Davis, Andrew Jackson

* 11.08.1826 Blooming Grove, New York; 13.01.1910 Boston, Massachusetts, auch „Seher von Poughkeepsie“ genannt, führender Theoretiker des Spiritismus.
D., Sohn eines trunksüchtigen Vaters und einer ungebildeten, aber sehr religiösen Mutter, besuchte nur etwa fünf Monate die Schule, war Viehhirte, übersiedelte mit 12 Jahren mit seinen Eltern nach Poughkeepsie, N.Y., und begann dort mit 15 Jahren die Lehre des Schuhhandwerks. 1843 kam der Phrenologe und Magnetiseur J. Stanley Grimes nach Poughkeepsie. D. stellte sich ihm als Versuchsperson zur Verfügung, doch konnte ihn Grimes nicht in > Trance versetzen. Dies gelang hingegen dem Schneidermeister William Levingston, der daraufhin mit Erfolg zu mesmerisieren begann. D. ließ sich häufig mesmerisieren und befasste sich dann ausschließlich mit der magnetischen Heilmethode. Im Trancezustand konnte er die inneren Organe von Personen, die vor ihm standen, erkennen und ihre Gesundheit diagnostizieren. So wurde er bald als medizinischer Hellseher bezeichnet. Mit 18 Jahren beendete er seine Heilerausbildung bei Amstrong und Levingston, gab das Schusterhandwerk auf und betätigte sich fortan als > Heiler.
1845 ließ sich D. in New York nieder und begann im Trancezustand sein philosophisches Hauptwerk, The Principles of Nature („Die Prinzipien der Natur“), zu diktieren, eine Mischung aus Kosmologie und frühsozialistischem Gedankengut, das von der Wissenschaft heftig kritisiert wurde, ihm aber eine Reihe Anhänger brachte. Die darin enthaltenen Kenntnisse sollen ihm in einer Trancesitzung 1844 durch drei „höhere Geister“ eingegeben worden sein. Einer davon war Emanuel > Swedenborg, ein anderer > Galen. D. scheint vor allem die Schriften Swedenborgs gekannt zu haben, wie einschlägige Stellen des Buches zeigen. Jedenfalls sind manche seiner astronomischen Behauptungen verblüffend, wie z.B. die Angabe von neun Planeten, wo Pluto erst 1933 entdeckt wurde. Andere Angaben erwiesen sich jedoch eindeutig als falsch. 1847 begann er mit der Veröffentlichung seiner Zeitschrift Univercoelum (Wortprägung nach Swedenborgs universum caelum, Allhimmel) für > Hellsehen und Trancephänomene, die bis 1849 erschien.
Da es für D. stets die Einwirkung von Geistern war, durch die alles Unerklärliche vollbracht wird, wurde er sehr bald zum Führer der spiritistischen Bewegung, ohne Einbezug der Reinkarnationslehre, wie dies bei der europäischen Bewegung von Alan > Kardec der Fall war. Dafür versorgte er die Medien mit seiner Vorstellung von „Summerland“, dem paradiesischen Jenseits, bis heute mit einem unerschöpflichen Deutungsfeld.
Fortan befasste sich D. nicht mehr mit dem > Magnetismus, sondern vielmehr mit sozialen und anthropologischen Fragen. In The Great Harmonia (1850-1855) vertritt er die Ansicht, dass es zur Befreiung der Gesellschaft von allem Übel der Kenntnis bedürfe, dass es keine Sünde gibt und dass das Gute und Böse eine notwendige Rolle in Gottes Weltplan spielen. Menschen, die den harmonischen Prinzipien der Natur folgen, würden in der Entwicklung vorankommen.
Von 1860-64 redigierte D. die in New York erscheinende Wochenschrift Herald of Progress. 1863 gründete er ein „Lyzeum zur Fortbildung für Kinder“ und legte in einem „Handbuch“ seine Ansichten zur Errichtung von Sonntagschulen dar.
Als der Staat New York das > Geistheilen 1880 verbot, begann D. ein Medizinstudium und schloss dieses mit Graden in Medizin und Anthropologie ab. Daraufhin übersiedelte er nach Watertown, Massachusetts, wo er die Leute behandelte, ganz gleich ob sie zahlen konnten oder nicht.
Seine letzten Lebensjahre verbrachte D. in Boston, wo er eine Buchhandlung betrieb, in der er Bücher aus dem Bereich der Grenzgebiete verkaufte, wobei seine 30 Bücher beachtlichen Absatz fanden.

W. (Auswahl): Mental disorders, or, Diseases of the brain and nerves. American News Company. 1871; Philosophie des geistigen Verkehrs: eine Erklärung der neueren mystischen Erscheinungen. München, 1875; Der Harmonische Mensch oder Gedanken für unser Zeitalter. Verlag von Wilhelm Besser, 1895; Die Principien der Natur, ihre göttlichen Offenbarungen und eine Stimme an die Menschheit. Leipzig: Osw. Mutze, 1889; Die Philosophie der besonderen göttlichen Vorsehungen. Verlag von Wilhelm Besser, 1917. 
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