Atman

Sanskr., Selbst, auch Atma, ursprünglich Hülle, Leib, dann Hauch, > Seele und > Atem, bezeichnet für den > Hindu und den > Sikh das wirkliche und wahre Selbst, das der menschlichen Erscheinung zugrunde liegt und in ihr gegenwärtig ist. Diese Bedeutung war in den > Vedas noch nicht vorhanden, sondern findet sich erst in den > Upanischaden, und zwar verschiedentlich: Mit A. wird die Gesamtheit der körperlich-geistigen Vollzüge und somit die Gesamtperson bezeichnet. A. ist sodann die Sphäre, welche die Einheit der körperlich-geistigen Vollzüge gewährleistet und die Erklärung der Welt ermöglicht; dieser A. steht an der Spitze der Hierarchie der Vermögen und erleuchtet diese von innen, weshalb er auch das innere Licht heißt. A. bezeichnet ferner die unsterbliche und immer schon befreite Wesenheit, die sich für die Dauer eines Lebens im jeweiligen Körper aufhält und ihn beim Tod verlässt: entweder um sich erneut zu verkörpern oder um erlöst zu sein und nicht wiederzukehren. Diese endgültige Befreiung (> Moksha) erreicht der A., wenn er erkennt, dass er das ist, was er schon immer war, > Brahman, tat tvam asi, du bist dies.
In einigen Textpassagen wird A. auch „Anfang des Kosmos“ genannt, eine Bezeichnung, die > Puruscha und Brahman zugesprochen wird. In dieser Hinsicht bilden A. und Brahman eine verschiedene Sphären zusammenfügende Ordnung, in der organische und hierarchische Beziehungsstrukturen miteinander verbunden sind.

Die Idee der endgültigen Befreiung des A. wurde vom Buddhismus vollkommen abgelehnt, während bei den Sikhs der unsterbliche A. das Mittel seiner Beziehung zu Gott ist, die zeitweise einer Identität nahe kommt: „Gott wohnt im Atman, und der Atman wohnt in Gott“. (> Adi-Granth 1153)

Lit.: Die altindische Philosophie nach den Grundworten der Upanishads: Der Gedanke vom All-Selbst in d. Rede-Wettkampf u. d. 3. Lehrgesprächen d. Yajnavalkya u. die Brahman-Atman-Lehren in ihren Haupt-Zeugnissen aus 12 Upanishads d. Veda/in d. Übers. von Paul Deussen. Jena: Diederichs, 1914; Trumpp, Ernest: The Adi Granth or the Holy Scriptures of the Sikhs. New Delhi: Munshiram Manohalal Publ., 41989; Malinar, Angelika: Die „Welten“, das Opfer und die Erkenntnis des Selbst im Veda und in den Upanisaden, in: Andreas Resch: Die Welt der Weltbilder. Innsbruck, Resch, 1995, S. 232-238.
Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.