Agnosie

Unwissenheit. Bei Sokrates bezeichnet A. (griech. hagnôsia) den Ausgangspunkt der Forschung (Plat. Ap.21 B), während bei den Neuplatonikern A. das Endergebnis ihrer theoretischen Philosophie darstellt.
In Psychologie und Medizin versteht man unter A. eine Störung des Erkennens trotz intakter Wahrnehmung, wobei folgende Formen unterschieden werden: akustische A. („Seelentaubheit“) oder die Unfähigkeit, Gehörwahrnehmungen mit dem akustischen Erinnerungsgut zu identifizieren; optische A. („Seelenblindheit“), die Unfähigkeit, Sichtwahrnehmungen mit dem optischen Erinnerungsgut zu identifizieren; pragmatische A. bzw. Pragmatognosie, die Unfähigkeit, Gegenstände wiederzuerkennen; taktile A. bzw. Astereognosie, die Unfähigkeit zu tastendem Formerkennen.
Neben biologischen Störungen ist hier auch die assoziationspsychologische Vorstellung anzuführen, dass sich die Wahrnehmungen aus einer Summe elementarer Sinnesempfindungen wie Farben, Tönen, Tast-, Schmerzempfindungen usw. aufbauen, die in einem besonderen „gnostischen Akt“ zu Wahrnehmungsgestalten mit Identifikation des persönlichen Erinnerungsgutes werden und somit zu Erkenntnissen führen. Dies besagt, dass A. außer durch Störungen im Sinnesbereich auch durch Störungen in der gnostischen Zusammenfassung bedingt sein kann, etwa bei Formen psychischer und paranormaler Taubheit, Blindheit und Unempfindlichkeit in psychotischen, hypnotischen und mystischen Zuständen sowie bei Stressreaktionen.

Lit.: Thurston, Herbert: Die körperlichen Begleiterscheinungen der Mystik. Luzern: Räber & Cie., 1956; Redlich, Fredrick C./Freedman, Daniel X.: Theorie und Praxis der Psychiatrie X. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1970, S. 819-850; Brown, Jason W.: Aphasie, Apraxie und Agnosie. Stuttgart: Fischer, 1975.
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