Eingeweideschau

Lat. haruspicium, extispicium, Vorhersage aus den Eingeweiden. Es war Aufgabe antiker Priester, Magier oder Seher, aus den Eingeweiden und dabei zumeist im Zuge einer Leberschau (Hepatoskopie) von Opfertieren Vorhersagen zu machen. Die Leber galt als Sitz der Seele und Zentrum der Lebenskraft. In ihr sah man ein verkleinertes Abbild der Zusammenhänge der Wirkungen im Kosmos, wobei sich der Makrokosmos im Mikrokosmos spiegeln sollte.
So berief der römische Senat bei wichtigen Entscheidungen die etruskischen Haruspices aus der Toskana nach Rom, bis man sich schließlich mit einem Haruspex Maximus an der Spitze eigene Fachleute leistete. Der Haruspex Alexander Severus z.B. errichtete sogar einen Lehrstuhl für Leberschau.
Da bei einer Schlacht häufig jede Einheit einen eigenen Beschauer hatte, konnte es auch vorkommen, dass verschiedene Aussagen zu verschiedenen Entscheidungen führten
dass etwa eine Einheit in den Kampf zog, während die andere zum Rückzug blies.
Für lange Zeit stellte die Konsultation der Haruspices sogar die Astrologie in den Schatten.

Lit.: Meyer, Jan-Waalke: Die Eingeweideschau im vor- und nachexilischen Israel, in Nordsyrien und Anatolien. Freiburg, Schweiz: Univ.-Verl. 1993; Bauer, Wolfgang: Das Lexikon der Orakel. München: Atmosphären Verlag, 2004; Nasse, Christiane: Erdichtete Rituale. Die Eingeweideschau in der lateinischen Epik und Tragödie. Stuttgart: Franz Steiner, 2012.
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