Epimenides

Lebte im 5., 6. oder 7. Jh. v. Chr. in Knossós auf Kreta und in Athen.
Er war Philosoph und der berühmteste Seher und Reinigungspriester („Katharte“) seiner Zeit sowie ein Zeitgenosse der Sieben Weisen, zu denen er gerechnet wird. Auch als Vorsokratiker bezeichnet, gehörte er dem enthusiastischen Kult des Zeus und der Kureten an, mit dem auf Kreta eine geheime Priesterweisheit verbunden war. Er soll einst in der Diktäischen Höhle bei Knossós geschlafen haben und erst nach 57 Jahren wieder aufgewacht sein. An den Mythos von seinem Schlaf knüpft Goethes patriotisches Festspiel „Des Epimenides Erwachen“ (1815) an.

E. veranlasste Veränderungen in den heiligen Bräuchen der Athener, führte Einfachheit und Mäßigung in Athen ein und soll den Pflug erfunden haben. Der Altar des „unbekannten Gottes“ in Athen, den der Apostel Paulus Jahrhunderte später in seiner Rede auf dem Areopag erwähnte, wurde auf Initiative des E. aufgestellt.
Die Spartaner sollen ihn in einem Krieg mit Knossós gefangen genommen und, weil er ihnen nur Unheil weissagte, hingerichtet und in Argos beerdigt haben. E. sei auch mehrmals wiedergeboren worden.
Man schreibt ihm mehrere Gedichte und prosaische Schriften zu, davon einige Orakelsprüche und Sühnelieder, die vielleicht tatsächlich von ihm herrühren. Am bekanntesten ist ein Hexameter, der anonym im Brief des Paulus an Titus 1,12 zitiert ist und um 200 n. Chr. von Clemens von Alexandria E. zugeschrieben wurde: „Kreter sind immer Lügner, wilde Tiere, faule Bäuche.“
Ebenso wurden einige kosmogonische Lehren auf E. zurückgeführt.
1935 wurde ein Mondkrater nach ihm benannt.

Lit.: Heinrich, Carl Friedrich: Epimenides aus Kreta. Leipzig, 1801; Schultess, Karl: De Epimenide Crete. Bonn, 1877.
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