Demutsritual

Prostratio(n) als Mittel zur Macht.
Die Prostratio(n) beinhaltet das ausgestreckte Sich-Niederwerfen einer Person als Zeichen der Demut und Hingabe. Zum D. wurde sie am 1. November 1007 in Frankfurt bei dem von König Heinrich II. (1002-1024) einberufenen Gipfeltreffen der kirchlichen Führungselite, bestehend aus 28 Reichsbischöfen. Der König beabsichtigte die Gründung eines Bistums Bamberg, stand damit aber dem Würzburger Standpunkt entgegen und bedeutete so eine Gefahr für das Kirchenrecht. Würde dieses Recht gebrochen, wäre damit ein Präzendenzfall geschaffen und der König könnte sich auch in anderen Fällen darüber hinwegsetzen. Dieser Zusammenhänge war sich Heinrich II. mehr als bewusst. Also musste er eine Grundsatzentscheidung herbeiführen. Jedes Mal, wenn er während der Verhandlungen einen ungünstigen Rechtspruch kommen sah, legte er sich, das Gesicht nach unten, mit dem ganzen Körper und mit kreuzförmig ausgestreckten Armen auf den Boden. Diese quasimagische Handlung zeitigte schließlich Erfolg und die Bischöfe gaben dem Ansinnen des Königs nach. Das vorgeführte Ritual hatte solche Durchsetzungskraft entwickelt, dass es das bischöfliche Rechtssystem überwand. Heinrichs II. Autorität wurde damit als über dem Bischofsrecht stehend anerkannt.
Damit war ein neues Ritual geschaffen, das aus der Buß- und Unterwerfungsbekundung stammte und das in der Herrschersalbung den Übergang zur Sonderstellung des Königs als Stellvertreter des „Königs aller König“ einleitete.

Lit.: Althoff, Gerd: Das Privileg der ‚Deditio‘. Formen gütlicher Konfliktbeendigung in der mittelalterlichen Adelsgesellschaft, in: Otto G. Oexle (Hrsg.): Nobilitas. Funktion und Repräsentation des Adels in Alteuropa (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte; 133). Göttingen, 1997; Weinfurter, Stefan u.a.: Die Welt der Rituale: von der Antike bis heute. Darmstadt: Wiss. Buchges., 2006.
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