Allerseelen

Gedächtnis aller Verstorbenen. 998 legte Odilo von Cluny die Allerseelenfeier für den 2. November fest; die Mönche von Cluny verbreiteten das Fest im 11. Jahrhundert. Wenngleich in Rom erst 1311 ein anniversarium omnium animorum (ein Jahresgedächtnis aller Verstorbenen) genannt wird, so wird dieses wohl auch dort schon lange vorher eingeführt worden sein. In Verbindung mit dem bei allen Völkern gepflegten Totenkult beruht das Fest Allerseelen theologisch auf der von den Kirchenvätern vertretenen und vom Trienter Konzil bestätigten Auffassung, dass die Seelen Verstorbener, die vor Gottes Gericht bestanden hätten, aber noch der Vollendung bedürften, vor ihrer Aufnahme in den Himmel an einem Ort der Reinigung (Purgatorium, Fegefeuer) verblieben. Die Lebenden könnten dabei den Toten durch Gebete und gute Werke, vor allem aber durch das Messopfer helfen. Zudem können die Verstorbenen auch den Lebenden beistehen.
Dieser Seelenkult hat zahlreiche Bräuche hervorgebracht. So konzentrierten sich bereits im hohen Mittelalter viele Seelgerätsstiftungen auf den Allerseelentag, an dem Bettler, Schüler, Mönche, Nonnen, Eremiten und Spitalsinsassen besondere Zuwendungen erhielten.
Das Ablasswesen für die Verstorbenen beeinflusste dann die Reformation, was schließlich zur Ablehnung der Lehre des Fegefeuers durch Luther führte. Die neuzeitliche Verdrängung des Todes und die Umstrukturierung der Arbeitswelt hat das Gedächtnis der Verstorbenen mit Friedhofsgang auf den Nachmittag von Allerheiligen verschoben und den Allerseelentag als Werktag in den Hintergrund gedrängt.
Nach altem Volksglauben, der auch in evangelischen Gebieten verbreitet war, stiegen die Armen Seelen an diesem Tag aus dem Fegefeuer zur Erde und ruhten für kurze Zeit von ihren Prüfungen aus. Nach anderen Vorstellungen haben die Seelen bereits vom Mittagsläuten am Allerheiligentag an die Freiheit, das Fegefeuer zu verlassen und wieder ihre alten Wohnungen aufzusuchen. In den Häusern lassen die Angehörigen den Seelen der Ihrigen alle möglichen Hilfen zukommen, vornehmlich durch Gebete, Entzünden von Kerzen sowie Aufstellen und Schmücken von Erinnerungen.

Lit.: Freistedt, Emil: Altchristliche Totengedächtnistage und ihre Beziehung zum Jenseits-Glauben und Totenkultus der Antike. Münster: Aschendorff, 21971; Resch, Andreas: Fortleben. Innsbruck: Resch, 2004.

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