Äon

Weltalter, beständige Dauer, Weltperiode, Zeitalter. Das Wort Ä. (griech., lat. aevum) wurde ursprünglich im Griechischen in der poetischen Sprache zur Bezeichnung von Leben, Lebenszeit und Lebenskraft, vornehmlich im Hinblick auf Menschen und Götter, verwendet; die Bedeutung von Zeitalter findet sich nur gelegentlich. Doch schon bei Platon wird mit Ä. die „Lebenszeit“ des intelligiblen Wesens, nämlich die in sich selbst ruhende, überzeitliche Ewigkeit bezeichnet (Timaios 37 d). Bei ihm findet sich zum ersten Mal auch das Adjektiv „äonisch“ (aionios). Aristoteles bezeichnet mit Äon die unveränderliche Dauer der unvergänglichen Wesen wie etwa des Himmels (Met. 1072 b 29; De coelo 283 b ff.). Für Plotin ist der Ä. das Leben des Geistes, das keine Vergangenheit und keine Zukunft kennt, sondern in sich ein grenzenloses Ganzes bildet (Enn. III. 7,5). In der Septuaginta wird mit Ä. eine fernste Zeit, sowohl der Vergangenheit wie der Zukunft, gekennzeichnet, wodurch Ä. auch die Bedeutung von Ewigkeit erlangt (Jes 40,28). Im NT kann Ä. über die rein zeitliche Bedeutung im AT hinaus in Kennzeichnung der Welt und der ihr eigenen Zeit auch die räumliche Dimension umfassen (1 Kor 10, 11; Hebr 1,2; 11,3). Zudem verwendet das NT, vor allem Paulus, das Ä. auch zur Unterscheidung zwischen dem durch Schöpfung und Gericht begrenzten Ä. der Welt und dem zukünftigen Ä. des Reiches Gottes. Beide überschneiden sich, weil im Glaubenden als gegenwärtigem Ä. der zukünftige Ä. als pneumatische Wirklichkeit innewohnt (Gal 1,4; Hebr 6,6; Kor 1,20). Die Scholastik gibt das aristotelische Verständnis von Äon als unveränderliche Dauer mit aevum wieder (Suarez, Disp. met. 50, sct. 6,9), das zwischen Ewigkeit und Zeitlichkeit steht, da die eigentliche Ewigkeit nur Gott zukommt.
In der > Gnosis wird der Ä. personifiziert. Er gehört zu den obersten Wesenheiten, die zwischen Gott und der Welt stehen, kann aber auch die Gesamtheit dieser Wesenheiten und die Verbindung zwischen der geistigen und materiellen Welt, der Unendlichkeit und der Begrenztheit bezeichnen. Der Inbegriff der Äonen ist das > Pleroma. Aus dem ursprünglich vollkommenen Äon entspringen, vornehmlich paarweise, weitere niedere Äonen. Schließlich wurde das Paar, Christus und das heilige Pneuma, zur Befestigung und Sicherung des Pleroma hervorgebracht, um Harmonie in die Welt der Äonen zu bringen (Ptolomaios).
In der deutschen Sprache wird das Wort Ä. im 19. Jh. durch Goethe und die Romantik eingeführt. In der Philosophie findet sich der Begriff bei Schelling und bei Hedwig Conrad-Martius, die den platonischen und aristotelischen Begriff des Äon in ihre Theorie der Zeit einbaut, von wo er Eingang in die „Einheitliche Beschreibung der Materiellen Welt“ von Burkhard Heim fand (Heim 2, 68).
Paranormologisch sind die magischen Vorstellungen zu nennen, die besonders von Aleister > Crowley betont wurden, nämlich dass Äonen charakteristische Grundmuster mythischer, zeremonieller Kulte seien: Isis-Zeitalter (Verehrung der Mondgöttinnen) Osiris-Zeitalter (Verehrung von Sonnengöttern), Horus-Zeitalter (Verehrung des magischen Kindes, das als > Androgyn das Männliche und Weibliche in sich vereint), Zeitalter der Fische (Intellekt und Christentum), Wassermannzeitalter (Erleuchtung, Aufhebung der Gegensätze und Androgynität), das in seiner magisch-kosmischen Mächtigkeit als Äon die Zukunft prägen soll.

Lit.: Leisegang, Hans: Die Gnosis. Stuttgart: Kröner, 41955; Ritter, Joachim (Hg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie. Bd. 1. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1971; Bochinger, Christoph: New Age und moderne Religion. Gütersloh: Kaiser; Gütersloher Verlagshaus, 1994; Resch, Andreas: Die Welt der Weltbilder. Innsbruck: Resch, 1994; Heim, Burkhard: Elementarstrukturen der Materie 2. Innsbruck: Resch, 21996.
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