Bengel, Johann Albrecht

(* 24.06.1687 Winnenden (heute im Rems-Murr-Kreis); † 02.11.1752 Stuttgart), lutherischer Theologe, bedeutendster Repräsentant des württembergischen Pietismus im 18. Jh. In seiner Studienzeit lernte er den radikalen Pietismus kennen. Nach dem Studium setzte sich B. in einer Disputation mit der Mystik (1607) auseinander. 1713 unternahm er eine mehrmonatige Studienreise, wobei er verschiedene Schuleinrichtungen wie auch pietistische Zentren kennenlernte. Im November 1713 wurde er Lehrer und Erzieher (Prärezeptor) an der neu gegründeten Klosterschule in Denkendorf bei Esslingen, wo er die alten Sprachen sowie Geschichte, Mathematik und Logik unterrichtete und sich daneben philologischen und theologischen Arbeiten widmete. Dabei suchte er pietistische Frömmigkeit und humanistische Gelehrsamkeit zu verbinden und verkörperte so das Ideal eines pietistischen Gelehrten. Darüber hinaus war er Privatlehrer des jungen Schiller.
Über den Denkendorfer Wirkungskreis hinaus schloss sich ihm u. a. sein theosophischer Meisterschüler Friedrich Christoph > Oetinger an.

Der Ruf an die Universität Tübingen blieb B. versagt. 1741 wurde er Propst von Herberichten bei Heidenheim a. d. Brenz, 1749 Prälat von Alpirsbach (Schwarzwald) und Konsistorialrat mit Sitz in Stuttgart. 1751 verlieh ihm die Universität Tübingen den Doktor der Theologie.
Mit der kritischen Ausgabe des griechischen Neuen Testaments (1734) wurde er zum Wegbereiter der modernen Textkritik. Sein Hauptwerk Gnomon (Fingerzeig) Novi Testamenti (1742) avancierte zum Klassiker pietistischer Exegese und bewahrte den schwäbischen Pietismus vor Schwärmerei.
Dabei sind Geschichte und Bibel für B. aufs engste verbunden. So favorisierte er vor allem die Entschlüsselung der Apokalypse. Mittels eines Erleuchtungserlebnisses von 1724 erschloss sich ihm die Bedeutung der Zahl 666, die „Zahl des Tieres“ (Apk 13,18), die er auf die Herrschaft des antichristlichen Papsttums der Jahre von 1143 bis 1809 bezog. Apk 20 führte ihn zur phantasiereichen Deutung eines Endkampfes um den Menschen zwischen dem Reich Gottes und dem Reich Satans. 1836 beginne um den 18. Juni das Reich Gottes auf Erden als tausendjährige Friedenszeit. Ihr schließe sich ein zweites Tausendjähriges Reich mit einer ersten Auferstehung der Gerechten an, in dem Christus mit diesen im Himmel regiere. Indessen würde der Satan nochmals für eine kurze Zeit auf Erden losgelassen. Dann folge im Jahre 3836 die allgemeine Totenerweckung, das Weltende und die Schöpfung eines neuen Himmels und einer neuen Erde.

Schließlich weitete B. seine endzeitliche Mathematik zu einer hochfliegenden universal-heilsgeschichtlichen Chronologie aus, vom Anfang der Welt mit sieben Weltaltern von 7777 7/9 Jahren bis zur Vollendung der Schöpfung.
Diese ausgeprägte Vorstellung von Geschichte als sukzessiv sich entfaltender Hoffnungsträger wirkte auf den von einem „philosophischen Chiliasmus“ geprägten Deutschen Idealismus eines Hegel und Schelling. Schließlich wurde durch die Propagierung von B.s apokalyptischer Erwartung durch Johann Heinrich > Jung-Stilling die antimodernistische Erweckungsbewegung des 19. Jhs. nachhaltig beeinflusst, die sogar zu endzeitlichen Auswanderungen nach Russland, Nordamerika und Israel führte.

W.: Mälzer, Gottfried (Bearb.): Die Werke der württembergischen Pietisten des 17. und 18. Jahrhunderts. Verzeichnis der bis 1968 erschienenen Literatur. Berlin; New York, 1972.
Lit.: Böhmer, Johann Gotthold: Johann Albrecht Bengels prophetische Zeitrechnung erläutert. Leipzig, 1751.
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