenes Mitglied einer Gemeinschaft, Schule   oder eines Stammes (Meister, Guru, Zauberer, Medizinmann)
 Initiation durch eine „Einweihungszeremonie“, wobei das neue Mitglied (Neophyt)
zur Geheimhaltung verpflichtet wird (Arkandisziplin).

Dieses Bild der E. hat in den letzten Jahren jedoch einen großen Wandel erfahren. Die Demokratisierung und Allgemeinbildung der Gesellschaft und die modernen Medien haben die geheimen Quellen gelüftet, was die E. selbst durch den Gedanken unterstützte, dass im Übergang in das Zeitalter des Wassermanns der Einstieg in ein „Neues Zeitalter“ stattfinde, in dem das esoterische Wissen nicht mehr geheim gehalten werde und nur Auserwählten zukomme, sondern sich zu einer allgemeinen Erfahrung und Lebensform entwickle.
Daher verbindet man heute mit E.: Alchemie – Alternative Ernährung Alternative Medizin – Anthroposophie – Astralkörper – Astrologie – Aura – Bioenergetik – Chakra – Channeling – Freimaurerei – Geistheilung – Kabbala – Magie – Mantik – Meditation – Mystik – Naturheilkunde – Naturreligion – New Age – Numerologie – Okkultismus – Radiästhesie – Reiki – Reinkarnation – Rosenkreuzertum – Schamanismus – Selbsterfahrung – Shiatsu – Spiritualismus – Tai Chi – Tantra – Tarot – Theosophie – Ufologie – Wahrsagen – Weisheitslehren – Yoga – Zen – usw.

Der Begriff E. ist so zur allgemeinen Bezeichnung vorwissenschaftlicher Welt- und Lebensdeutung geworden. Als einzig verbindendes Kennzeichen ist die Deutung von Welt, Leben und Religion mit naturimmanenten Kräften gegeben, wobei die Vorstellungen von Makrokosmos und Mikrokosmos, die Lehre von den Gegensätzen, Yin und Yang, die Lehre der Bioenergie und alles verbindender energetischer Kräfte, die Annahme eines Kreislaufs der Natur und des menschlichen Lebens durch die Wiedergeburt sowie die Betonung der Immanenz unter Verzicht auf die Transzendenz im Mittelpunkt stehen. Damit nimmt die E. zunehmend die Form einer alternativen Lebensgestaltung zu Wissenschaft und Religion, vor allem zum Christentum, an, zumal der Stellenwert der Person durch die kosmische Einheit und den Kreislauf der Dinge völlig relativiert wird. Der Wert der Person ist nur zeitlich gegeben und hat keine transzendente Bedeutung. Das Ich ist im All verklungen..

Lit.: Grohm, Bernhard: Esoterik, in: H. Gasper et al. (Hg.): Lexikon der Sekten, Sondergruppen und Weltanschauungen. Freiburg i.Br.: Herder, 1990, Sp. 250-256; Bohnke, Ben-Alexander: Esoterik: die Welt des Geheimen. Düsseldorf: Econ, 1991; Resch, Andreas: Aspekte der Paranormologie: die Welt des Außergewöhnlichen (Imago Mundi; 13). Innsbruck: Resch, 1992.
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