Diana

Lat. diviana, „die Leuchtende“, entspricht der griechischen Artemis; römische jungfräuliche Göttin des Lichts, insbesondere des Mondlichts, Göttin der freien Natur, des Wildes und der Jagd, Schutzgöttin der Frauen und der Geburt, Bundesgöttin der Latiner, Göttin des Totenreiches und der Zauberinnen.
Durch Vermittlung der Etrusker haben die Römer schon sehr früh die griechische Artemis kennengelernt und mit ihrer einheimischen Waldgöttin D. verschmolzen. Ihre Kultstätten befanden sich (1) am Berg Tifana bei Capua, im heiligen Hain von Aricia am Nemisee, wohin, nach Gründungsaussage, Orestes das Kultbild der taurischen Artemis gebracht haben soll, und (2) auf dem Aventin, dem Heiligtum des Latinischen Bundes, wo jeweils am 13. August das Stiftungsfest des von Servius Tullius (578-534 v. Chr.) erbauten Tempels gefeiert wurde. An diesen Festen nahmen vorwiegend Frauen und Sklaven teil.
Die Angleichung von D. an Artemis wurde von Augustus besiegelt, indem er ihr einen Platz an der Seite ihres Bruders Apollon zuteilte. Damit wurde sie zur D. Victrix, zur siegreichen D. Horaz feiert sie in seinem Hymnus Carmen Saeculare als Mondgöttin und Apollon als Sonnengott, die beide als Gestirne Fortpflanzung, Geburt und Tod beeinflussen, vor allem aber die kaiserliche Stadt als Garant des Friedens schützen sollten.
Jenseits der Alpen vermischte sich der D.-Kult mit den keltischen Göttinnen, vor allem den Göttinnen der Tiere. Als solche wurde D. im Rahmen der Christianisierung zur Herrin beim nächtlichen Ritt zum Hexentanzplatz. So ist bereits 907 im Canon episcopi zu lesen, „dass es verbrecherische Weiber gibt, die, durch die Vorspiegelungen und Einflüsterungen der Dämonen verführt, glauben und bekennen, dass sie zur Nachtzeit mit der heidnischen Göttin Diana oder der Herodias und einer unzählbaren Menge von Frauen auf gewissen Tieren reiten, über vieler Herren Länder, heimlich und in der Totenstille der Nacht hinwegeilen, der Diana als ihrer Herrin gehorchend, und in bestimmten Nächten zu ihrem Dienst sich aufbieten lassen“ (Tschacher). Von diesem nächtlichen Ritt der D. ist schon in der pseudoaugustinischen Schrift De Spiritu et anima (6. Jh.) die Rede (Rohde), ebenso des Öfteren in den Beichtbüchern und Sermonen des Mittelalters. In diesem Kontext der D. als Dämonin und Herrin der Hexen stehen auch die Namen Hodla-Perchta, Noctiluca, Bensozia und Hulda. Gleich dem Teufel wurde D. als Quelle alles Bösen in der Welt verehrt und man schrieb ihr die Macht zu, ihre Gestalt zu wechseln.
Die neuere Hexenbewegung sieht in D. den Prototyp der feministischen Hexe.

Lit.: Altheim, Franz.: Griechische Götter im alten Rom. Gießen: A. Töpelmann, 1980; Rohde, Erwin: Psyche. Darmstadt: Wiss. Buchges. [Abt. Verl.], 1991, Reprograf. Nachdr. der 2. Aufl., Freiburg i.B., Leipzig und Tübingen, 1898; Tschacher, Werner: Der Flug durch die Luft zwischen Illusionstheorie und Realitätsbeweis. Studien zum sog. Kanon Episcopi und zum Hexenflug. Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte 116, Kan. Abt. 85 (1999), 225-276.
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