Calligaris, Giuseppe

*29.10.1876 Forni di Sotto/Udine, Italien; †31. März 1944 ebd. Dem Beruf seines Vaters folgend, der Gemeindearzt seines Heimatortes war, studierte C. an der Universität Bologna Medizin und promovierte 1901 mit der bezeichnenden Arbeit „Il pensiero che guarisce“ (Der Gedanke, der heilt) zum Dr. med. 1902 übersiedelte er nach Rom und wurde Assistent des berühmten Prof. Giovanni Mingazzini, Direktor des Instituts für Neuropathologie der Medizinischen Fakultät von Rom. Bereits in den ersten Jahren seiner Tätigkeit stellte er bei Kranken mit Störungen oder Verletzungen des Nervensystems Empfindungsanomalien fest, die sich für seine künftige Tätigkeit als von entscheidender Bedeutung erweisen sollten. 1908 veröffentlichte C. seine ersten Beobachtungen; eine zur Beurteilung eingesetzte Fachkommission riet ihm zur Fortsetzung seiner Forschungen.
1909 wurde er zum Sekretär des Ersten Kongresses der italienischen Neurologen ernannt, erhielt die freie Dozentur in Rom und veröffentlichte seine erste wissenschaftliche Arbeit: Le mieliti sperimentali. Er kehrte nach Udine zurück und gründete mit Hilfe des Vaters eine Klinik für Nervenkrankheiten, setzte aber seine Vorlesungen an der Medizinischen Fakultät in Rom bis 1939 fort.
1927 veröffentlichte er Il sistema motorio extrapiramidale (Die Motorik und das extrapyramidale System), das 20 Jahre hindurch zu den Lehrbüchern italienischer Medizinstudenten gehörte. Beim Tod von Prof. Mingazzini (1928) hätte C. den Lehrstuhl für Neuropathologie übernehmen können, doch gab er seinen persönlichen Untersuchungen, die er 1908 begonnen hatte, den Vorrang. Bis 1928 veröffentlichte er in in- und ausländischen Zeitschriften über vierzig Forschungsbeiträge auf einem Gebiet, das er später als „Catene lineari del corpo e dello spirito“ (Linearketten des Körpers und des Geistes) bezeichnete, die er durch Beobachtung der Hautoberfläche seiner Patienten zu finden suchte.
1928 stellte er fest, dass die Reizung oder – wie er es nannte – die „Ladung“ der Axiallinie eines Fingers oder einer interdigitalen Linie bei jedem Individuum immer den gleichen Hautreflex und, damit verbunden, ein Empfinden derselben Art hervorrief. Als er am 21. Januar desselben Jahres an der Akademie der Wissenschaften in Udine darüber referierte, fand er jedoch kein Verständnis, sondern erntete nur Hohn.

C. selbst war von der Echtheit seiner Beobachtungen überzeugt und setzte seine Untersuchungen fort. 1931 machte ihn eine intelligente und äußerst sensible Patientin darauf aufmerksam, dass sie beim Druck auf eine bestimmte Hautstelle ein eigenartiges Gefühl verspürte. C. legte für einige Minuten die Kuppe seines Mittelfingers auf die genannte Stelle und die Frau „sah“ bei verbundenen Augen eines jener geheimnisvollen Phänomene, die als „Calligaris-Experimente“ bezeichnet wurden. Es sollte der Tag einer historischen Entdeckung sein. Die Überprüfung des Experiments an weiteren Personen führte C. zu folgender Feststellung: Die Reizung oder „Ladung“ eines Hautfeldes, von ihm als „Plaque“ bezeichnet, ermöglicht – für die Dauer der Reizung – die momentane Ausschaltung jenes Hindernisses, das es dem Bewusstsein unmöglich macht zu erkennen, was im Unterbewusstsein vor sich geht. Solche „Plaques“ gestatten uns, die Fähigkeiten unserer Psyche zu erkennen und zu nutzen.
Dieser Einbruch über das Physische in das Psychische war für C. eine Entdeckung von besonderer Tragweite, nicht so für die offizielle Wissenschaft. Die Fachzeitschriften lehnten seine Aufsätze fortan ab. Seinem ersten Buch über Krebserkrankungen begegnete man mit Ironie. Die Patienten blieben aufgrund dieser negativen Beurteilung aus und C. musste seine Klinik zu Beginn des Zweiten Weltkriegs schließen. Er zog sich in seine Villa in Povoletto bei Udine zurück und verbrachte die Tage mit der Niederschrift seiner Bücher, von denen er in 12 Jahren 16 veröffentlichte; zwei (oder sieben?) blieben unveröffentlicht.
Heute sind seine Werke in Italien unauffindbar. Sie wurden von ausländischen (vor allem russischen und amerikanischen) Wissenschaftlern mit Unterstützung der Geheimdienste aufgekauft und zum Teil erfolgreich für die Durchführung von Experimenten verwendet.

W.: Le ripercussioni sensoriali nella mano. Milano, 1929 (?); Nuove ricerche sul cancro. Milano: Fratelli Bocca, [1940]; La delinquenza, malattia mentale. Con illustrazioni e 7 tavole fuori testo. Brescia: G. Vannini, 1942; Le meraviglie della metafisiologia. Brescia: G. Vannini, 1944; Le catene lineari del corpo e dello spirito: telepatia e radio-onde cerebrali. Brescia: G. Vannini, 1946.
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