Bechterew, Wladimir Michailowitsch

(* 01.02.1857 Sorali bei Kirow; † 24.12.1927 Moskau), russischer Neurologe, Neurophysiologe, Psychiater und Schüler Wilhelm Wundts. Von 1893 bis 1907 war B. Prof. für Psychiatrie und Neurologie in Petersburg; Mitbegründer der Reflexologie. Mit I.P. > Pawlow entwickelte er die Lehre vom bedingten Reflex, nach der möglichst alle seelischen Inhalte aus physiologischen Reflexvorgängen abgeleitet werden. Er ging dabei von der Annahme aus, dass alles Existierende, gleichgültig ob tote Materie, Pflanze, Tier oder Mensch, aus einem Urstoff besteht. Geist und Materie, das Sichtbare und Unsichtbare stellen für ihn keine Gegensätze dar, sondern sind lediglich verschiedene Formen der Existenz. Das Bewusstsein ist eine Begleiterscheinung der Gehirnfunktionen. Der lebende Organismus vermag nämlich andere Energieformen in neuropsychische Energie umzuwandeln. So befasste er sich schließlich auch mit der Untersuchung der telepathischen Kommunikation mit Tieren, und zwar mit dem Ziel, deren Verhalten suggestiv zu beeinflussen. Dabei hatte er das Glück, in dem Dompteur V.L. Durow und dessen dressierten Tieren ideale „Mitarbeiter“ zu finden. Fast sechs Jahre lang wurde experimentiert. So erfolgreich einzelne Gedankenübertragungen zwischen Mensch und Tier auch funktionierten und man im Menschen die Radiostation sah, die Gedankenbilder formt und aussendet, während die Versuchstiere als Radioempfänger bezeichnet wurden, blieb völlig offen, wie man sich die Strahlen vorstellen müsse, um eine wortlose Kommunikation zu erklären. B. hatte auch Versuche von Gedankenübertragung bei räumlicher Entfernung beim Menschen vorgenommen. Durch dieses Interesse an > Telepathie animierte er die Arbeiten seines Schülers L.L. > Wassiliew.

W.: Bewusstsein und Hirnlokalisation. Rede, gehalten auf der allgemeinen Versammlung des VI. Kongresses russischer Ärzte zur Erinnerung an N.J. Pirogoff. Deutsch von R. Weinberg. Leipzig: Georgi, 1898; Die Energie des lebenden Organismus und ihre psycho-biologische Bedeutung. Wiesbaden: Bergmann, 1902; Die Bedeutung der Suggestion im sozialen Leben. Wiesbaden: Bergmann, 1906; Psyche und Leben. Wiesbaden: Bergmann, 21908; Kleinhirn, Mittelhirn, Zwischenhirn und subkortikale Ganglien. Jena: Fischer, 1909; Objektive Psychologie oder Psychoreflexologie, die Lehre von den Assoziationsreflexen. Autoris. Übers. aus d. Russ. Leipzig [u.a.]: Teubner, 1913; Allgemeine Grundlagen der Reflexologie des Menschen: Leitfaden für das objektive Studium der Persönlichkeit. Mit einem Vorwort von Ad. Czerny. Nach der 3. [russ.] Aufl. hrsg. von Martin Pappenheim. Leipzig [u.a.]: Deuticke, 1926; Die kollektive Reflexologie. Mit einem Vorwort von Paul Plaut. Halle / Saale: Marhold, 1928; Versuche über die „unmittelbare Einwirkung“ auf das Verhalten von Tieren. In: Hans Bender (Hg.): Parapsychologie: Entwicklung, Ergebnisse, Probleme. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1966.
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