Dee, John

(* 13.07.1527 London; Dezember 1608/09 Mortlake-Surrey), englischer Mathematiker, Astronom, Astrologe, Geograph, Mystiker, Alchemist, Spiritist und Berater von Königin Elisabeth I.
D. war der Sohn einer walisischen Adelsfamilie, deren Nachname sich von walisisch „du“ (schwarz) ableitete. Er besuchte die Chelmsford Chantry School, von 1543-1546 das St. John’s College in Cambrige und wurde zum Mitbegründer des Trinity College. 1548 erhielt er den Grad eines Magister Artium. 1548-1550 bereiste er ganz Europa, studierte in Löwen Rechte und hielt in Paris Vorlesungen über Euklid, die zu einer Sensation wurden. 1551 kehrte er mit mathematischen und astronomischen Instrumenten nach England zurück und traf 1552 in London Hieronymus Cardanus, mit dem er an einem Perpetuum Mobile arbeitete und einen Edelstein untersuchte, dem magische Eigenschaften nachgesagt wurden.
Das Angebot eines Lehrstuhls für Mathematik in Oxford 1554 lehnte er ab. 1555 wurde er, wie schon sein Vater Rowland Dee, durch das System der Vererbung (Patrimonium) der Zunft Mitglied der Worshipful Company of Mercers („Ehrenwerte Zunft der Händler“). Im Juli/August desselben Jahres wurde er wegen der Erstellung von Horoskopen für Königin Maria I. und Prinzessin Elisabeth sowie wegen Hexerei dem reaktionären katholischen Bischof Bonner für religiöse Fragen zugewiesen und eingekerkert. Nach der „Reinwaschung“ seines Namens wurden die beiden enge Freunde. Als 1556 sein Vorschlag an Maria I., eine Nationalbibliothek zu gründen, abgelehnt wurde, baute er in seinem Haus in Mortlake eine Privatbiblithek auf, die zur größten Sammlung Englands wurde.
Unter Elisabeth I. (1558-1603) erlangte er beträchtlichen Einfluss am Hof. Seine Horoskope und astrologischen Vorhersagen machten ihn sogar über den Hof hinaus bekannt. So erhielt er den Auftrag, astrologisch den günstigsten Zeitpunkt für die Krönung der jungen Königin Elisabeth zu bestimmen.
D. verfügte nicht nur über weitreichende astronomische und mathematische Kenntnisse, sondern besorgte 1570 auch die erste englische Ausgabe der Schriften Euklids. Ferner war er mehr als 25 Jahre Berater bei verschiedenen englischen Entdeckungsreisen. 1564 widmete er Maximilian II. die hermetische Arbeit Monas Hieroglyphica (Die hieroglyphische Monade), eine kabbalistische Interpretation einer Glyphe einzigartigen Aufbaus als Ausdruck der mystischen Einheit der ganzen Schöpfung. 1570 veröffentlichte er ein Mathematical Preface (Mathematische Einleitung) zu Henry Billingsleys Übersetzung von Euklids Elementen, worin er auf die zentrale Bedeutung der Mathematik und ihren Einfluss auf die anderen Künste und Wissenschaften verwies. Wenngleich für ungebildete Leser gedacht, sollte es sein einflussreichstes Werk werden.
In den frühen 1580er Jahren wurde D. zusehends unzufriedener, weil er bei der Klärung der Geheimnisse der Natur keinerlei Fortschritte machte und nur über einen geringen Bekanntheitsgrad verfügte. So begann er, sich dem Übersinnlichen zuzuwenden, um Weisheit zu erlangen.
1582 traf er
Edward Kelley, dessen mediale Fähigkeiten ihn derart beindruckten, dass er ihn in seine Dienste nahm. Mit ihm und seiner Frau Jane führte er zahlreiche Séancen durch, über die er genau Tagebuch führte. D. war überzeugt, dass die gewonnenen „Engelsbotschaften“ der Menschheit helfen könnten, und wandte sich immer mehr der Alchemie und Magie sowie dem Spiritismus zu.
Als sein Einfluss am Hof zu schwinden begann und seine Pläne für die Erforschung Nordamerikas nicht realisiert wurden, folgte er der Einladung des polnischen Edelmannes Albert Laski und verließ mit Kelley samt Familien im September 1583 England. Da Laski bankrott und in Polen nicht willkommen war, führten D. und Kelley ein Nomadenleben in Mitteleuropa und veranstalteten spiritistische Sitzungen, die D. genau protokollierte.
D. wurde sowohl von König Rudolf II. wie von König Stephan von Polen empfangen, denen er ihre angebliche Gottlosigkeit vorwarf und sie von der Wichtigkeit seiner Engelsgespräche zu überzeugen versuchte. Seine Versuche, engere Beziehungen zum Kaiser aufzubauen, blieben allerdings ohne Erfolg, auch aufgrund der päpstlichen Nuntien Malaspina und Sega, die D. als Ketzer und Hexer der Inquisition ausliefern wollten. 1587 teilte ihm Kelley, der inzwischen als Alchemist zu größerem Ansehen gelangt war als D., mit, der Engel Uriel hätte angeordnet, die beiden Männer sollten ihre Frauen tauschen. D. glaubte der Anordnung nicht, ließ aber offenbar der Sache ihren Lauf, verließ die Sitzung und sah Kelley nie wieder.
1589 kehrte D. nach England zurück. Seine Bibliothek in Mortlake mit einst 4000 Bänden war während seiner Abwesenheit von aufgebrachten Bewohnern der Gegend zerstört worden, die D. als Zauberer fürchteten und hassten. Seine Bücher und Instrumente wurden gestohlen. So ersuchte er Königin Elisabeth I. um Unterstützung, die ihn schließlich 1592 zum Rektor des Christ’s College in Manchester ernannte, das er aber 1605 verließ, da er inzwischen in breiten gesellschaftlichen Kreisen als Schwarzmagier verrufen war und nur mehr geringen Einfluss auf seine Untergebenen hatte. So gewährte ihm auch König Jakob I., der auf Elisabeth I. folgte und vom Übersinnlichen nichts hielt, keine Hilfe mehr.
D. zog sich auf seinen Landsitz in Mortlake zurück, wo er 1608 oder 1609 verlassen und in Armut starb. Er war insgesamt dreimal verheiratet und hatte 8 Kinder. Sein Sterberegister wie auch sein Grabstein gingen verloren.
Das Werk von D. wurde verfemt und geriet in Vergessenheit, bis sich geraume Zeit später die Rosenkreuzer und der Golden Dawn dafür interessierten.
Dabei hatte alles vielversprechend begonnen. Schon in jungen Jahren hielt D. Vorlesungen in überfüllten Hallen der Universität Paris. Er war ein leidenschaftlicher Mathematiker, ein angesehener Astronom, ein führender Experte der Navigation und ein hervorragender Lehrmeister für all jene, die Englands Entdeckungsreisen durchführen sollten. In den Abhandlungen der 1580er Jahre prägte er den Ausdruck „Britisches Empire“. Ebenso stammt von ihm die Bezeichnung „Britannia“ für England und Schottland.
Zur gleichen Zeit befasste sich D. intensiv mit der jüdisch-christlichen Mystik und Magie, der Astrologie sowie der Hermetischen Philosophie. Das letzte Drittel seines Lebens widmete er fast ausschließlich der Kontaktaufnahme mit Engeln, um so in weiterer Folge die Universalsprache der Schöpfung zu erlernen. Dabei war er stark von Marsilius Ficinus, Johannes Trithemius, Agrippa von Nettesheim, Raimundus Lullus und den weit verbreiteten biblischen Apokryphen sowie den Pseudoepigraphien beeinflusst.
In dem von Elias Ashmole aufgefundenen Manuskript des Buches Mysteriorum Libri Quinque (Fünf Bücher der Geheimnisse) fanden sich die Protokolle der spiritistischen Sitzungen, die D. mit Kelley als Medium durchgeführt hatte. Kelley starrte in die Kristallkugel, fiel in eine Art Trancezustand und rief mit Hilfe einer Wachstafel, in die magische Zeichen und Symbole eingraviert waren, die Geister herbei. Diese zeigten ihm angeblich auf 49 großen Quadraten, welche die Buchstaben des Alphabets enthielten, bestimmte Buchstaben. 1583 glaubten beide, mit zwei Geistwesen namens Madini und Ave in Verbindung zu stehen. Letzteres vermittelte ihnen auf diese Weise Botschaften und Beschwörungen in einer völlig unbekannten Sprache, der sog. henochischen Sprache, die ein ganzes magisches System, die henochische Magie, bildet. Die diesbezüglichen Protokolle von D. wurden von Méric Casaubon mit dem Titel A True and Faitful Relation of What Passed for Many Years Between Dr. John Dee and Some Spirits (1659) herausgegeben.

W. (Auswahl): Die Monas-Hieroglyphe. Interlaken: Ansata, 1982; Dr. John Dees Tagebuch/Bd. 2. Graz: Geheimes Wissen, 2008. Die Originalmanuskripte von Dee finden sich im British Museum in London und im Ashmole-Museum in Oxford.
Lit.: Kuper, Michael: John Dee. Meppen: Ed. Extra, 2005; Löffler, Ralf: Henoch die Magie des Dr. John Dee. Neuenkirchen: Phänomen-Verl. Ebele, 2006; Casaubon, Méric: A true & faithful relation of what passed for many yeers between Dr. John Dee and some spirits: tending … to a general alteration of most states and kingdomes in the world: his private conferences with Rodolphe Emperor of Germany, Stehpen K. of Poland and diverse other princes about it, 1527-1608, 1599-1671, Kelley, Edward, 1555-1595 Dee. Ann Arbor, Mich: UMI, 1999.
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