Begriffe Bo

Bo

Bö, Bezeichnung des Schamanen bei Jakuten und Burjäten. > Schamanismus.

Lit.: Bertholet, Alfred: Wörterbuch der Religionen. Stuttgart: Kröner, 1985.

Bo Yin Ra (Pseudonym für Joseph Anton Schneiderfranken (*25.11.1876 Aschaffenburg, Deutschland; † 14.02.1943 Massagno, Schweiz), esoterisch-theosophischer Schriftsteller und Maler, der in Frankfurt (Städelschule), München, Paris und Wien ausgebildet wurde. Auf seinen verschiedenen Reisen innerhalb Europas entstanden viele Gemälde und Schriften, wobei jene aus Griechenland besonders hervorstechen, wo er seine entscheidenden Erlebnisse hatte. In den Bildern versucht er, neben Landschaften, geistig-philosophische Lebensbereiche darzustellen. Seine Schriften umfassen 32 Bücher sowie acht ergänzende Publikationen auf der Grundlage der Theosophie > Blavatskys, gegen die er zuweilen auch Einwände erhebt. Nach eigenen Angaben traf er schon im Alter von sieben Jahren mit einem asiatischen Meister zusammen, den er später wieder getroffen habe, und 1915 sei er mit „jener Bruderschaft“ in Verbindung gekommen. Er nannte sich „Abgesandter der Weißen Loge“. Seine okkulten Lehren beeinflussten besonders die neueren Rosenkreuzer.

W.: Das Licht vom Himavat. Leipzig: Vollrath, [um 1914]; Das Buch vom Jenseits. München: Verl. der Weißen Bücher, 1920; Das Buch vom lebendigen Gott. Mit einem Vorwort von Gustav Meyrink. München: Verl. der Weißen Bücher, 1922; Das Geheimnis. München: Verl. der Weißen Bücher, 1923. Der Sinn des Daseins. Freiburg i. Baden: Magnum Opus-Verl, 1927; Hortus conclusus. Basel: Kober, 1936; Mehr Licht. Nochmals durchges., teilw. veränd. authentische Letztausg. Basel: Kober, 1936.

Lit.: Schott, Rudolf: Der Maler Bô Yin Râ. 2., völlig umgearb. und erneuerte Aufl. Zürich: Kober, 1960.

Boas, auch Boaz (hebr. „in Kraft“). 1. Neben Rut und Noomi ist B. die männliche Hauptperson in dem alttestamentlichen Buch Rut. In der Genealogie zu David ist B. der Sohn des Salomon (Rut 4, 21).

2. B. ist auch der Name der linken Säule im Tempel Salomons: „Er formte die zwei bronzenen Säulen… Er stellte die Säulen an der Vorhalle des Tempels auf. Die eine Säule stellte er auf die rechte Seite und nannte sie Jachin, die andere stellte er auf die linke Seite und nannte sie Boas“ (1 Kön 7, 15.21). Die im Hohlgussverfahren hergestellten Säulen von ca. 8 m Höhe trugen mit Granatäpfeln und Palmetten verzierte Voluten- oder Blattkranzkapitelle. Ob ihnen wegen der expliziten Nennung und der vegetabilen Regenerationssymbolik eine besondere Bedeutung im Kult zukam, lässt sich derzeit nicht sagen, doch werden die beiden Säulen zur magischen Konzeption der Polarität benutzt. > Jachin, ist das Symbol für die Elemente Feuer und Luft in der Seele des Menschen und im Universum, B. ist das Symbol für Wasser und Erde. Jachin ist die Sonne, B. der Mond.

In der Freimaurerei gilt B. meist als schwarz (manchmal auch als rot) und weiblich.

Insgesamt herrscht jedoch weder über die Stellung noch über die Bedeutung der Säulen Einigkeit. Nach dem biblischen Text steht B. jedenfalls auf der linken Seite.

3. Rinderschlange (auch Boa). Alte Quellen, darunter Plinius, berichten, sie erreiche ihre sagenhafte Größe dadurch, dass sie Schaf- und Rinderherden nachstelle, sich an ihre Euter hänge, diese aussauge und die Tiere dann töte und verschlinge. Laut Hieronymus soll dessen Zeitgenosse, der hl. Hilarion, einmal von Leuten gebeten worden sein, das Untier in ihrem Land zu töten. Er gebot daraufhin der Schlange, auf einen Holzhaufen zu steigen, was diese, bezwungen von der Kraft Gottes, befolgte. Dann zündete Hilarion den Holzhaufen an und verbrannte das Tier.

Lit.: Lagutt, Jan K.: Der Grundstein der Freimaurerei: Erkenntnis und Verkennung. 2., erw. Aufl. Zürich: Origo, 1963; Frick, Karl R. H.: Licht und Finsternis II: Gnostisch-theosophische und freimaurerisch-okkulte Geheimgesellschaften bis an die Wende zum 20. Jahrhundert; Teil 1: Ursprünge und Anfänge. Graz: ADEVA, 1975; King, Francis: Magie: eine Bilddokumentation. Frankfurt a. M.: Umschau, 1976; Schöpf, Alois: Fabeltiere. Graz: ADEVA, 1988; Georg, M.: Jakin und Boaz. Aegyptica Biblica. Wiesbaden, 1991; Frevel, Christian: Das Buch Rut. Stuttgart: Verl. Kath. Bibelwerk, 1992.

Bo-Baum > Bodhi-Baum.

Bobo-i-Dihkon, die persönlich gedachte Sonne bei den Tadschiks im Pamirgebiet, die als Beschützerin der Bauern gilt.

Lit.: Bleichsteiner, Robert: Mittelasien: Turkvölker; Tadschiks. 1939.

Bobo-Kyldar („Großvater Donner“), Gewittergottheit bei den Tadschiks, die als der große Jäger bei der Zündung der Lunte seines Gewehrs mit Stahl und Stein den > Blitz erzeugte.

Lit.: Bleichsteiner, Robert: Mittelasien: Turkvölker; Tadschiks. 1939.

Bobola, Andreas (*1592 Strachocina, Polen; †16.05.1657 Jánow Poleski, heute Weißrussland), heilig (17.04.1938, Fest:16. Mai). B. stammte aus hochadeliger Familie, trat 1611 in Wilna in das Noviziat der Jesuiten ein und wirkte nach den Studien und der Priesterweihe erfolgreich als Prediger und Kongregationsleiter an St. Kasimir in Wilna (1624 –1633), dann als Volksmissionar in der Gegend von Pinsk (1637–1657). Durch sein Wirken wurden ganze Ortschaften wieder katholisch. Bei einem Kosakeneinfall wurde er ergriffen und von Kosaken zu Tode gequält. Als man 1701 seinen völlig unverwesten Leichnam fand, der an seinen abgeschnittenen Gliedmaßen, der abgezogenen Haut, den Brandwunden und den unter die Fingernägel getriebenen Holzstücken einwandfrei erkannt wurde, machte gerade die > Unverwestheit, die bis heute anhält, auf die Orthodoxen den größten Eindruck.

Zunächst in der Pfarrkirche von Polazk bestattet, wurde der Leichnam 1922 von den Bolschewiken entfernt und als Kuriosität im Museum für Hygiene in Moskau ausgestellt. 1924 wurde sie dem Vatikan übergeben und 1938, anlässlich der Heiligsprechung, nach Warschau überführt, wo sie seit 1988 in einem eigens für B. erbauten Sanktuarium ruht. Seit 2002 ist B. ein Schutzheiliger Polens. Mehrere kirchliche Anstalten sowie die Missionsschwestern vom hl. Andreas Bobola sind nach ihm benannt.

B. werden neben Unverwestheit eine Reihe weiterer außergewöhnlicher Erscheinungen und Botschaften zugeschrieben. So sagte er dem Dominikanerpater Korzeniecki 1819 in einer > Vision, dass Polen nach einem großen Krieg seine Unabhängigkeit wiedererlangen und er, P. Bobola, der neue Schutzpatron Polens werden würde. Beides hat sich erfüllt.

Lit.: Jerome, Ambroise: Lebensgeschichte des seligen Andreas Bobola, Priester der Gesellschaft Jesu, gemartert fuer den Glauben von den Schismatikern im Jahre (1657). Regensburg, 1855; Sleumer, Albert: Die Schlacht bei Pinsk und die Befreiung Polens vom Joche d. Moskowiter: Eine Weissagung d. sel. Andreas Bobola S.J. (†1657); Mit e. Berichte über d. Leben u. grauenvolle Martyrium d. Seligen. Vechta: Vechtaer Dr. u. Verl., 1915.

Bochica, Gründerheros der Stadt Chibcha in Kolumbien. Er soll aus dem Osten in das Land gekommen sein und als bärtiger Weiser die dort ansässigen Menschen die Gesetze der Moral und Zivilisation sowie handwerkliche Künste gelehrt haben. Eine Frau namens Chi widersetzte sich jedoch und wurde von B. daraufhin in eine Eule verwandelt. Doch selbst in dieser Gestalt war sie dem Gott > Chibchachum noch behilflich, die Erde zu überfluten. Da erschien B., schnitt mit seinem goldenen Stab eine Schneise in die Felsen und bahnte so einen Weg für die ins Tal fließenden Wasser – berühmt geworden als Tequendama-Wasserfall südwestlich von Bogotá. Als B., nachdem er noch den Kalender geordnet hatte, das Land in Richtung Westen wieder verließ, hinterließ er im Gestein noch seine Fußspuren.

Lit.: Perez de Barradas, José: Los Muiscas antes de la conquista. Madrid: Consejo Superior de Investigaciones Cientificas, 1950 /51; Caballero Plaza, Efrén: Leyenda y realidad en la mitología Chibcha. In: La nueva democracia. Nueva York, vol. 39 (1959) 4, S. 20 – 24; Märchen der Azteken und Inkaperuaner, Maya und Muisca. München: Diederichs, 1990; Jones, David M.: Die Mythologie der Neuen Welt. Reichelsheim: Edition XXV, 2002.

Bock (lat. haedus, hircus; engl. he-goat; it. caprone), Ziegenbock, im Gegensatz zum Schafbock, dem > Widder, wenngleich die beiden im Sprachgebrauch nicht immer klar getrennt sind.

Der B. ist in vielen Kulturen ein Repräsentant für Fruchtbarkeit, Zeugungskraft und ungezügelte Sexualität. In Ägypten beteten Frauen zu ihm um Kindersegen. Der in Mendes verehrte Widder dürfte später durch einen Ziegenbock ausgetauscht worden sein. Im alten Indien ist der B. ein sonnenhaftes Wesen und dem Feuergott > Agni heilig. Im Allgemeinen ist B. aber negativ besetzt. So verkörpert er im AT als Sündenbock die Unreinheit und Sündhaftigkeit: „…und der Bock soll alle ihre Sünden mit sich in die Einöde tragen“ (Lev 16, 22). Im NT wird der B. zum Symbol der sündigen Menschen: „Er wird die Schafe zu seiner Rechten versammeln, die Böcke aber zur Linken“ (Mt 25,  33). Die Griechen setzten ihn ihrem B.dämon > Pan gleich. So ist nach antikem Mythenverständnis der Geist des Schreckens („panische Angst“) mit dem Fell des Ziegenbocks verbunden. Der Leben und Tod widerspiegelnde > Dionysos ist sowohl „Ziegentöter“ (Aigobolos) als auch selbst der Gott „im schwarzen Ziegenfell“ (Melanaigis). Als Jäger und Gejagter erleidet er das tragische Schicksal des Bockes (griech. tragos). Der B. ist ferner das Reittier der > Aphrodite.

Bei den Germanen gehörte der B. zum Kult und Mythos des Donnergottes > Thor.

Im Mittelalter wurde der > Teufel mit Bockshörnern und > Bocksfuß dargestellt. Der B. galt vielfach auch als obszönes Reittier der > Hexen für den Flug zum orgiastischen > Hexensabbat und ist bis heute im > Satanismus, vor allem als Bockskopf, die personifizierte Wolllust.

Lit.: Merivale, Patricia: Pan the Goat-God: His Myth in Modern Times. Cambridge, Mass. [u. a.]: Harvard Univ. Press, 1969; Otto, Walter F.: Dionysos. Berlin: Humboldt-Universität, 1996; Girard, René: Der Sündenbock. Zürich: Benziger, 1998.

Bock von Mendes (ägypt.: Ba-neb-dêdet; engl. he-goat of Mendes; it. caprone di Mendes). In der altägyptischen Stadt Dêdet, von den Griechen Mendes genannt, stand ein Tempel, der dem heiligen Ziegenbock Ba-neb-dêdet, dem „Bock, Herr von Dêdet“, griech. Bendêtis, gewidmet war. Er wurde von den Ägyptern in der Überlieferung aus ältester Zeit zwar immer noch als Widder dargestellt, von den Griechen aber richtiger als tragos, also als „Ziegenbock“, bezeichnet. Der B. von M. war in Ägypten der berühmteste aller verehrten Widder und wurde mit > Ptah in Verbindung gebracht, der die Gestalt dieses Widders angenommen hatte, um Ramses III. zu zeugen. Er war ein zeugungsgewaltiger Fruchtbarkeitsgott, der die Frauen veranlasste, zu ihm zu beten, wenn sie Kinder wünschten. Herodot (490 – 425 /420) erwähnt in einer Bemerkung von Pindar († nach 446 v. Chr.): „… die altägyptische Stadt Mendes, an der Düne des Meeres, dem äußersten Horn (Mündung) des Neilos, wo die Ziegen bespringenden Böcke sich mit Frauen vermischten“ (Herdot II, Kap. 46). Dieser sodomitische Akt einer Paarung veranlasste Herodot, seinen ihm bekannten griechischen > Pan mit dem B. von M. zu identifizieren. In der Beschreibung der Orgien beim Hexensabbat klingt diese Vermischung der Böcke mit den Frauen in der Gestalt des Teufels mit einem Ziegenkopf nach. 

Lit.: Roeder, G.: Die ägyptische Götterwelt. Zürich: Artemis, 1959; Ions, Veronika: Die Götter und Mythen Ägyptens. Klagenfurt: Kaiser, 1988; Wilkinson, R. H.: Die Welt der Götter im alten Ägypten. Darmstadt: Wiss. Buchges., 2003.

Bock, Hieronymus (*1498 wahrscheinlich Heidelsheim / Baden; † 21.02.1554 Hornbach / Pfalz, Deutschland), genannt Tragus (griech. tragos, (Ziegen-)Bock), Botaniker, Arzt, lutherischer Prediger. B. immatrikulierte 1519 in Heidelberg und erhielt 1522 eine Anstellung als Lehrer und Botaniker in Zweibrücken, wo er dem Reformator Johann Schwebel begegnete, der seinen weiteren Lebensweg prägte. 1532 wurde er Leibarzt des bereits kranken Herzogs Ludwig II., ohne ihm jedoch noch helfen zu können. 1533 erhielt er als verheirateter Laie eine Pfründe im Hornbacher Fabiansstift. 1536 oder 1538 wurde der Übergang von Kloster und Stift zur Reformation auch öffentlich vollzogen und B. übernahm das Pfarramt der Gemeinde Hornbach. Den Schwerpunkt seiner Arbeiten bildeten jedoch weiterhin seine botanischen, medizinischen und pharmakologischen Studien. Als einer der ersten Wissenschaftler seiner Zeit arbeitete er auf Reisen in die Ardennen bis in die Schweizer Alpen an einer umfassenden Beschreibung der mitteleuropäischen (Heil-)Pflanzen. Das Ergebnis dieser Studie ist sein Hauptwerk, das Kreütter Buch (1539), das sogar ins Lateinische übersetzt wurde. Wenngleich seine Pflanzenbeschreibung zutreffender ist als die aller bisherigen Werke ähnlicher Art, ist seine Systematisierung sehr mangelhaft. Weitere volksmedizinische Werke sind die Teutsche Speiszkammer von 1540 und die Bader Ordnung von 1550. Das Augsburger Interim von 1548 nach dem verlorenen Schmalkaldischen Krieg traf auch B. Er entsagte seinem Kanonikat zugunsten der lutherischen Lehre, verlor den Posten des Pfarrers und wurde 1550 Leibarzt Graf Philips II. von Nassau-Saarbrücken. Nach Aufhebung der Interimsbestimmungen durch den Passauer Vertrag kehrte er 1552 nach Hornbach zurück, wo er am 21. Februar 1554 starb.

Paranormologisch sind vor allem sein Kräuterbuch und seine volksmedizinischen Werke von Bedeutung. > Achillea.

W.: Das Kreütter Buch, Darinn Underscheidt, Namen vnnd Würckung der Kreutter, Stauden, Hecken vnnd Beumen, sampt jhren Früchten, so inn Deutschen Landen wachsen Durch H. Hieronymum Bock auss langwiriger vnd gewisser erfarung beschrieben, erschienen in erster Auflage in Straßburg, 1539. Schon 1546 erfolgte eine zweite Auflage, diesmal mit zahlreichen Bildern des Illustrators David Kandel versehen, 1552 wurde das Werk sogar ins Lateinische übersetzt und erlebte bis weit ins 17. Jh. hinein zahllose Neuauflagen und Nachdrucke; Bader Ordnung / Durch Hieronymum Bock, auß den Hochgelerten Hippocrate vnd Bartholomeo Montagnana, sampt andern auffs kürtzest, allen frommen Badern zu trost, ins Teutsch gestelt. M.D.L. [s. l.]: [s. n.], 1550; Teutsche Speiszkammer / durch Hieronym[us] Bock … ans hecht gegeben. Straßburg: Rihel, 1550.

Bocksdorn (lat. Lycium), früher wegen seiner Ähnlichkeit mit dem > Buchsbaum auch Buchsdorn genannt. Der Gattungsname Lycium verweist auf den Ort seiner Herkunft, Lykien in Kleinasien. Weitere Namen sind Teufelszwirn und Filzkraut. Der B. ist ein Nachtschattengewächs mit rotvioletten Blüten, scharlachroten, giftigen Beerenfrüchten und hängenden Zweigen, das sich in ganz Europa findet und in verschiedenen Arten angepflanzt wird, aber auch verwildert an Mauern und Zäunen wächst.

Die Pflanze enthält Solasodin. Die roten Beeren können bei Kindern ein Kratzen in Mund und Rachen, Erbrechen, Durchfälle, möglicherweise auch Krämpfe und erweiterte Pupillen verursachen. Giftig ist der B. für Pferde, Rinder, Kühe, Schweine, Hunde, Katzen, Hasen, Kaninchen, Meerschweinchen, Hamster und Vögel.

Früher wurde unter dem Namen Lycium ein Extrakt gegen Flechten und Ausschläge verwendet. Heute findet B. in der Heilkunde, außer in der > Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM), keine Anwendung mehr.

In der Magie fand der B. als Schutzmittel gegen Behexung und Zauberei Verwendung, indem man Büschel seiner Äste an Fenster und Türen hängte.

Lit.: Roberts, Marc: Das neue Lexikon der Esoterik. München: Goldmann, 1995. 

Bocksfuß, im Volkglauben neben > Pferdefuß Symbol für den > Teufel. Der > Bock als Repräsentant von Vitalität und Fruchtbarkeit und das Pferd als Repräsentant von Vitalität und Stärke verbinden sich durch ihre Schlauheit zu Gestalten der Überlegenheit und Hinterhältigkeit, die vor allem durch den Fuß zum Ausdruck kommen könne.

Lit.: Girard, René: Der Sündenbock. Zürich: Benziger, 1998.

Bockshornklee (lat. Trigonella foenum-graecum; engl. Fenugreek), einjähriges Kraut aus der Familie der Schmetterlingsblütler. Es gedeiht auf Wiesen, wird aber auch angebaut. Der B. stammt ursprünglich aus Indien und wurde von Benediktinermönchen in hiesigen Klostergärten angepflanzt. Er enthält Schleimstoffe, Saponin, Flavonglykosid, Bitterstoff, Eisen, Phosphor, ätherisches Öl und wird im Juni und August eingesammelt. Verwendet wird vor allem der Samen. Als Tee eingenommen stärkt B. Appetit und Allgemeinbefinden und wirkt Untergewicht entgegen. Bei Erkrankungen der Atmungswege oder des Verdauungsapparates wirkt er entzündungshemmend und schleimlösend.

Äußerlich kann man den Tee als Kompresse oder die gekochten und zerstampften Samen als Breiumschlag bei Entzündungen, Furunkeln, Ulzerationen und sogenannter Drüsenschwellung auf die erkrankten Stellen legen. Bei wiederholter äußerer Anwendung sind unerwünschte Hautreaktionen möglich.

B. ist > Apollo, > Ra und > Isis geweiht und war in Ägypten in früheren Zeiten eine Ritualpflanze, die den Göttern als Brandopfer dargebracht wurde. Sie steht für Heilung, Frohsinn und Wohlbefinden. Ein Topf mit Samen, der offen im Haus steht, gilt als idealer > Talisman, damit das Geld in den Haushalt zurückkommt.

Lit.: Magister Botanicus. Speyer: Die Sanduhr – Fachverlag für altes Wissen, 1995; Pschyrembel Wörterbuch Naturheilkunde und alternative Heilverfahren. Berlin: de Gruyter, 1996.

Boddhipakkiya-Dhamma (Pali), die 37 Elemente der Erleuchtung im > Buddhismus. Sie sind in sieben Gruppen unterteilt: 1) die vier Grundlagen der richtigen Aufmerksamkeit (satipatthana); 2) die vier vollkommenen Anstrengungen (sammapadhanani); 3) die vier Bestandteile der konzentrierten Kräfte (iddhipada); 4) die fünf Fähigkeiten (indriyani); 5) die fünf Kräfte (balani); 6) die sieben Erleuchtungsglieder (sambojjhanga); 7) der > achtfache Pfad (Astangika-marga).

Lit.: Das Oxford-Lexikon der Weltreligionen / John Bowker [Hrsg.]. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1999.

Boden (lat. fundus; engl. soil; it. suolo), oberste Verwitterungsschicht der Erde. Da auf ihr Pflanzen wachsen und der Mensch leben kann, steht der B. seit Urzeiten in einem besonderen Bedeutungsbezug zu Gott und dem Menschen.

Den Bezug zu Gott veranschaulicht die Erzählung von Naaman, der sich von Elischa palästinensische Erde erbittet, um im syrischen Heimatland dem Gott des Palästinensers dienen zu können: „Darauf sagte Naaman: Wenn es also nicht sein kann, dann gebe man deinem Knecht so viel Erde, wie zwei Maultiere tragen können; denn dein Knecht wird keinem andern Gott mehr Brand- und Schlachtopfer darbringen als Jahwe allein“ (2 Kön 5,  17). Der Boden ist die Existenzgrundlage, daher erwartet man von Gott, dem Sonnenspender und Regenmacher, dass er ihm Furchtbarkeit gewähre.

Die Gestalt des B.s trägt auch wesentlich zur Eigenart und Kultur der Menschen bei. So ist es eine uralte Volksweisheit, dass der B. und seine physikalischen Kräfte eine nachhaltige Wirkung auf Lebewesen ausüben. Den Chinesen sind diese geheimnisvollen Bodenkräfte schon seit 4000 Jahren bekannt. So ist nach der Lehre von Feng-Schu der B. vor dem Hausbau von einem > Geomanten zu untersuchen, um schädlichen Kräften auszuweichen. Es geht dabei um Einwirkungen unterirdischer Wasserläufe, geologischer Brüche und Verwerfungen, die Einwirkung vagabundierender Ströme, um sogenannte > Bodenreize. Die Einwirkungen des Bodens werden mit Müdigkeit, Schlaflosigkeit, Rheuma-, Nerven- und Krebsleiden sowie anderen Beschwerden in Verbindung gebracht.

Abgesehen von diesen störenden Einflüssen hat der Boden, verbunden mit seiner kosmischen Stellung, vor allem auch eine heilende Wirkung auf den Menschen. > Orte der Kraft.

Lit.: Huntington, Ellsworth: Civilization and Climate. New Haven: Yale University Press, 1924; Kopp, Josef: Boden und Mensch. In: Andreas Resch: Der kosmische Mensch. Innsbruck: Resch, 21984, S. 99 –139.

Bodenreize, neutrale physikalische Bezeichnung der umstrittenen > Erdstrahlen (Kopp). Die Zonen auf denen diese Reize auftreten, werden als Bodenreizzonen oder Reizstreifen bezeichnet. Es geht dabei um verschiedenartige physikalische Anomalien die mit > Wünschelrute, > Pendel oder auch nur durch besondere Reaktionen des Körpers festgestellt werden. Man nimmt an, dass der bei anthropometrischen Messungen wahrnehmbare Muskel-Tonus-Effekt auf physikalischen Ursachen beruht. Diese Empfindlichkeit des Menschen auf Bodenreize wird als > Geosensibilität (Brüche) bezeichnet. Dabei kann es sich bei den B. um geologische, hydrologische und geophysikalische Kräfte handeln. > Biomagnetismus.

Lit.: Brüche, Ernst: Zur Problematik der Wünschelrute. Basel: Geigy, 1962; Kopp, Joseph A.: Gesundheitsschädliche und bautenschädliche Einflüsse von Bodenreizen: naturwissenschaftliche, medizinische und bautechnische Aspekte des „Erdstrahlen“-Problems. Zürich: Schweizer Verlagshaus AG, 1965; Resch, Andreas: Der kosmische Mensch. Resch: Innsbruck, 21984; ders.: Kosmopathie. Resch: Innsbruck, 21986.

Bodensee. Wie die meisten Seen ist auch der B. von einer Reihe von Sagen umwoben. So soll einst ein Fußgänger oder Reiter den zugefrorenen See überquert haben. Als man ihm am Ufer mitteilte, dass sich unter der glatten Eisfläche, auf der er ging, ein See befinde, fiel er vor Schreck tot um. Gustav Schwabs Gedicht Der Reiter und der Bodensee hat diese Erzählung weiter bekannt gemacht (Beck, 225ff.). Ferner soll an einem bestimmten Fleck im B., dem sogenannten Löchle, das niemals zufriert, ein > Nebelmännchen wohnen.

Nach einer schwedischen Volkssage steht der B. in geheimnisvoller Verbindung mit dem Wettersee (Laistner, 78.258).

Lit.: Laistner, Ludwig: Nebelsagen. Stuttgart: Spemann, 1879; Lachmann, Theodor (Hg.): Überlinger Sagen, Bräuche und Sitten. Nachdr. d. Ausg. Konstanz, 1909. Hildesheim: Olms, 1979; Beck, Paul: Eine Quelle für Gustav Schwabs Gedicht: Der Reiter und der Bodensee. In: Alemannia 34 (1906), 225 – 232.

Bodenstein, Adam von (1528 –1577), Schüler des > Paracelsus, Arzt und Alchemist. B. wurde als Sohn des Theologen Andreas Bodenstein in Karlstadt, Schweiz, geboren, studierte Medizin, wurde Schüler des Paracelsus und in jeder Hinsicht sein Nachfolger. So lehrte er öffentlich als Professor der Arzneikunde in Basel die Lehre des Paracelsus.

Ab 1560 veröffentlichte B. über vierzig Paracelsische Schriften, die maßgeblich zum Aufkommen und zur Weiterentwicklung des Paracelsismus beitrugen. Da er diese aber ohne Wissen der Basler Medizinischen Fakultät edierte, wurde er Ende Januar 1564 aus der Fakultät und dem Rat ausgeschlossen. Gemeinsam mit Gerhard Dorn, Johannes Oporinus und Michael Toxites gilt Bodenstein als bedeutender Übersetzer der Werke des Paracelsus ins Lateinische. Zudem schrieb er das Buch De lapide Philosophorum, das mit seinen übrigen Schriften 1581 in Basel in Folio gedruckt wurde, und verfasste ein Sendschreiben an die Herren von Fugger pro asserenda Alchymia sowie eine Einleitung zu Arnaldi de Villa nova Rosarium. Außerdem übersetzte er folgende Werke vom Deutschen ins Lateinische: Giambattista della Porta Magia naturalis; Opus Chyrurgicum; Onomasticon Paracelsicum.

Als in Basel die Pest ausbrach, kündigte er mit Vertrauen auf seine Lehre Vorbeugungen an, starb aber selbst an der Pest.

Lit.: Kibre, Pearl: “Adam of Bodenstein”. New York: Charles Scribner‘s Sons, 1970; Dorn, Gerhard: Dictionarium Theophrasti Paracelsi. Hildesheim: Olms, 1981. Nachdr. d. Ausg. Frankfurt 1584 u. Basel 1575; Schmieders Gesamtausgabe der Geschichte der Alchemie. Leipzig: Bohmeier, 2009.

Bodenstrahlung, aus dem Erdboden kommende Strahlung, wo radioaktive Stoffe (Uran, Thorium und Kalium-40) fein verteilt vorhanden sind. Das gasförmige Radon, ein Folgeprodukt des Uranzerfalls, gelangt aus dem Boden in die Luft und in die Häuser, insbesondere in Kellerräume. In der Atmosphäre werden durch die Höhenstrahlung dauernd radioaktiver Kohlenstoff C-14 und radioaktiver Wasserstoff H-3 (Tritium) neu gebildet. Diese Isotope gelangen mit den Niederschlägen in die Erde und in die Pflanzen.

Häuser schirmen die äußere Strahlung etwas ab, haben aber je nach Baumaterial eine eigene Strahlung, sodass die Belastung in Häusern insgesamt etwas höher ist als im Freien.

Zur B. zählen die Radiästheten auch Strahlungen von unterirdischen Wasserläufen und Verwerfungen, Mineralien und verschollenen Gegenständen. Sensitive seien in der Lage, solche Einwirkungen direkt oder mit Hilfe von > Rute und > Pendel wahrzunehmen.

Je nach Art der Strahlung sei diese gesundheitsfördernd oder gesundheitsschädlich.

Lit.: Mauritius, Gernot: Der gesteuerte Mensch: Allpsyche, Kosmos, Leben. Innsbruck: Resch, 1980; Purner, Jörg: Radiästhesie – Ein Weg zum Licht? Mit der Wünschelrute auf der Suche nach dem Geheimnis der Kultstätten. Zürich / Chur: M & T Verlag, 1988; Fischer, Karl Maximilian: Radiästhesie und Geopathie: Theorie und empirische Untersuchungen. Wien; Köln; Graz: Böhlau, 1989; Betz, Hans-Dieter: Geheimnis Wünschelrute: Aberglaube und Wahrheit über Rutengänger und Erdstrahlen. Frankfurt a. M.: Umschau, 1990; Rohrbach, Christof: Radiästhesie: physikalische Grundlagen und Anwendung in Geobiologie und Medizin. Heidelberg: Karl F. Haug, 1996.

Bodhi (sanskr., Pali: „Erwachen“; japan. Bodai), höchste Form der Erleuchtung. Diese wird durch die Vervollkommnung der 37 zur > Erleuchtung gehörenden Dinge (> Boddhipakkiya-Dhamma) und die Aufhebung der Unwissenheit erlangt. Der Mensch, der diesen Zustand erreicht hat, wird Buddha genannt.

Im > Hinayana wird B. mit der vollkommenen Einsicht in die vier edlen Wahrheiten und die Verwirklichung derselben gleichgesetzt, was die Aufhebung des Leidens bedeutet.

Im > Mahayana hingegen wird B. als die auf Weisheit gegründete Einsicht in die Einheit von > Nirwana und > Samsara sowie von Subjekt und Objekt verstanden.

Lit.: Diener, Michael S.: Das Lexikon des Zen. Bern; München: Otto Wilhelm Barth Verlag, 1992; Das Oxford-Lexikon der Weltreligionen / John Bowker (Hrsg.). Darmstadt: Wiss. Buchges., 1999.

Bodhi-Baum, auch Bo-Baum (von singhalesisch Bo für sanskr. / Pali Bodhi, Erwachen, > Erleuchtung), „Baum der Erleuchtung“, von dem man glaubt, dass Buddha unter ihm die Erleuchtung erlangte und ein > Buddha wurde. Dabei handelt es sich um einen Pippalbaum (ficus religiosa), der bis heute das buddhistische Symbol für die Erleuchtung ist. Der gegenwärtige Baum, der sich in Bodh-Gaya, Bihar, befindet, ist nicht sehr groß und wohl nicht der ursprüngliche. In Indien wird der Baum ganz allgemein als ein mächtiges Symbol der Heiligkeit angesehen. Nach buddhistischen Darlegungen sei er zu der Zeit erstanden, als der Buddha seine letzte Geburt erlebte. Ferner ist man der Ansicht, dass jeder Buddha mit einem besonderen B. in Verbindung stehe.

Ein Sprössling des B. sei durch die Tochter Kaiser Ashokas, Sanghanmitta, nach Sri Lanka gebracht worden. Ein Abkömmling des Baumsprosses wird heute noch in Anuradhapura in Sri Lanka als B. verehrt.

Schließlich wurde es zu einer Sitte, einen B. zu pflanzen.

Lit.: Bodhi-Baum: Zeitschrift für Buddhismus. Wien: Octopus-Verl., 1988 –1993; Notz, Klaus-Josef (Hrsg.): Das Lexikon des Buddhismus. Freiburg i. Br.: Herder, 1998; John, Bowker (Hrsg.): Das Oxford-Lexikon der Weltreligionen. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1999.

Bodhicitta (sanskr., „Erleuchtungsgedanke“), auf die Erleuchtung gerichtetes Denken. Der Begriff ist eng mit dem > Mahayana-Buddhismus verbunden. Er beinhaltet einen persönlichen und einen kosmischen Aspekt. Im persönlichen Sinn bezeichnet B. ein spontanes Erzeugen des Entschlusses, nach der Erleuchtung zu streben, insbesondere mit dem Ziel, anderen Wesen Nutzen zu bringen. Nach dem kosmischen Aspekt der Lehre liegt die erste Bewegung dieses Antriebs in einem transpersonalen Nährboden, wo die Realität selbst unter ihren verschiedenen Bezeichnungen, wie „Wahrheitskörper“ (Dharmakaya) oder „Wahre Soheit“ (Bhutatathata), die Möglichkeit zur Erleuchtung erzeugt. Der persönliche B. ist die Widerspiegelung dieses Potentials im menschlichen Herzen, und man stellt sie sich als Buddhanatur vor, die latent in allen Wesen vorhanden ist.

Im tantrischen Buddhismus wird B. mit dem Keim oder Samen identifiziert, der durch die Vereinigung von Männlichem und Weiblichem entsteht, was die Verschmelzung von > Weisheit (Prajna) und > Mitleid (Karuna) im Glück der vollkommenen Erleuchtung darstellt.

Lit.: Wangchuk, Dorji: The Resolve to Become a Buddha: A Study of the Bodhicitta Concept in Indo-Tibetan Buddhism. Tokyo: International Institute for Buddhist Studies of the International College for Postgraduate Buddhist Studies, 2007.

Bodhidharma (sanskr.; jap. Bodai Daruma; chin. P’u-ti-Ta-mo), 28. Patriarch nach Buddha (5. / 6. Jh. n. Chr.) in der indischen Linie und erster Patriarch des Ch’an / Zen-Buddhismus in China. Die Gelehrten sind sich nicht einig, wann B. von Indien nach China kam, wie lange er dort blieb und wann er starb. Japanische Zen-Meister stimmen jedoch darin überein, dass B. um ca. 520 per Schiff von Indien nach Südchina fuhr. Da er dort keinen Erfolg hatte, wanderte er nach Norden und ließ sich schließlich im Shao-lin-Kloster auf dem Berg Shung-shan (jap. Suzan) nieder. Dort übte er neun Jahre lang den bewegungslosen > Zazen, weshalb diese Periode als mempeki kunen („neun Jahre lang der Wand gegenüber“) bekannt wurde. Ihm schloss sich Hui-k’o als Schüler an und wurde der zweite Patriarch.

Offen bleibt allerdings, ob sich hinter B. eine historische Persönlichkeit verbirgt oder nicht. Wichtig ist jedenfalls die in der Beschreibung von B. zum Ausdruck gebrachte Bedeutung, welche Zen-Meister dem Zazen, der Übermittlung des Dharma vom Meister auf den Schüler, beimessen. Die Tradition schreibt nämlich B. all das zu, was für das Selbstverständnis des Zen charakteristisch ist: intensive Praxis der > Meditation, souveräne Persönlichkeit, Distanz zur bloßen Schriftgelehrsamkeit.

Die Schule verbreitete sich sehr rasch über China und wurde um 1300 zur Hauptform des chinesischen Buddhismus.

Lit.: Hackmann, Heinrich: Chinesische Philosophie: mit 1 Bildn. Bodhidharmas. München: Reinhardt, 1927; Dumoulin, H.: Bodhidharma und die Anfänge des Ch’an-Buddhismus. Monumenta Nipponica 7 (1951), 67– 83; Bodhidharma: Bodhidharmas Lehre des Zen: frühe chinesische Zen Texte / übers. aus dem Chines. und mit einer Einf. von Red Pine. [Übers. aus dem Amerikan.: Agatha Wydler]. Zürich [u. a.]: Theseus, 1990.

Bodhimanda (sanskr., „Ort der Erleuchtung“), Platz von Buddhas Erleuchtung unter dem > Bodhi-Baum, der in der Mythologie für alle Buddhas der Gegenwart, der Vergangenheit und der Zukunft zum Ort der Erleuchtung wurde. Im B. sieht man das Zentrum oder den Nabel der Welt und im Baum die Weltachse (> axis mundi).

Lit.: Notz, Klaus-Josef (Hrsg.): Das Lexikon des Buddhismus. Freiburg i. Br.: Herder, 1998.

Bodhisattva (sanskr.; Pali: „Erleuchtungswesen“). Im älteren Buddhismus, dem > Theravada-Buddhismus, bezeichnet B. jene Wesen, die einmal zu einem Buddha werden. Im > Mahayana-Buddhismus ist B. hingegen ein Wesen, das durch die systematische Ausübung der Tugendvollkommenheiten (> Paramita) die Buddhaschaft anstrebt, auf das endgültige Eingehen in das Nirwana aber so lange verzichtet, bis alle Wesen erlöst sind. Sein Handeln ist vom Erbarmen (Karuna) motiviert und von der höchsten Einsicht und Weisheit (> Prajna) getragen. Ein B. leistet daher tätige Hilfe und ist bereit, das Leid aller Wesen auf sich zu nehmen und karmische Verdienste auf andere Wesen zu übertragen. Der Weg eines B. beginnt mit dem Wunsch nach Erleuchtung (> Bodhicitta) und dem Ablegen des > Bodhisattva-Gelübdes (> Pradnidhana). Dieses beinhaltet den festen Vorsatz, selbst Erleuchtung zu erlangen und alle Menschen durch die Hinführung zum Nirwana zu erlösen. Die Laufbahn umfasst zehn Stufen.

Der Unterschied zwischen den Mahayana- und Theravada-Schulen besteht darin, dass die überwältigende Botschaft des Mahayana zum Ausdruck bringt, dass das Nirwana, mit dem sich die > Arhats und Pratyekabuddhas begnügen, nicht das höchste Ziel ist, sondern die vollkommene Weisheit.

Lit.: Gerner, Wendelgard: Das Bodhisattva-Ideal im Mahayanabuddhismus und seine Verwirklichung im Leben des ladakhischen Volkes. Frankfurt a. M.: Lang, 1991; Reis-Habito, Maria Dorothea: Das Dharani des großen Erbarmens des Bodhisattva Avalokitesvara mit tausend Händen und Augen: Übersetzung und Untersuchung ihrer textlichen Grundlage sowie Erforschung ihres Kultes in China. Institut Monumenta Serica, Sankt Augustin. Nettetal: Steyler Verl., 1993; Santideva: Anleitung zum Leben als Bodhisattva = (Bodhicaryâvatâra). [Aus dem Sanskrit von Richard Schmidt]. Frankfurt a. M.: Angkor-Verlag, 2005.

Bodhisattva-Gelübde > Pranidhana.

Bodhisattva-yana > Mahayana.

Bodin, Jean (*1529 /30 Angers; † 1596 Laon), französischer Rechtsgelehrter, Philosoph, einer der Begründer der modernen Staatsrechtstheorie und Hexenverfolger.

B. wurde zunächst Karmelit. Nach dem Austritt aus dem Orden, angeblich wegen Ketzerei, studierte er ab 1551 Recht, Philosophie und Ökonomie und wurde in jungen Jahren Prof. für römisches Recht an der Universität Toulouse. 1561, als in Frankreich die schrecklichen Religionskriege begannen, wurde er Advokat am Pariser Parlament und veröffentlichte 1556 die wichtige Arbeit La Méthode pour étudier l‘Histoire. Ab 1571 war er Rechtsberater im Dienst des Herzogs von Alençon. 1576 trat er als Deputierter des dritten Standes auf der Versammlung der Generalstände in Blois gegen religiöse Verfolgung und die königlichen Steuerforderungen auf. Nach dem Tod des Herzogs von 1584 arbeitete er als procurateur (Staatsanwalt) in Laon, bis er 1596 an einer Seuche starb.

Berühmt wurde B. durch sein staatsrechtlich bedeutendes Werk Les six livres de la République (1576), das viele Auflagen erlebte und heute noch Gegenstand rechtshistorischer Studien ist.

Vom paranormologischen Standpunkt aus war die Veröffentlichung seines Werkes De la démonomanie des sorciers von 1580 ein Markstein in der Entwicklung des Hexenwahns des 16. und 17. Jhs. Als Richter hatte B. bei einigen > Hexenprozessen den Vorsitz geführt und sich mit großem Eifer in die Literatur über Zauberei und Hexenwesen eingearbeitet. So ist die enge intertextuelle Beziehung zwischen dem > Malleus Maleficarum (1486) von Kramer (> Institoris) und > De prestigiis daemonum (1560) von > Weyer so auffällig, dass diese Texte als Trilogie gelesen werden können. Dabei ist das Buch von B. eine echte Breitseite gegen Weyer. In seinem ausführlichen Vorwort sagt er auch, dass der Grund seiner Abhandlung eine Antwort auf Weyer sei, der sich als Beschützer der Hexen ausgebe. Weyers Schrift ist nämlich vom ernsthaften Bemühen durchdrungen, den Teufelskreis und die Diskussion der Hexen zu brechen. Seine letzte lateinische Ausgabe von 1583 erweiterte er um ein sechstes Buch, da es auch als Antwort auf B. gedacht war.

In den ersten Kapiteln seiner Démonomanie widmet sich B. Fragen der Magie, der Mystik und der jüdischen Kabbalistik. Sein Begriff des Zauberers schließt böse wie gute ein. Zu seiner Hexenvorstellung gehört auch der Glaube an die Verwandlung in > Werwölfe, an das nächtliche Zusammentreffen der Hexen mit dem Teufel und an den > Hexenflug. Entscheidend sind für ihn die böswillige Absicht, die Abkehr von Gott und der Bund mit dem Teufel. Aus der Überzeugung, dass Hexerei das größte Verbrechen sei, fordert er für eine Hexe eine größere Bestrafung als für einen Mörder. Erkennen könne man Hexen an > Hexenmalen oder Abstammung, an der Unfähigkeit zu weinen oder dem Richter ins Auge zu schauen. Im vierten Buch beschreibt B. dann ausführlich die Verfahrensregeln der Hexenprozesse.

Insgesamt kommt er zu dem Schluss, dass der Teufel überall ein und derselbe und dass auch der > Hexensabbat überall identisch sei.

B. zählt folgende fünfzehn Einzelverbrechen auf, aus denen sich Zauberei zusammensetze, und folgert daraus eine fünfzehnfache Todeswürdigkeit:

1. Gott abschwören.

2. Gott verleumden und blasphemieren.

3. Dem Teufel huldigen, indem man ihn an-
betet und ihm opfert.

4. Dem Teufel Kinder widmen.

5. Kinder töten, ehe sie getauft werden.

6. Kinder dem Teufel weihen, die noch im
Mutterleib sind.

7. Propaganda für die Sekte machen.

8. Im Namen des Teufels schwören als Zei-
chen der Ehre.

9. Inzest begehen.

10. Menschen, auch kleine Kinder, töten, um
einen Absud zu machen.

11. Menschliches Fleisch essen, indem man
die Toten ausgräbt, und Blut trinken.

12. Durch Gift und Zaubersprüche töten.

13. Vieh töten.

14. Unfruchtbarkeit auf dem Felde und Hun-
ger in den Ländern verursachen.

15. Geschlechtsverkehr mit dem Teufel ha-
ben. (Bodin, Bl. 199b)

Für die Auflistung dieser Verbrechen verwendete B. ein umfangreiches Material und hielt sich bei der Ausarbeitung desselben an die klassische Methode. Der erste Teil des Werkes ist theologisch und handelt vom > Teufel; im zweiten Teil werden die Handlungen der > Hexer und > Hexen sowie die verschiedenen Arten der > Magie analysiert und im dritten und letzten Teil die Möglichkeiten aufgezählt, um Geständnisse zu erpressen. Zudem werden die Strafen katalogisiert, die jedem Verbrechen zustehen – gemäß der Meinung verschiedener Autoren, einschließlich der seinen.

B., der Johann Weyer als „infamen Hexenmeister“ und Schüler des verdächtigen > Agrippa verdammte, wurde seinerseits von denen, die ihn für zu gemäßigt hielten, als Magier und Atheist verklagt.

W.: Methodus, ad facilem historiarum cognitionem. Parisiis: Martin Juvenis, 1566; Commentarius de iis omnibus quae in tertii ordinis conventu acta sunt, generali trium ordinum concilio Blesis a rege indicto ad decimumquintum novembris diem 1576. Rignaviae: Sterphen, 1577; De la Démonomanie des sorciers. Paris: DuPuys, 1580; De magorvm daemonomania: Von aussgelasnen wütigen Teuffelssheer: allerhand Zauberern, Hexen unnd Hexenmeistern, Vnholden, Teuffelsbeschwerern, Warsagern, Schwartzkünstlern, Vergifftern, Augenverblendern, u. wie die Vermög aller Recht erkant, eingetrieben, behindert, erkündigt, erforscht, Peinlich ersucht und gestrafft werden sollen, gegen des Herrn Doktor J. Wier Buch von der Geisterverführungen durch den Edlen und hochgelehrten Herrn Johann Bodin, der Rechten D. und des Parlements Rhats inn Franckreich aussgangen und nun erstmals durch den auch Ernvesten und Hochgelehrten H. Johann Fischart, der Rechten Dr, auss Französischer Sprache trewlich ins Teutsche gebracht und nun zum Andernmahl an vilen enden vermehrt und erklärt. Strassburg: Jobin, 1591.

Bodylearning („Körpererfahrung“), Psychomotorik und Wahrnehmungsschulung zur Stabilisierung der Persönlichkeit über Bewegungserlebnisse. Diese ganzheitliche Therapie, die sich aus verschiedenen Körpertherapien wie > Feldenkrais und > Alexandertechnik zusammensetzt, dient der Wiederherstellung der natürlichen Körperabläufe zur Harmonisierung der körperlichen Funktionen, aber auch der Seele. Dazu gehört nicht zuletzt eine Bearbeitung motorischer Schwächen, der Probleme des Klienten in der Auseinandersetzung mit sich selbst (Körpererfahrungen, Selbst-Erfahrungen), mit Materialien (Material-Erfahrungen), mit der Umwelt (Sozial-Erfahrungen). > Kinesiologie, > Heilenergetik.

Lit.: Gelb, Michael: Körperdynamik: eine Einführung in die Alexander-Technik. Frankfurt a. M.: Runde-Ecken-Verl. Brunner, 2004.

Boehm, Josef (1871–1931), Tierarzt in Nürnberg, vertrat zur Klärung der paranormalen Phänomene mittels einer Wellentheorie den physikalischen Standpunkt, überzeugte sich dann jedoch in einem lebhaften Gespräch mit Rudolf > Tischner (Psychische Studien (1919) 4 –5, S. 9. 10 –11) von der psychisch-geistigen Deutung.

W.: Seelisches Erfühlen. Pfullingen i. Württ.: Baum, 1921; Intuition und Inspiration. Pfullingen: Baum, 1924; Inneres Schauen von menschlichen und kosmischen Beziehungen der Seele: Beitr. zur Enträtselung d. „Okkulten“ durch eigene Versuche u. Selbsterlebnisse. Pfullingen: Baum, 1928.

Böffgen, Christine († 1631), deutsche Witwe, die 1631 im rheinländischen Dorf Rheinbach auf Weisung des Hexenrichters Franz > Buirmann zu Tode gefoltert wurde, nachdem sie von zwei bereits eingekerkerten Personen der Hexerei beschuldigt, daraufhin festgenommen und nach nur flüchtiger Anhörung den Folterknechten übergeben worden war. Mit verbundenen Augen und kahlrasiert unterzog man sie zunächst der > Nadelprobe und setzte sie dann auf den > Folterschemel, wo man ihr die Beinschrauben (> Spanische Stiefel) anlegte. Das erzwungene Geständnis widerrief sie, sobald ihr die Beinschrauben abgenommen wurden. Das Gericht ordnete weitere Folterungen an. Nach vier Tagen starb die Frau. Es ist dies eine der bedauerlichsten Episoden der > Hexenprozesse und der Geschichte des Dorfes Rheinbach, wo bis in die zwanziger Jahre des 20. Jhs. in der Dorfkirche St. Georg Messen für die Seele von Christine B. gelesen wurden.

Lit.: Thomas, Georg Heinrich: Threni Radebergenses, oder Wehmuethige Klage und demuethige Bitte, gesammlet aus der Asche der in der Nacht zwischen den 18. und 19. May 1741 abgebrandten Stadt Radeberg / überreichet von Georg Heinrich Thomas. Dresden: Krause, 1741.

Bogen (engl. arch; ital. arco), Symbol der dem König untergebenen Völker, speziell im Bild von neun Bogenwaffen. Die oberägyptische Landesgöttin > Nechbet führte den Beinamen „die, welche die Bogen zusammenbindet“, was als Hinweis darauf gedeutet werden kann, dass mehrere Volksstämme unter einem König vereint wurden.

Im Totentempel Sesostris I. bei el-Lischt (um 1956 bis um 1910 v. Chr.), eines der bedeutendsten Herrscher des Mittleren Reiches und Altägyptens überhaupt, wird der Triumph des Königs dadurch veranschaulicht, dass er auf neun Bogen steht. Auch das Attribut der Kriegsgöttin > Neith war ein Bogen.

In der > Theosophie symbolisiert der aufsteigende Bogen den Lebensstrom sich entfaltender Geistwesen, der absteigende hingegen die Herabkunft spiritueller Wesen aus ätherischen und spirituellen Seinsbereichen zur physischen Seinsebene.

Lit.: Baumann, Adolf: ABC der Anthroposophie: ein Wörterbuch für jedermann. Bern; Stuttgart: Hallwag, 1986; Drury, Nevill: Lexikon esoterischen Wissens. München: Droemer Knaur, 1988.

Bogey > Boggart.

Boggart (engl. Dialekt), Irrwicht oder Kobold im weiteren Sinn, der stets versucht, gerade jene Gestalt anzunehmen, die sein Gegenüber am meisten erschreckt. Ein Mittel dagegen ist, ihn mit dem „Irrwicht-Bann-Zauber“ lächerlich zu machen. Auch an der Haustür aufgehängte Hufeisen sollen den B. fernhalten. In Yorkshire, England, wo es B.-Legenden in Hülle und Fülle gibt, sieht der B. angeblich dem Menschen ähnlich, trägt aber Tiermerkmale wie Fell und Schweif.

Von ähnlichen Wesen wird in aller Welt berichtet, und zwar unter verschiedenen Namen, wie Bogey, Boogie-Man oder Boogey-Man, Bug-a-Boo oder einfach nur Boo, Bugbear oder Bogey-Breast.

Lit.: O’Donnell, Elliott: Dangerous Ghosts. Rider & Co.: London, 1954.

Boggle-Threshold, Akzeptanzschwelle. Von der Autorin und Psycho-Forscherin Renée Oriana > Haynes geprägter Begriff zur Bezeichnung jenes Punktes, ab dem wir etwas nicht mehr als Tatsache annehmen können und die Skepsis beginnt.

Lit.: Haynes, Renée: The Hidden Springs: An Enquiry into Extra-Sensory Perception. London: Hollis and Carter, 1961; ders.: The Seeing Eye, The Seeing I: Perception, Sensory and Extra-Sensory. New York: St. Martin’s Press, 1976.

Bogie, in der schottischen Mythologie Gespenster oder Kobolde, die Leid bringen und zum Fürchten aussehen. Man glaubte, dass die Geister die Macht hätten, Kinder zu stehlen. Daraus bildete sich in weiten Kreisen die oft wiederholte Warnung an ungezogene Kinder: „Du hörst besser auf, sonst holt dich der Bogie-Mann!“ > Boggart.

Lit.: O’Donnell, Elliott: Dangerous Ghosts. Rider & Co.: London, 1954; Haining, Peter: Das große Gespensterlexikon: Geister, Medien und Autoren. Lizenzausg. f. Gondrom Vlg. GmbH, Bindlach 1996.

Bogomilen oder Bogumilen (slaw., „Gottliebende“ oder „Gottesfreunde“), bulgarische religiöse Bewegung, gegründet zur Zeit des bulgarischen Zaren Petăr (927– 969) von dem wohl aus Makedonien stammenden Priester Bogomil (griech. Theophilos; dt. Gottlieb), der seine Lehren im 10. Jh in Bulgarien verbreitete. Ihm galt die vorgefundene Ungerechtigkeit in Welt und Kirche (Reichtum, Sittenverfall des Klerus) als unvereinbar mit der Botschaft, da von Gott alles gut und vollkommen geschaffen sei. Man suchte in Armut und Einfachheit zu Gott zu finden und der himmlischen Herrlichkeit teilhaftig zu werden.

Die Lehre besitzt vorwiegend dualistisch-manichäische Züge: Die Welt wurde von dem von Gott abgefallenen Sataniel erschaffen. Alle Materie gilt daher als geistfeindlich, weshalb auch die Leiblichkeit Christi verneint wird. Staatliche Autorität, Fleisch- und Weingenuss, Heirat und Zeugung wurden abgelehnt, um die materielle Welt nicht zu stärken. AT, kirchliche Hierarchie, Liturgie, Sakramente, Kreuz, Ikonen, Gottesmutter, Gotteshäuser und Sonntagsheiligung und das Priestertum wurden ebenfalls verneint. Nach dem Ende des 1. Bulgarenreiches (1018) entfaltete sich zudem noch ein radikaler Dualismus.

Von Bulgarien aus verbreitete sich die Lehre mit beachtlichem Erfolg im byzantinischen Kaiserreich. Sie gelangte bis zum Hof des Kaisers Alexios Komnenos. Unter ihm fand 1110 ein großes Ketzergericht statt, was zur äußeren Unterdrückung der B. führte. 1118 wurde ihr Anführer, ein Arzt namens Basilius, verbrannt. Die B. breiteten sich jedoch in Osteuropa und in den Balkanländern weiter aus und fanden unter der Modifikation „Patarener“ auch in Norditalien und im 11. / 12 Jh. besonders in Südfrankreich (> Katharer) Eingang. Die B. in Bosnien traten nach der türkischen Eroberung im 15. Jh. größtenteils zum Islam über. 

Lit.: Ilić, Jordan A: Die Bogomilen in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Srem. Karlovci: Serb. Klosterdr., 1923; Borst, Arno: Die Katharer: Geschichte und Glaube der Albigenser oder westlichen Bogomilen: (c. 1000 – 1320 n. Chr.). Göttingen, 1951; Thomas, Helga: Sonne, Mond und Weinstock: Gräbersymbolik der Bogomilen. Stuttgart: Klett, 1970; Roll, Eugen: Ketzer zwischen Orient und Okzident: Patarener, Paulikianer, Bogomilen. Stuttgart: Mellinger, 1978; Papasov, Katja: Christen oder Ketzer – die Bogomilen. Stuttgart: Ogham-Verl, 1983.

Boguet, Henri (1550 –1619), französischer Jurist, Richter der Provinz Burgund und Präsident des Gerichts von Saint Claude / Burgund, war als > Hexenrichter für die Hinrichtung von ca. 600 angeblichen Hexen verantwortlich. In der Einleitung zu seinem Buch Discours exécrable des Sorciers, das mehrmals aufgelegt wurde und sich, was seinen Einfluss betraf, mit dem > Hexenhammer messen kann, behauptet B., dass er über hundert Angehörige der „Hexensekte“ gesehen und 40 persönlich verhört habe. Bei diesen Verhören sei er zur Überzeugung gelangt, dass der Hexenglaube keine Wahnvorstellung sei, sondern auf Fakten beruhe. Seiner Meinung nach wurden die Hexen vom Teufel in einen Tiefschlaf versetzt, damit er in Gestalt eines > Werwolfs Untaten vollbringen konnte. Während dieses Schlafs träumten die Hexen, dass sie umherirrten und die Taten des Teufels begingen. B. habe sogar selbst Teufel gesehen, die in Form von Kugeln aus dem Körper eines verzauberten Mädchens kamen. Das Buch hat zudem einen Anhang, in dem in 70 Artikeln genau beschrieben wird, wie ein Hexenrichter vorzugehen hat. Da es in Französisch verfasst ist, erfuhr es in knapp 12 Jahren nicht nur 12 Auflagen, sondern hatte bei den französischen Gerichten den Rang eines offiziellen Handbuches bei > Hexenprozessen.

B. selbst begann als oberster Richter in St. Claude seine Tätigkeit der Hexenjagd mit dem Verhör der vermeintlichen Hexe Françoise Secretain, die er durch Folter zur Nennung zahlreicher Mittäter veranlasste. Wer immer in der Folgezeit wegen Hexerei vor sein Gericht kam, darunter auch Kinder, wurde zum Tod verurteilt. Vielen versagte er die „Gunst“ vom Scharfrichter vorher erdrosselt zu werden und ließ sie bei lebendigem Leib verbrennen.

W.: Discours exécrable des Sorciers. Ensemble leur Procez, faits depuis 2.ans en ç`a, en diuers endroicts de la France: Avec une instruction pour un Iuge, en faict de Sorcelerie. Roven: De Beauvais, 1603; Discours des sorciers, avec six adris en faict de sorcellerie: N‘estant ce que l‘Autheur a cy devant en lumière sur le mesme sujet, qu‘un echantillon de ce qui est traitté en ce livre. Seconde edition. Lyon: Pierre Rigard, 1608.

Bohm, David (*20.12.1917 Wilkes-Barre, USA; † 27.10.1992 London), US-amerikanischer Quantenphysiker und New-Age-Denker.

B., Sohn eines jüdischen Möbelhändlers, studierte Physik u. a. an der Universität von Kalifornien und in Berkeley, CA, als letzter Graduierter unter Robert Oppenheimer. Er promovierte 1943 und lehrte ab 1947 an der Princeton Universität Quantenmechanik und Teilchenlehre, führte Dialoge mit Albert Einstein und ließ in seiner Offenheit auch kommunistische Ideen zu, weshalb ihn US-Senator Joseph McCarthy auf die schwarze Liste setzte. B. weigerte sich, vor dem Ausschuss seine Kollegen zu verraten, wurde verhaftet und verließ Amerika, ohne es je wieder zu betreten. Er lehrte anschließend in Sao Paolo und ging 1954 nach Haifa in Israel, wo er seine Frau kennenlernte, mit der er 1957 nach England ging, zuerst nach Bristol und später an das Birkbeck College in London, wo er bis zu seinem Tod blieb. 1959 sagte er mit seinem Studenten Yakir Aharonov einen Quanteneffekt, den sog. Aharonov-Bohm-Effekt, voraus.

Während einer seiner depressiven Phasen, an denen er von Zeit zu Zeit litt, lernte er in einer Klinik das kennen, was er später „Dialoggruppen“ nannte, und versuchte diese Erfahrung in die Wissenschaft einzubauen. Dabei machte er den Vorschlag, dass die Vortragenden alle Zuhörenden am Prozess ihres Denkens, ihrer Vorannahmen bezüglich des Themas, ihres Weges zu den Ergebnissen teilhaben lassen sollten, was zu einer ganz anderen Art von Wissenschaft führen würde. 1959 stieß er auch auf die Schriften des indischen Philosophen > Krishnamurti und war erstaunt über die Nähe dieser Texte zu den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen. B. suchte nämlich mit seiner Theorie der „impliziten Ordnung“ die Konvergenz zwischen Naturwissenschaft und Mystik. Während die „explizite Ordnung“ die objektive Welt ist, die wir durch unsere Wahrnehmung kennenlernen, ist die „implizite Ordnung“ die Welt der Quantenphysik, in der sich die Partikel auch als Wellenformen verhalten und hologrammähnliche Organisationen bilden. Das Ganze könnte nämlich eine universale Eigenschaft der Natur und in jedem ihrer Teile enthalten sein. Diese Gedanken wurden dann vor allem von der New Age-Bewegung aufgegriffen.

W.: Krishnamurti, Jiddu: Fragen und Antworten und sein Gespräch mit Prof[essor] David Bohm. München: Goldmann, 1985; Die implizite Ordnung: Grundlagen e. dynam. Holismus. München: Dianus-Trikont-Buchverlag, 1985; Physik und Transzendenz: d. großen Physiker unseres Jhs. über ihre Begegnung mit d. Wunderbaren / Hans-Peter Dürr (Hrsg.). Mit Beitr. von David Bohm. Bern: Scherz, 1986; Das neue Weltbild: Naturwissenschaft, Ordnung und Kreativität. München: Goldmann, 1990.

Böhm, Gerd (*25.11.1923 Oberlangenstadt, Deutschland; † 7.07.1956 Chartres /Frankreich). Bei Materialisationssitzungen 1958 / 59 in Kopenhagen mit dem Medium Einar > Nielsen (1894 –1965) soll sich B. nach den Aussagen seines Bruders Adolph Kurt Böhm in seiner Gegenwart, in Gegenwart der Eltern sowie auch bei Anwesenheit der Professoren > Lyra und > Hohenwarter als Phantom gezeigt haben. Nach Hohenwarter gehörte B. zu den ausgebildesten Phantomen, die er je gesehen hatte (Hohenwarter, Verborgene Welt, 13).

Lit.: Die Phantome von Kopenhagen. Tatsachen und Rätsel. In: Verborgene Welt 10 (1961) 3, S. 13; Böhm, Adolphe: Mein Bruder Gerd: seltsame Erlebnisse in Kopenhagen / Geleitwort von Theodor Weimann. Garmisch-Partenkirchen: G. E. Schroeder Verlag, 1963.

Böhme, Jakob (*1575 Alt-Seidenberg bei Görlitz; †16. / 17.11.1624 Görlitz, Schlesien), Mystiker und Theosoph lutherischer Prägung, „Philosophus Teutonicus“.

Leben

Der Bauernsohn erlernte das Schuhmacherhandwerk, das er bis März 1613 in Görlitz ausübte.

Während seiner Zeit als Schustergeselle kam einmal ein Fremder in den Laden, kaufte Schuhe und rief nach Verlassen des Geschäfts von der Straße aus: „Jakob, komm heraus!“ Als dieser hinausging, blickte ihm der Fremde in die Augen und sagte: „Jakob, du bist klein, aber du wirst groß und gar ein anderer Mensch werden, dass sich die Welt über dir verwundern wird. Darum sei fromm, fürchte Gott und ehre sein Wort. Du wirst viel Not und Armut mit Verfolgung leiden müssen, aber sei getrost und bleibe beständig“ (nach Weiss, 10).

1599 erwarb sich B. in Görlitz das Meister- und Bürgerrecht und heiratete die Tochter eines Görlitzer Fleischermeisters, die ihm vier Söhne schenkte.

Seine Initiation als Mystiker ereignete sich im Jahr 1600, nachdem er durch den örtlichen Pastor Martin Molle mit den Werken der Mystiker Johannes > Tauler, Jan van > Ruysbroeck und Heinrich > Seuse bekannt gemacht worden war. Sein Biograf Frankenberg berichtet von vier Verzückungen, bei denen er vom göttlichen Licht ergriffen und von Gott berührt worden sei. Der zweite Raptus von 1600 erfolgte beim Anblick eines Zinngefäßes, auf das ein Sonnenstrahl fiel. Der liebliche Schein habe ihn in den innersten Grund der geheimen Natur eingeführt. Man könnte hier an eine hypnotische Induktion denken. Dagegen spricht aber, dass der plötzliche Eindruck B. für das Leben prägte und dass darin urplötzlich offenbar wurde, dass er fortan alles Lebende und Tote in der Natur nach seiner „Signatur“, den physiognomischen Merkmalen durchschauen konnte, in denen sich das Innerliche sinnbildlich ausdrückte. Zudem berichtete er erst zwölf Jahre später im Werk „Morgenröte“ über diese spirituelle Erweckung. Auf alle Fälle beeindruckten diese Schauungen seine Umgebung und weckten ein unstillbares Interesse an seinen Eingebungen, das sonst wohl kaum entstanden wäre, denn seine Gedankengänge sind nicht nur ungewohnt, sondern auch schwierig.

1610 konnte sich B. bereits ein Haus kaufen. Als Grübler und tiefsinniger Denker vertiefte er sich in die Bibel und in allerlei mystische und naturphilosophische Schriften. In diesem Suchen wurde er auch im Umgang mit Anhängern von > Paracelsus, Valentin Weigel und Kaspar Schwenckfeld beeinflusst und geriet dabei in Zweifel über die überlieferte kirchliche Schöpfungslehre. Schließlich brachten ihm visionäre Erlebnisse Klarheit über das Verhältnis der Schöpfung und des in der Welt vorhandenen Bösen zu Gott als dem Schöpfer einer vollkommenen Welt. 1612 schrieb B. diese Gedanken nieder, die wie ein Platzregen über ihn kamen, sodass Hand und Feder ihnen nacheilen mussten. Das Manuskript mit dem Titel „Aurora oder die Morgenröte im Aufgang“ wurde von einem Freund heimlich kopiert und so verbreitet. 1613 verkaufte B. seine Schuhbank und betrieb mit seiner Frau einen Garnhandel, um mehr Zeit für seine philosophische Schriftstellerei zu haben. Im Juli desselben Jahres fiel eine Abschrift von „Morgenröte“ in die Hände des Görlitzer Pastors Gregorius Richter, der seinen Rat aufrief, gegen die ketzerische Schriftstellerei des Schusters vorzugehen, und das Manuskript beschlagnahmte. Am 30.7.1613 musste B. geloben, nichts mehr zu schreiben. Diese aufgezwungene Schweigezeit nützte er für umfangreiche Studien von Schriften alchemistischen, astrologischen, kabbalistischen und theologischen Inhalts.

Auf Anraten einiger Freunde und einer inneren Eingebung folgend brach B. 1618 oder 1619 das Gelübde, weil er dem inneren Druck zu schreiben nicht mehr widerstehen konnte. So gelangten ab 1618 De tribus principiis oder Beschreibung der Drey Prinzipien göttlichen Wesens (1619); Mysterium Pansophicum (1620); De signatura rerum oder von der Geburt und Bezeichnung aller Wesen (1622); Von der Gnadenwahl oder Von dem Willen Gottes über die Menschen (1623), Mysterium Magnum oder Erklärung über das 1. Buch Mosis (1623) als Handschriften in Umlauf. Nach dieser Arbeit griff er ein letztes Mal zur Feder, um seine Quaestiones theosophicae oder Betrachtung Göttlicher Offenbarung (1624) niederzuschreiben, die jedoch Fragmente geblieben sind. Im Mai 1624 reiste er an den Dresdner Hof, weil der Rat auf Betreiben Richters seine Ausweisung angeordnet hatte. B. hoffte dort von allerhöchster Stelle sein Recht gegen Richter zu finden. Man entließ ihn aber lediglich mit der Ermunterung, getrost wieder heimzukehren. 

Am 7. November 1624 kam B. krank nach Görlitz zurück. Pfarrer Richter war inzwischen verstorben. Auf B.s Bitten hin reichte ihm Pfarrer Elia Theodorus nach vielen Fragen doch das Abendmahl. B. starb am 17.11.1624 mit den Worten: „Nun fahre ich hin ins Paradies.“

Werk

B. hinterließ mehr als 30 visionäre theosophische Schriften, die sehr stark vom Neoplatonimus, der Zahlensymbolik und insbesondere der paracelsischen Alchemie geprägt sind. Ein Teil seine Werke wurde 1624 unter dem Titel Weg zu Christo gedruckt. 1682 wurden seine theosophischen Schriften erstmals gemeinsam herausgegeben. Bis 1730 folgten zahlreiche weitere Drucke.

B. hatte einen nachhaltigen Einfluss auf den > Pietismus wie auch auf Friedrich Wilhelm Joseph von > Schelling, der ihn 1806 während der Lektüre von Oetingers Buch über E. > Swedenborg kennenlernte.

Die Grundidee seiner Schriften ist die der absoluten göttlichen Einheit, in der alle Gegensätze vermittelt sind. Etwas kann sich nur durch etwas anderes zeigen. Die Dunkelheit ist allein durch das Licht und das Gute kann sich nur durch das Böse kundtun. Gott ist an sich selbst der Urgrund, ein unterschiedsloses Nichts. Er offenbart sich aber durch die absoluten Gegensätze. Diese Gedanken spiegeln sich vor allem in seinen Hauptwerken:

In Morgenröte unternimmt B. den Versuch, die Wirklichkeit als das „ausgesprochene Wort“ Gottes zu beschreiben. Dabei will er deutlich machen, dass die Schöpfung kein längst vergangener und in sich abgeschlossener Prozess ist, sondern ein „Gebären“, das noch voll im Gange ist. In seinem zweiten Werk, De tribus principiis, richtet B. seinen Blick auf das für ihn grundlegende trinitarische Prinzip Gottes, das Zornfeuer, Licht und Liebe, die Welt als Aufenthaltsort des Menschen. B. ist daran gelegen, dass sich der Mensch dem Zornfeuer Gottes entzieht und durch Einkehr in das zweite Prinzip, in das Licht und die Liebe Christi das verlorene Paradies erreicht. In Signatura Rerum verweist der lateinische Text auf die paracelsistische Naturphilosophie. Jedes Ding der sichtbaren Welt wird von deren „inneren geistigen Welt“ getragen und kann somit anhand seiner spezifischen Signatur erkannt und verstanden werden. Im Willen Gottes über den Menschen kritisiert B. die Prädestination des Menschen, indem er nachzuweisen versucht, dass Gott das Böse und die Strafe für dieses nicht gewollt und nicht von Anfang an vorherbestimmt hat. Gott entzieht sich auch nicht der gefallenen Natur, er wohnt ihr nicht mehr inne, sondern durchwohnt sie. Denn das Übel in der Welt ist nicht Gottes, sondern der Menschen Vorsatz.

Diese Gedankenwelt von B. steht durch seine Bezüge zur jüdischen Theosophie der > Kabbala und zur christlichen > Gnosis in einer einzigartigen Weise zwischen Theologie und Philosophie, wobei die persönliche Erfahrung besonders zum Tragen kommt. Mit diesen Gedanken hat B. u. a. Goethe, Hegel, Franz von > Baader, und wie schon erwähnt von Schelling beeinflusst.

W.: Aurora oder Die Morgenröte im Aufgang (1612); De tribus principiis oder Beschreibung der Drey Prinzipien Göttlichen Wesens (1619); De triplici vita hominis oder Von dem Dreyfachen Leben des Menschen (1620); Psychologica vera oder Vierzig Fragen von den Seelen (1620); De incarnatione verbi oder Von der Menschwerdung Jesu Christi (1620); Sex puncta theosophica oder Von sechs Theosophischen Puncten (1620); Sex puncta mystica oder Kurtze Erklärung Sechs Mystischer Puncte (1620); Mysterium pansophicum oder Gründlicher Bericht von dem Irdischen und Himmlischen Mysterio (1620); Informatorium novissimorum oder Von den letzten Zeiten an P. Kaym (1620); Christosophia, der Weg zu Christo (1621); Libri apologetici oder Schutz-Schriften wider Balthasar Tilken (1621); Antistifelius oder Bedenken über Esaiä Stiefels Büchlein (1621); Ingleich Vom Irrtum der Secten Esaiä und Zechiel Meths (1622); De signatura rerum oder Von der Geburt und der Bezeichnung aller Wesen (1622); Mysterium Magnum oder Erklärung über das erste Buch Mosis (1623); De electione gratiae oder Von der Gnaden-Wahl (1623); De testamentis Christi oder Von Christi Testamenten (1623); Tabulae principorium oder Tafeln von den Dreyen Pricipien Göttlicher Offenbarung (1624); Apologia contra Gregorium Richter oder Schutz-Rede wider Richter (1624); Libellus apologeticus oder Schriftliche Verantwortung an E. E. Rath zu Görlitz (1624); Clavis oder Schlüssel, das ist Eine Erklärung der vornehmsten Puncten und Wörter, welche in diesen Schriften gebraucht werden (1624) Quaestiones theosophicae oder Betrachtung Göttlicher Offenbarung (1624); Epistolae theosophicae oder Theosophische Send-Briefe (1618 –1624); Des Gottseligen Hocherleuchteten Teutschen Theosophen Jacob Böhme Sämmtliche Werke: genau nach der Amsterdamer Ausgabe von 1682 unter steter Vergleichung der beiden Editionen von 1715 und 1730, von Neuem aufgelegt. Stuttgart: Hallberger, 1835

Lit.: Böhmens, Jacob: De vita et scriptis Jacobi Böhmii oder ausführlich erläuterter historischer Bericht von dem Leben und Schriften des teutschen Wunder-Mannes und hocherleuchteten Theosophi Jacob Böhmens / Abraham von Frankenberg [Mitarb.]. [3. Gesamtausg.], o. O., 1730; Weiss, Victor: Die Gnosis Jakob Böhmes. Zürich: Origo Verlag, 1955; Böhme, Jakob: De Vita et Scriptis Jacobi Böhmii, oder Historischer Bericht von dem Leben und Schriften Jacob Böhmens. Stuttgart-Bad Cannstatt: Frommann-Holzboog, 1961.

Bohne (griech. / lat. Phaseolus vulgaris; engl. bean; it. fagiolo), Gartenbohne der Familie Schmetterlingsblüter (Fabaceae). Der griechische Gattungsname Phaseolus (Kahn) bezieht sich auf die kahnförmige Fruchthülse, daher auch Fisole genannt, während der Artname vulgaris die allgemeine Verbreitung zum Ausdruck bringt. 

Die B. ist eine Kletterpflanze, die sich bis zu einer Höhe von 7 m emporrankt, von Juni bis August blüht und im September zur Fruchtreife kommt. Sie stammt aus Südamerika, enthält giftige Eiweißverbindungen, sogenannte Toxalbumine, und als Hauptwirkstoff das ebenso giftige Phasin. Schon 3 –10 rohe Bohnen können nach 30 –90 Minuten die ersten Vergiftungserscheinungen auslösen: starkes Erbrechen, schwere Verdauungsstörungen und heftige Krämpfe, blutige Magen- und Darmentzündungen mit Durchfällen und Fieber. Die Vergiftung kann auch zum Kollaps führen. Besonders Kinder und Rohkostanhänger sind gefährdet. Durch Kochen wird das giftige Phasin zerstört. Ein Kontakt mit rohen B.n kann auch zu Hautentzündungen, der sog. Bohnenkrätze, führen.

B. haben aber auch eine Heilwirkung. So wirken Bohnenschalen harntreibend und werden bei Nieren- und Blasenerkrankungen eingesetzt; sie sind bspw. in Blasen- und Nierentees enthalten. Zudem ist die B. ein wichtiger Eiweißlieferant und lässt sich durchaus mit dem Eiweißgehalt von Fleisch vergleichen.

B.n wurden in Amerika schon zu Urzeiten angebaut und spielten eine bedeutende Rolle im antiken > Totenkult. Zur Zeit der fränkischen Christianisierung wurden B.n auch bei den Germanen zu einem häufigen Traueressen (z. B. während der Karwoche). Den > Pythagoreern war ihr Genuss verboten.

Hexen mögen offenbar keine Bohnen. Ihre Abneigung soll so groß sein, dass die rumänischen Zigeuner am Pfingstmorgen eine Handvoll B.n über ihre Zelte und Hütten warfen, da sich dann keine Hexe ihrem Lager nähern würde (Wlislocki).

Die Bohnenblüte ist der Göttin > Epona geweiht. Der römischen Göttin > Cardea wurde zum 1. Juni eine Opfergabe mit Bohnen dargebracht. 

Der B. sind die Planeten Venus und Merkur, das Element Luft und die Schwingung kalt und hoch zugeordnet.

Mit ihrer magischen Kraft soll sie Anziehung, Liebe und Fruchtbarkeit bewirken; gegen negative Energien wird sie in Beuteln oder Rasseln getragen, und als > Sexualamulett wirkt sie angeblich gegen psychisch bedingte Impotenz.

Lit.: Wlislocki, Heinrich von: Zur Ethnographie der Zigeuner in Südosteuropa: tsiganologische Aufsätze und Briefe aus dem Zeitraum 1880 –1905. Hrsg. von Joachim S. Hohmann. Frankfurt a. M. u. a.: Lang, 1994; Schmidt, Heribert E.: Virosen der Gartenbohne Inst. für Phytopathologie Aschersleben. Markkleeberg: Agrabuch, 1987; Magister Botanicus. Speyer: Die Sanduhr – Fachverlag für altes Wissen, 1995; Pschyrembel: Wörterbuch Naturheilkunde und alternative Heilverfahren. Berlin: de Gruyter, 1996.

Bohnenkönig, Königsspiel. In weiten Teilen Europas bestand im Mittelalter der Kern des Königsspiels darin, am Vorabend von > Dreikönig (Bohnenfest, Dreikönigsfest, „Freudenkönig“ genannt) im Bauch einer Speise (z. B. im > Königskuchen), eine Bohne zu verstecken. Der Finder wurde zum König des Festes, zum B., ernannt. Das ermächtigte ihn, zu einem späteren Zeitpunkt ein Fest auszurichten, sich einen Hofstaat zuzulegen und fiktive Ehren zu erhalten. Beim Griff zum Glas riefen die Gäste: „Der König trinkt!“und alle tranken mit. Dieses „Reich auf Zeit“ des närrischen B.s mit seinem unechten Hofstaat und den leiblichen Genüssen enthält bereits alle wesentlichen Elemente, die der > Karneval im 19. Jh. im gewandelter Form wieder aufnahm.

Lit.: Becker-Huberti, Manfred: Lexikon der Bräuche und Feste. Freiburg: Herder, 2000.

Bohnenorakel (engl. bean oracle; it. oracolo del fagiolo), Weissagung mit Bohnen. In der Alten Welt zählten Saubohnen (Vicia fabae) zu den ältesten Ackerfrüchten. Die eigentliche Gemüsebohne, welche die Konquistadoren im 17. Jh. nach Europa brachten, züchteten die Indianer in Mittel- und Südamerika. Sie errang große symbolische Bedeutung für einen Neuanfang und als Frucht voller magischer Sexualität. Bereits aus ihrem Wachstum und Aussehen wollte man auf Leben und Sterben schließen. Brachte z. B. eine Bohne weiße Blätter hervor, wurde dies als Ende des Gemüsebauern gedeutet. 

Die > Azteken warfen 20 rote Bohnen auf eine Decke. Formten sie einen Kreis, so deutete dies auf ein Grab hin. Fielen sie so, dass ihre Zahl durch eine gerade Linie genau halbiert werden konnte, besagte dies Genesung von einer Krankheit. Zeigten die Bohnen hingegen keinerlei sichtbare Struktur, war für den Ausgang einer Krankheit das Schlimmste zu befürchten.

Bei einem mittelalterlichen > Orakel warf man fünf Bohnen auf den Tisch. Bildeten sie ein Kreuz, wurde dies als Glück in der Liebe und anderen Gefühlen gedeutet.

Auch in Griechenland bediente man sich des B.s, wie aus zwei inschriftlich erfolgten Festsetzungen der Gebühren des Orakels von Delphi hervorgeht. So betrug der Preis des B.s für die Gemeinde einen Stater (Rosenberger, 51). Auch bei der Befragung der > Pythia kam das B. zur Anwendung. Als die Thessalier einen König suchten, schickten sie dem Apollon von Delphi Bohnen, auf denen die Namen der Kandidaten standen. Dabei mischte der Onkel des Aleuas eine Bohne mit dessen Namen ein, der von der Pythia sogleich ausgelost wurde. (Plutarch, 492).

Schließlich ist hier auch der bis in das 16. Jh. zurückzuverfolgende Brauch der Ermittlung des > Bohnenkönigs am Vorabend von Dreikönig zu nennen.

Lit.: Plutarch: Von der Heiterkeit der Seele = Moralia. Zürich: Diogenes, 2000; Rosenberger, Veit: Griechische Orakel: eine Kulturgeschichte. Darmstadt: Wiss. Buchges., 2001; Bauer, Wolfgang: Das Lexikon der Orakel. München: Atmosphären Verlag, 2004.

Bohrversuch (engl. down through; fr. de haut en bas; it. direttamente dall’alto in basso; Abk. BV), Versuchsanordnung zum Nachweis > reinen Hellsehens (RH). Von Rudolf > Tischner gemachte Verdeutschung des amerikanischen Down Through (DT). Bei dieser Versuchsanleitung hat die Vp die Karten, die ihr in einem Stapel von 25 gemischten > Zener-Karten vorliegen, von oben nach unten der Reihe nach geistig zu „durchbohren“, d. h. zu erkennen. Da keine Person die Karten nach dem Mischen in ihrer Reihenfolge gesehen hat, wäre nach Tischner bei überzufälligen Ergebnissen > Telepathie als physikalisches Phänomen ausgeschlossen. Bei einem so nahen Aufeinanderliegen der Karten sei es nämlich schwer vorstellbar, das unterscheidbare Wellen oder Strahlen von ihnen ausgehen oder zu ihnen finden, weshalb eine physikalische Erklärung eben nicht in Frage komme.

Eine besondere Variante des B.s bildet der Vorschau-B. (VBV) bei dem die Vp die Reihenfolge der Karten angegeben hat, die sie nach dem noch nicht erfolgten Mischen einnehmen sollen (> Präkognition). Um auch jeden paranormalen Einfluss beim Mischen auszuschließen, ging man an der Duke Universität nach anfänglichem maschinellen Mischen dazu über, die Karten nach einem Zahlenschlüssel zu mischen, den man aus den niedrigsten und höchsten Tagestemperaturen gewann. Damit hoffte man einen Faktor gefunden zu haben, der sich selbst der paranormalen menschlichen Kontrolle entzieht.

Lit.: Rhine, Joseph B.: Die Reichweite des menschlichen Geistes: Parapsychologische Experimente. Hrsg. von Rudolf Tischner. Stuttgart: Dt. Verl.-Anst., 1950; Tischner, Rudolf: Ergebnisse okkulter Forschung: eine Einführung in die Parapsychologie. Stuttgart: Dt. Verl.-Anst., 1950.

Boillet, Colletta > Colletta Boillet (Boylet) von Corbie.

Boirac, Emile (*26.08.1851 Guelma,  Algerien; † 20.09.1917 Dijon, Frankreich), französischer Philosoph, Parapsychologe und Promotor von Esperanto.

B. studierte am Institut de France und promovierte in Sprachwissenschaft; 1898 Rektor an der Akademie von Grenoble und 1902 der Akademie von Dijon. Von 7.–12. August 1905 leitete er als Direktor der Akademie von Esperanto in Boulogne-sur-Mer, Frankreich, den ersten Internationalen Kongress für Esperanto.

Auf dem Gebiet der Paranormologie befasste sich B. zunächst mit > Hypnose und dann ganz allgemein mit paranormalen Phänomenen, die er 1893 in fünf Gruppen, später aber in drei aufzuteilen versuchte: hypnische Phänomene, die mit den bekannten Kräften zu erklären sind; elektroide Phänomene, die mit noch nicht bekannten natürlichen Energien zu tun hätten; spiritoide Phänomene, die außernatürliche Kräfte zu erfordern scheinen.

Bei seinen Hypnoseexperimenten begegnete er „einem Fall von offensichtlicher > Sinnestransposition“. Ein zwanzigjähriger Mann konnte nämlich mit geschlossenen Augen und in Dunkelheit einen Brief bzw. eine Zeitung lesen. Zudem machte B. Experimente zum Hervorrufen von > Schlaf auf Entfernung hin. Bei diesen Studien der Emanation und der Exteriorisation von Sensitivität stieß er auf die Theorie des > Animalischen Magnetismus, die er wiederbelebte. Nach B. spielt bei all diesen Grenzphänomenen das Gehirn eine ebenso große Rolle wie der Tastsinn.

W.: La psychologie inconnue: introduction et contribution a l’étude expérimentale des sciences psychiques. Paris: F. Alcan, 1908; L’avenir des sciences psychiques. 2. éd. Paris: Alcan, 1917.

Bois, Jules

(* 29.09.1868 Marseille; † 2.06.1943 New York), französischer Schriftsteller und Journalist.

B. kam 1888 nach Paris, wo er sich als Journalist auch mit der damaligen okkulten Bewegung befasste und dabei > Papus (1858 –1916), den Gründer der esoterischen Zeitschrift L’Initiation, und den Okkultisten Stanislas de > Guaita kennenlernte. Als er auch Kontakt zu Joris-Karl > Huysmans aufnahm und sich schließlich der Gegenseite von de Guaita anschloss, kam es zum „okkulten Krieg“, zu Beleidigungen und Verdächtigungen einzelner Personen, was am 10. April 1893 zum Duell zwischen B. als Repräsentanten der „Antisatanisten“ und de Guaita sowie am folgenden 13. April zum Duell zwischen B. und Papus führte, jedoch ohne tödliche Folgen.

1895 veröffentliche B. seine Schrift gegen Satanismus und Magie mit dem Titel Le Satanisme et la Magie.

W.: Le Satanisme et la magie, avec une étude de J.-K. Huysmans. Paris: L. Chailley, 1895.

Boissonet, Laurent, Fall von angeblicher Besessenheit in der zweiten Hälfte des 16. Jhs. B. lebte mit seinen Eltern im Dorf Andignicourt in der Nähe von Soissons im Départment Aisne, Frankreich. 1575 begann er, damals im Alter von sieben Jahren, ein merkwürdiges Verhalten zu zeigen. Er wurde zunehmend unfolgsam, trotzig und lügenhaft. Im März 1580 erlitt er einen Angstanfall, lief unter lautem Geschrei in das Haus und behauptete, dass er draußen im Apfelbaum einen weißen gehörnten Mann gesehen habe. Weitere sonderbare Begebenheiten folgten, sodass man an Besessenheit dachte. Der in diesem speziellen Fall völlig überforderte Ortspfarrer brachte Laurent am 15. Januar 1582 zu dem Exorzisten Dr. theol. Jean Canart nach Soissons, wo man sich am folgenden Tag zunächst ausführlich mit der Vorgeschichte des Knaben und seiner Eltern befasste. Als dann der Teufel im Beisein des Bischofs nach seinem Namen gefragt wurde, antwortete dieser mit „Bon-noir“. Die exorzistischen Auseinandersetzungen, die durch einen Notar mitprotokolliert wurden, dauerten Stunden, wobei B immer aggressiver wurde. Zum Wochenende nahm der Bischof in der Kathedrale in Anwesenheit von drei- bis viertausend Personen selbst den Exorzismus vor. Der Teufel soll den Jungen schließlich in Form einer kleinen Rauchwolke verlassen haben. Am 16. Juli 1582 kündigten jedoch neue Angstvisionen einen Rückfall an. Am 29. Juli 1582 kam es dann zu einem erfolgreichen Schlussexorzismus.

Lit.: Delacour, Jean-Baptist: Apage Satana! Das Brevier der Teufelsaustreibung. Genf: Ariston, 1975.

Boiuna, schreckenerregende Göttin, die von vielen Amazonasstämmen beschrieben wird. Sie zeigt sich als > Schlange, frisst angeblich jede lebende Kreatur und macht mit dem Blick aus ihren funkelnden Augen Frauen schwanger.

Lit.: Jones, David M.: Die Mythologie der Neuen Welt. Reichelsheim: Edition XXV, 2002.

Bojjhanga (Pali; sanskr. bodhyanga). Die sieben (oder 37) Erleuchtungsglieder, die Mittel zur Erlangung der Erleuchtung (bodhi): > Achtsamkeit (satisambojjhanga), Ergründung der Lehre (dhammavicaya), Willenskraft (viriya), > Verzückung (piti), Gestilltheit der Leidenschaften (passaddhi), Sammlung (samadhi) und Gleichmut (upekkha).

Lit.: Das Lexikon des Buddhismus: Grundbegriffe, Traditionen, Praxis; Band 1: A – M /  Klaus-Josef Notz [Hrsg.]. Freiburg i. Br. u. a.: Herder, 1998.

Bökel, Johann (*1.11.1535 Antwerpen; † 21.03.1605 Hamburg), Prof. der Medizin, Kritiker der > Hexenverfolgung.

B. (Bokelius, Böckel, Bokel) war Sohn niederländischer Glaubensflüchtlinge, die sich in Hamburg niedergelassen hatten. Nach dem Besuch der Artistenfakultät in Wittenberg studierte er zunächst bei Philipp Melanchthon Theologie und wandte sich dann dem Studium der Medizin zu, das er in Italien und Frankreich fortsetzte, wo er 1562 oder 1563 an der Universität Bourges das Doktorat in Medizin erwarb. Nach Jahren ärztlicher Tätigkeit, vor allem als Leibarzt, wurde er zum Medizinprofessor an die neugegründete Landesuniversität Helmstedt berufen. Als es nach dem Regierungswechsel in Braunschweig-Wolfenbüttel 1589 zwischen B. und dem jungen Herzog Heinrich Julius, nicht zuletzt wegen der Hexenfrage, zu Spannungen kam, verließ B. 1591 das Herzogtum und kehrte nach Hamburg zurück.

Während seiner Helmstedter Tätigkeit verfasste B. neben verschiedenen medizinischen Schriften zwei lateinische Stellungnahmen zur zeitgenössischen Hexenverfolgungspraxis: die 1589 gedruckte Oratio funebris, eine Leichenrede auf Herzog Julius, die kritische Äußerungen zur Hexenverfolgung enthält, und den 1599 in Hamburg erschienenen Tractatus de philtris, eine Schrift über den > Liebeszauber. Sein Nachlass enthält zudem Aufzeichnungen zu verschiedenen magischen Handlungen. Für die Zensur seiner Schriften war vor allem die orthodox-lutherische Helmstedter Theologenfakultät verantwortlich, die seine vorwiegend physiologische Deutung magischer Phänomene ohne Einbezug der Einwirkung des Teufels kritisierte. Zudem trat Heinrich Julius zu Beginn seiner Regierungszeit als eifriger Hexenverfolger auf. Der Zensurfall B. ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil er sich in einem protestantischen Territorium ereignete.

Der Tractatus de philtris ist die älteste gedruckte Abhandlung über die Wirkung von Philtren (Liebestränken) – eine Bezeichnung, die von der griechischen Antike bis in das 18. Jh. die verschiedenen materiellen und immateriellen Mittel umfasste, welche nach verbreiteter Auffassung dazu geeignet waren, leidenschaftliche Liebe zu entfachen, und daher mit Magie, Schadenzauber und Dämonenwerk assoziiert wurden.

In der Oratio funebris betont B. die Harmlosigkeit der > Hexen und macht deutlich, dass er von der Verfolgungskritik des Johann > Weyer beeinflusst ist.

W. (Auswahl): Tractatus de Philtris, utrum animi hominum his commoueantur, nec ne Hamburg 1599; Oratio funebris de Illustrissimo ac Generosissimo Principe ac Domino, Domino Iulio Duce Brvnovicensi et Lunaeburgensi & c. (Sanctae, & foelicis memoriae) quibus studiis vitam domesticam transegerit. Helmstedt, 1589, Bl. B4v-Cv. 

Lit.: Kauertz, Claudia: Wissenschaft und Hexenglaube: die Diskussion des Zauber- und Hexenwesens an der Universität Helmstedt (1576 –1626). Bielefeld: Verl. für Regionalgeschichte, 2001.

Bokor, > Magier im > Wodu (engl. voodoo, fr. vaudou), einer afroamerikanischen Religion westafrikanischen Ursprungs. Er ist nicht unbedingt initiiert und unterscheidet sich daher vom > Houngan, dem Priester.

Lit.: Reuter, Astrid: Voodoo und andere afroamerikanische Religionen. München: Beck, 2003.

Boldogasszony, auch Kisboldogasszony oder Nagyboldogasszony, jungfräuliche
Gottheit bei den alten Ungarn, „die reiche und große Herrin“, deren Milch heilig ist. Sie ist die Beschützerin der Mütter und Kinder. Mit der Christianisierung ging sie in die Gestalt der Jungfrau Maria über und wurde zur göttlichen Fürstin (
Nagyasszony), zur „Königin“ und Landesmutter der Ungarn.

Lit.: Ipolyi, Arnold: Magyar mythologa (Mythologie der Ungarn.). Pest: Heckenast, 1854.

Boleyn, Anna (1501/1507 – 1536), zweite Gemahlin Heinrichs VIII. von England und Mutter der späteren Königin Elisabeth I.

Die Hochzeit mit Heinrich VIII. fand heimlich statt (1533), weil die Verhandlungen über die Annullierung der ersten Ehe mit Katharina von Aragonien noch im Gange waren. Nach drei Monaten verlor auch sie die Gunst des Königs und so versuchte er, sie loszuwerden. Dabei wurde die Tatsache, dass B. an der linken Hand einen rudimentären sechsten Finger besaß, von den Anhängern des Königs als Zeichen ihrer Verwicklung in > Zauberei gedeutet. Bald verbreitete sich das Gerücht, B. habe den König durch Behexung umgarnt. Als sie ihm dann nur eine Tochter gebar und während der zweiten Schwangerschaft den männlichen Nachkommen verlor, ließ sie Heinrich VIII. aufgrund der erfundenen Anschuldigungen im Tower einkerkern und am 19. Mai 1536 enthaupten. Wenig später soll ihr Geist sowohl in der Nähe der Tower-Kapelle als auch auf dem Tower Hill herumspaziert sein. Bis heute sollen die Wächter des Tower ihre leicht dahingleitende „merkwürdig erleuchtete“ Gestalt beobachten können.

Lit.: Hackett, Francis: Anna Boleyn (Queen Anne Boleyn). Glanz u. Elend einer Königin. Stuttgart: Scherz & Goverts, 1952; Blutgericht für Anna Boleyn (1536). Lexikon der Justizirrtümer: Berlin, 2004.

Bölimann, Quälgeist, der es auf kleine Kinder abgesehen hat. Er gehört zur Familie der > Kobolde und versteckt sich gerne im Korn, wo er den Kindern auflauert. Schlafen diese, versetzt er sie mit seinem Rumoren und Poltern in Unruhe. In der Schweiz, wo B. zu Hause ist, heißt bolen „poltern und werfen“, ein Wort das auch im Althochdeutschen als bolen vorkommt und „werfen“ bedeutet (Grimm 2, 230).

B. ist aber nicht nur ein Kinderschreck, sondern auch ein Schreck für die Einbrecher, die sich angeblich beim Anblick eines eigens für sie auf dem Dach angebrachten Stroh-Bölimanns unverrichteter Dinge aus dem Staub machen.

Lit.: Lütolf, Alois: Sagen, Bräuche und Legenden aus den fünf Orten Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug. Luzern: Franz Josef Schiffmann, 1862; Grimm, Jacob: Deutsches Woerterbuch: Nachdruck der Erstausgabe. Band 1. Muenchen [u. a.]: dtv, 1984.

Bolla (alban., „Untier“; in Südalbanien Bullar genannt) ist im albanischen Volksglauben ein dämonisches Schlangenwesen mit ständig geschlossenen Augen, da es sonst immerfort Menschen verschlingen würde. Nur am Tag des hl. Georg öffnet B. seine Augen. Erblickt es dabei einen Menschen, frisst es ihn auf. Nach zwölf Jahren wird B. zur furchterregenden > Kulshedra.

Lit.: Bellinger, Gerhard J.: Knaurs Lexikon der Mythologie. München: Droemersche Verlagsanst. Th. Knaur Nachf. GmbH & Co.KG, 2005.

Bollandisten (fr. Société de Bollandistes), Arbeitsgruppe, welche die Lebensdaten der Heiligen der römisch-katholischen Kirche zusammenstellt und in dem Werk > Acta Sanctorum veröffentlicht. Die Bezeichnung geht auf den Jesuiten Johann Bolland (1596 –1665) zurück, der 1630 nach Antwerpen berufen wurde, um die von dem Jesuiten Heribert von Rosweyd aus Utrecht (1569 – 629) begonnene erste Zusammenstellung der Heiligenleben für die Kalendertage des ganzen Jahres fortzusetzen. 1643 konnte er die ersten beiden Bände der inzwischen zum Monumentalwerk angewachsenen Acta Sanctorum vorlegen.

Lit.: Analecta Bollandiana: revue critique d’hagio-
graphie
. Bruxelles: Société des Bollandistes 1882 – (Wissenschaftliche Zeitschrift der Gesellschaft).

Bolomantie (griech. bolis, Geschoss; manteia, Wahrsagung; franz. bolomantie; it. bolomanzia), Pfeilwahrsagung. Eine in der Antike gepflegte Form der Wahrsagung durch Vermischen und Schüttelen von Pfeilen, auf welche die Namen der jeweiligen Zielscheiben geschrieben wurden. Von einer solchen > Mantik berichtet Ezechiel unter Bezug auf König Nebukadnezzar: „Denn der König von Babel steht an der Wegscheide, am Anfang der zwei Wege, und lässt das Orakel entscheiden: Er schüttelt die Pfeile, befragt die Götterbilder und hält Leberschau.“ (Ez 21, 26)

Lit.: Noël, François-Joseph-Michel: Abrégé de la mythologie universelle ou Dictionnaire de la fable. Paris: Le Normant, 1815; Bonavilla, Aquilino: Dizionario etimologico di tutti i vocaboli usati nelle scienze, arti e mestieri che traggono origine dal greco. 4 Bde. Milano, 1819 –1821.

Bolon Ti Ku, die neun Maya-Götter der Unterwelt. In Inschriften werden sie zwar durch verschiedene Hieroglyphen bezeichnet, ihre Namen aber sind uns unbekannt. Die B. sind die Erzrivalen der 13 Himmelsherren (> Oxlahun Ti Ku), von denen sie besiegt werden. Ihre aztekischen Brüder heißen Yohualteuctin.

Lit.: Seler, Eduard: Geschichtliches, Bilderschriften, Kalendarisches und Mythologie, Ethnographisches und Archäologisches aus Mexico, Archäologisches und anderes aus den Maya-Ländern. Graz: ADEVA, 1960; Contes et mythologie des indiens lacandons: contribution à l‘étude de la tradition orale maya. Paris: L’Harmattan, 1986.

Bolon Zacab, auch Ah Bolom Tzacab oder Ah Bolon Dz’Acab („Der aus der neunten Generation“) genannt, war in der Mythologie der > Maya der Gott der Abstammung, von den Archäologen auch als „Gott K“ bezeichnet. In den Codices wird er mit einem Reptiliengesicht, einer hervorstehenden Oberlippe und einem blattförmigen Nasenornament dargestellt, weshalb er von den Archäologen den Namen „Gott mit der Blattnase“ erhielt. B. wird meist mit einer Axt oder einer rauchenden Zigarre auf der Stirn und einem Spiegel in der Hand abgebildet. Vereinzelt sind seine Füße Schlangen.

In der Mayastadt Palenque am Usumacintafluss in Chiapas, Mexiko, ist im Tempel des Blätterkreuzes, der als Denkmal für das Herrschergeschlecht errichtet wurde, sein mythisches Geburtsdatum eingraviert.

In den Mayatexten der klassischen Periode wird B. auch Kawil genannt.

Lit.: Contes et mythologie des indiens lacandons: contribution à l‘étude de la tradition orale maya. Paris: L‘Harmattan, 1986; Seler, Eduard: Geschichtliches, Bilderschriften, Kalendarisches und Mythologie, Ethnographisches und Archäologisches aus Mexico, Archäologisches und anderes aus den Maya-Ländern. Graz: ADEVA, 1960.

Bolsena, Messe von B., > Blutwunder. Im Jahre 1263 wanderte der böhmisch-deutsche Priester Petrus von Prag betrübten Herzens nach Rom, um dort von seinen Glaubenszweifeln befreit zu werden. Auf der Via Cassia, die von Genua bis Rom reichte und während des Mittelalters ein Teil des Pilgerweges der Via Francigena war, besuchte er in Bolsena, unweit von Orvieto, die nach der Märtyrerin Christina benannte Kirche. Christina wurde als Tochter heidnischer Eltern in Bolsena geboren und als junges Mädchen von einer Dienerin zum Christentum bekehrt. Ihr Vater ließ sie daraufhin mit goldenen und silbernen Götzenbildern in einen Turm im See von Bolsena sperren. Als sie aber standhaft beim Christentum blieb, ließ er sie foltern und schließlich um 287 / 307 töten.

Als Petrus am 18.06.1263 am Sarg Christinas in der nach ihr benannten Kirche die Messe feierte, kamen ihm wiederum Zweifel an der Wandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi. Oft schon hatte er Gott gebeten, ihm diese Zweifel zu nehmen. Nun sollte er erhört werden. Bei der Wandlung fing das heilige Blut im Kelch plötzlich zu wallen an, über den Rand des Kelches träufelten Tropfen auf das Korporale und es zeigten sich dort blutrote Flecken. Petrus suchte das Vorgefallene aus Schrecken zu verbergen und legte das Korporale zusammen, doch drangen Blutstropfen durch die Falten und vier davon fielen auf den Marmorboden mit allen Zeichen frischen Blutes. Nun konnte er es nicht mehr verbergen. Als er hörte, dass Papst Urban IV. im nahen Orvieto weilte, suchte er diesen auf, erzählte ihm alles und erhielt die Lossprechung. Der Papst ließ sich das blutbefleckte Korporale bringen und als er vom Wunder überzeugt war, setzte er es unter großen Feierlichkeiten in der Kathedrale von Orvieto bei. Ein Jahr später erhob Urban IV. als Augenzeuge des Blutwunders das 1246 aufgrund einer Vision der Augustinernonne > Juliane von Lüttich († 5.04.1258) in Belgien entstandene > Fronleichnamsfest zum allgemeinen Kirchenfest und veranlasste 1264 den Bau des prachtvollen Domes von Orvieto, wo das Korporale in der danach benannten Cappella del Corporale gezeigt wird. In Bolsena findet in den Straßen des Städtchens heute noch jeweils am 18. Juni, dem Tag des Wunders, ein großartiges Blumenfest zum Thema der Eucharistie statt.

Lit.: Penazzi, Splendiano Andrea: Istoria dell‘ostia sacratissima, che stillo Sangue in Bolsena sopra il S. S. Corporale. Montefiascone, 1731; Zucconi, G.: Il miracolo eucaristico di Bolsena. 2. ed. Grotte di Castro: Ceccarelli, 1972; Carletti, Carlo: La catacomba di S. Cristina a Bolsena; Vincenzo Fiocchi Nicolai. Città del Vaticano: Pont. Comm. di Archeologia Sacra, 1989; Browe, Peter: Die Eucharistie im Mittelalter. Mit einer Einf. hrsg. von Hubertus Lutterbach …. Münster [u. a.]: Lit, 2003.

Bölthorn (altnord., „Dorn des Verderbens“, „Schadensdorn“, „Unglücksdorn“), ein Riese in der nordischen Mythologie. Nach dem Lied Havamál aus der > Lieder-Edda hatte B. eine Tochter namens > Bestla und einen Sohn dessen Namen nicht genannt wird, von dem Odin neun Runenzauberlieder lernte. Bestla wurde die Frau von > Bör und Mutter der Asengötter > Odin, > Vili und > Vé. B. gehört damit zu den Riesen, die bereits vor der Schöpfung der Welt lebten. Seine Rolle in der nordischen Mythologie ist jedoch unklar.

Lit.: Rudolf Simek: Lexikon der germanischen Mythologie. Stuttgart: Kröner, 2006.

Bolton, Frances Payne (29.03.1885 Cleveland, Ohio; † 9.03.1977 Lyndhurst, Ohio, USA), Mitglied des US-Kongresses und Mitbegründerin der Parapsychology Foundation.

B. stammte aus einer wohlhabenden Familie und konnte so in Privatschulen in Cleveland, Frankreich und New York ausgebildet werden. 1907 heiratete sie Charles Bolton. Nach dem Tod ihres Mannes 1940 wurde sie dessen Nachfolgerin im U.S.-Repräsentantenhaus, eine Stelle, die sie bis 1969 einnahm.

Ihre Begegnung und Freundschaft mit dem Medium Eileen > Garrett brachte sie in Verbindung mit der parapsychologischen Forschung. Sie unterstützte Joseph B. > Rhines Forschungen an der Duke Universität, gründete gemeinsam mit Garrett die > Parapsychology Foundation und wurde deren Vizepräsidentin. Ihre finanzielle Unterstützung ermöglichte 1953 die Abhaltung des „Ersten Internationalen Kongresses für Parapsychologische Forschung“ in Utrecht. B. ist neben ihrer politischen Förderung des Pflegeberufes als große Förderin der Parapsychologie in die Geschichte eingegangen.

Lit.: Frances P. Bolton Dies. In: Parapsychology Review 8 (1977) 2, S. 1; Loth, David Goldsmith: A Long Way Forward. The Biography of Congresswoman Frances P. Bolton. New York: Longmans, Green, 1957.

Boltzianismus, urchristliche Heilweise. Der schwedische Pastor Friedrich August Boltzius (1836 – 1910) belebte die urchristliche Heilweise des Tragens von Kleidungstücken des „Heilspenders“ durch den Patienten (Mt 14,  36; Lk 8,  44, Apg. 19,  12) wieder neu, weshalb diese Form der Heilbehandlung nach ihm als B. bezeichnet wird.

Lit.: Schrödter, Willy: Präsenzwirkung: vom Wesen der Heilung durch Kontakt. Ulm / Donau: Arkana-Verlag, 1959.

Bombast von Hohenheim, Wilhelm > Paracelsus.

Bon (tibet., „Beschwörung“) oder Bön. Nicht-buddhistische Religion Tibets. B. ist eine einheimische Religion Tibets, die im Westen von > Tibet durch Vermischung volksreligiöser, hinduistischer, buddhistischer und iranischer Elemente vor der ersten Ausbreitung des > Buddhismus (7. Jh.) entstand. Sie ist somit nicht die ursprüngliche Religion des Landes. Zudem war sie unorganisiert, hat sich dann aber zur Zeit der zweiten Ausbreitung des Buddhismus (11. Jh.) gesammelt. Zur Zeit des tibetischen Großreiches (7. – 9. Jh.) wurde B. zur politischen Konkurrentin des Buddhismus und entwickelte sich in dieser Auseinandersetzung zu einer Hochreligion. In der Tat konnte der Buddhismus die Tier- und Menschenopfer nicht dulden. Vor allem ließen die Auffassung von einem Gottkönig, der die Ordnung des Universums aufrechterhält, der Glaube an die Unsterblichkeit, an ein glückliches Leben nach dem Tod, das dem Bild eines aufgewerteten irdischen Lebens entspricht, keinen Platz für die Grundprinzipien des Buddhismus.

Das moderne B. weist hingegen bereits viele Gemeinsamkeiten mit dem Buddhismus auf, erhebt jedoch den Anspruch auf zeitliche Priorität. Doch trotz des Anspruchs auf ununterbrochene Kontinuität ist der Zusammenhang zwischen dem alten und dem modernen B. äußerst gering. Freilich liegt die Geschichte des frühen B. im Dunkeln, da nur zwei späte Quellenkomplexe vorliegen: die Fragmente der Tun-huang-Manuskripte (9. Jh. n. Chr.), bereits synkretistisch, und die späteren buddhistischen und Bonpo-Werke (12. Jh. und später).

Seit dem 18. Jh. unterscheiden die tibetischen Historiker drei Phasen des B.:

1.  brdol bon (offenbartes B.), das keine Literatur hervorgebracht hat und vor allem um die Bannung schädlicher Mächte kreist. Die Tun-huang Manuskipte übersetzen Bonpo deshalb häufig einfach mit „Zauberer“. Eine zentrale Rolle spielt das Königtum. Die Könige sind als Repräsentanten der Götter unsterblich und hinterlassen nach dem Tod keinen Leichnam. Erst als die Verbindung zu Gott gelockert wurde, kamen die Königsgräber auf.

2.  ’khyar bon (abweichendes B.), das den Menschen in das kosmische Geschehen einbindet und mit dem organisatorischen Ausbau des B. beginnt. 3. bsgyur bon (transformiertes B.), das sich in Ritus und Lehre an den Buddhismus anpasst und einen eigenen Schriftenkanon (Kangyur und Tengyur) entwickelt, um der Ausbreitung des Buddhismus seit Trisong Detsen (755 – 797) zu begegnen.

In der Frühzeit war B. sehr stark mit magisch-animistischen Elementen durchsetzt und konnte in mancher Hinsicht mit den schamanistischen Traditionen Zentralasiens verglichen werden (Luftritte, magische Trommel, Zurückrufen der Seelen Sterbender und Toter). So bezeichnet das Wort Bonpo einerseits jeden Anhänger des B., insbesondere aber dessen Priester, Zauberer und Exorzisten mit unterschiedlichen Funktionen, wie Ausübung der Wahrsagerei oder Durchführung von Grabriten zum Schutz der Lebenden und Toten. Die Toten werden von den Bonpos beim Namen gerufen und auf dem Weg durch den Zwischenzustand (> Bardo) geleitet. B. hat eine eigene Literatur über die Begegnung mit schreckenerregenden Gottheiten im Bardo.

In der > Kosmogonie stehen drei Mythen einander gegenüber: 1. Schöpfung aus dem ursprünglichen Weltenei; 2. Schöpfung aus der Zerstückelung eines personalen Urwesens; 3. Schöpfung als Werk eines deus otiosus (untätigen Gottes), der die Welt der Zweiheit, schwarze und weiße Lichtstrahlen, sukzessive hervorbringt. Die ersten beiden Mythen zeigen indische, der dritte hingegen zurvanische und eventuell manichäische Einflüsse.

In die Bonpo-Gemeinschaft gelangt man durch Riten, die körperliche und geistige Reinheit (Gelübde) erzeugen. So gibt es Asketen, die einen reinen Lebenswandel führen.

Mit Beginn des 11. Jhs. tritt die Bon-Schule auf, die sich hauptsächlich durch den Anspruch, die Kontinuität des alten B. zu bewahren, von den buddhistischen Schulen unterscheidet und heute noch tätig ist.

Lit.: Hoffmann, Helmut: Quellen zur Geschichte der tibetischen Bon-Religion: mit 5 Abb. im Text, 6 Taf. in Schwarzdr. u. 5 Taf. in Vierfarbendr. sowie 1 Kt. Mainz: Akad. d. Wissenschaften u. d. Literatur, 1950; Lokesh, Chandra et. al.: Catalogue of the Bon-Po Kanjur and Tanju. In: Indo-Asian Studies 2. New Dehli, 1965; Tucci, Giuseppe: Die Religionen Tibets und der Mongolei / Walther Heissig. Stuttgart u. a.: Kohlhammer, 1970; Kvaerne, Per: The canon of the Tibetan Bonpos. In: Indo-Iranian Journal vol 16 (1974), 18 – 56, 96 –144; Nicolazzi, Michael Albrecht: Mönche, Geister und Schamanen: die Bön-Religion Tibets. Solothurn u. a.: Walter, 1995.

Bon, Henri (*1.08.1885 Dijon, Frankreich; † ?), französischer Arzt und Parapsychologe. B. studierte an der Universität Lyon Medizin, promovierte 1912 und gründete 1919 die Clinique médicale von Arguel (Doubs).

Auf dem Gebiet der Paranormologie verfasste er Bücher zu den Themen Tod, Heilung und Wunder.

W.: La mort et ses problèmes. Paris: Presses Universitaires de France, 1941; Les guérisons miraculeuses modernes. Paris: Presses Universitaires de France, 1950; Le Miracle devant la science. Paris: Le Centurion, 1957.

Bona Dea (lat., „gute Göttin“), römische Göttin der weiblichen Fruchtbarkeit. Ihr nächtliches Fest Anfang Dezember wurde als > Geheimkult für Frauen unter Beteiligung der > Vestalinnen bei der Frau eines Beamten begangen, der selbst außer Haus sein musste. Männer waren aus dem Kult und dem Tempel der B. ausgeschlossen. Der Raum war mit Weinlaub geschmückt, geopfert wurde eine Sau. Auch Wein, Musik und Tanz dürften eine Rolle gespielt haben. 

Nach einer Version war B. die Frau des > Faunus, die so keusch war, dass sie ihr Gemach nie verließ. Als sie sich heimlich berauschte, schlug sie der Gatte mit Myrtenruten zu Tode, bereute dies dann aber und erhob sie zur Göttin. Nach einer anderen Version war sie die Tochter des Faunus, der ihr nachstellte. Um sie willfährig zu machen, gab er ihr Wein zu trinken. Sie widerstand ihm, weshalb er sie mit Myrtenruten erschlug. Erst als er sich in eine > Schlange verwandelte, konnte er ihr beiwohnen.

Julius Cäsar soll seine Frau Pompeia verstoßen haben, weil ein antiker Mafioso namens Publius Clodius Pulcher sich ihr beim Fest der B. in Frauenkleidern genähert hätte.

Im Tempel der B. auf dem > Aventin wurden Schlangen gehalten und Heilmittel hergestellt. Ihr Kult war noch in der Kaiserzeit verbreitet.

Lit.: Motty, Marcellus: De fauno et fauna sive bona dea eiusque mysteriis: Dissertatio mythologica. Berolini: Friedländer, 1840; Gerhard, Eduard: Über Agathodämon und Bona Dea: Auszug. Berlin: Königliche Akademie der Wissenschaften, 1847; Biedermann, Hans: Die großen Mütter: die schöpferische Rolle der Frau in der Menschheitsgeschichte. Graz: Böhlau, 1987; Hendrik H.: Bona Dea: The Sources and a Description of the Cult. With a frontispiece, 5 fig., 52 pl. and 5 maps [Aus d. Niederländ. übers.]. Leiden u. a.: Brill, 1989.

Bona von Pisa (lat., „die Gute“; * um 1156 in Pisa; † 29.05.1207 / 08?), heilig (Fest: 29. Mai), Augustinerterziarin und Mystikerin.

Mit sieben Jahren hatte B. die erste > Christusvision. Mit zehn Jahren sah sie in einer zweiten > Vision > Jesus und > Maria mit dem hl. > Jakobus, der für sie von besonderer Bedeutung wurde. B. weihte sich daraufhin als Augustinerterziarin dem Herrn und führte ein strenges Bußleben. Nach einer weiteren Christusvision 1170 ging sie nach Jerusalem, nachdem ihr der Herr kundgetan hatte, dass dort ihr Vater Bernhard lebte, der, als sie drei Jahre alt war, ihre Mutter Berta, verlassen hatte und nie mehr zurückkehrte. Von Jesus, der ihr einen Ring an die Hand steckte, aufmerksam gemacht, floh sie beim Versuch des Vaters, sie nicht vom Schiff steigen zu lassen, zu einem Einsiedler namens Ubaldo, der ihr geistlicher Vater wurde. Beim Versuch, nach Pisa zurückzukehren, wurde sie von Sarazenen gefangen genommen und verwundet, aber wieder frei gelassen. Als sie zu ihrer Wohnung in San Martino in Pisa kam, hatte sie eine weitere Christusvision mit Jakobus, der sie zu einer Pilgerreise nach > Santiago de Compostela einlud. B. machte sich auf den Weg, um den Pilgern hilfreich zur Seite zu stehen. Die Reise dauerte ca. neun Monate. Diese Pilgerfahrt von Pisa nach Compostela und zurück unternahm sie gut neunmal, führte Pilger aber auch nach Rom und auf den Monte Gargano in Apulien. B. erlangte dabei aufgrund ihrer Mildtätigkeit, ihrer Gabe der Heilung und Weissagung hohes Ansehen. Mit 48 Jahren musste sie die Pilgerreisen aus Krankheitsgründen aufgeben. Sie starb am 29. Mai 1207, ihre Gebeine ruhen in der Kirche von San Martino in Pisa.

Nach ihrer Heiligsprechung wurde B. zur Schutzpatronin der Stadt Pisa sowie der Pilger. 1962 ernannte sie Johannes XXIII. zur Patronin der Flugbegleiter.

Lit.: Kodex C 181 im Kapitelarchiv des Domes von Pisa, der eine erste Biografie des Mönchs Paolo aus Pulsano enthält, der 1230 starb; Bartorelli, Furio: Santa Bona da Pisa. Bari: Ediz. Paoline, 1960; Del Corso, Mauro: Semi di speranza: Santa Bona da Pisa. Pisa: ETS, 2007.

Bonatti, Guido (oder Bonatus; Beiname: Siderabilissimus, ca.1230 – 1300), italienischer Minoritenmönch und Astrologe.

Aus Forli gebürtig, wurde er schon mit 20 Jahren Hofastrologe bei Kaiser Friedrich II. Als die Soldaten Martins IV. (1281– 1285) die Stadt Forli belagerten, sagte B. dem Grafen von Montferrat, der sie verteidigte, den Sieg voraus, aber auch, dass er verwundet werde. Die Voraussage bewahrheitete sich und der Graf wurde ein Anhänger der > Astrologie.

B. verfasste das viel beachtete Buch Tractatus astronomiae, das 1491 in Venedig und Augsburg in Druck ging, 1530 und 1536 in Basel und dort 1572 in deutscher Übersetzung herauskam unter dem Titel Auslegung der menschlichen Geburtsstunden. Das Buch enthält auch einen Abschnitt über die arabischen Punkte.

B. empfahl den geistlichen und weltlichen Würdenträgern das Studium der Astrologie und forderte, die Grundsteine der Kirchen nach astrologischen Gesichtspunkten zu legen. Der Sternkundige könne nicht an der Güte Gottes verzweifeln, weil er das Unglück der Welt als von den > Aspekten hervorgerufen zu deuten wüsste. So sei das Wort Christi „Hat der Tag nicht 12 Stunden?“ (Joh 11,  9) ein Hinweis auf die astrologische Stundenwahl und das Wunder der göttlichen Liebe des hl. Franz von Assisi durch einen günstigen Planetenstand zu deuten. Dante versetzte B. wegen solcher Sätze in das Inferno (XX. Gesang), > Albertus Magnus hingegen in das Paradies.

Am Ende seines Lebens wurde B. Minoritenmönch.

W.: Guido Bonatus de Forliuio, decem continens tractatus astronomie. Augsburg: Erhard Ratdolt, 26 Mar. 1491.

Bonaventura (Giovanni di Fidanza, * um 1217 oder 1221 in Bagnoreggio bei Viterbo / Italien; † 15.07.1274 Lyon), heilig (1482, Fest: 15. Juli), Minorit, Kardinalbischof, Kirchenlehrer (1588 von Papst Sixtus V. mit dem Beinamen doctor seraphicus zum Kirchenlehrer erklärt), Philosoph, Theologe und > Mystiker, gilt als der Höhepunkt des in der Tradition Anselms von Canterbury, der Viktoriner und Alexander von Hales stehenden älteren Augustinismus.

B. erhielt seinen Namen infolge einer Franz von Assisi zugeschriebenen Wunderheilung. Nach ersten Unterweisungen in seiner Vaterstadt ging er 1228 nach Paris und wurde dort 1242 Magister Artium. 1243 trat er in den Minoritenorden ein und erhielt seine theologische Ausbildung vor allem bei > Alexander von Hales. 1248 übernahm er als Baccalaureatus auf Geheiß des Generalministers Lehraufgaben in Paris und befasste sich neben exegetischen Themen von 1250 – 1253 mit den Sentenzen des Petrus Lombardus, woraus einer der bedeutendsten Sentenzenkommentare entstand. 1253/54 wurde er Magister der Theologie. Beim Mendikantenstreit wurde er von der Universität ausgeschlossen. Im Oktober 1257 erfolgte seine Wiederaufnahme und die Anerkennung als Magister gemeinsam mit Thomas von Aquin, mit dem er eng befreundet war. Noch vorher wurde er im Februar 1257 Generalminister des Ordens. Als solcher führte er diesen klug zwischen den Klippen des Laxismus und des Rigorismus. 1272 beauftragte ihn Papst Gregor X. mit der Vorbereitung des 2. Konzils von Lyon und 1273 ernannte er ihn zum Kardinalbischof von Albano. B. starb 1274 auf dem Konzil von Lyon. Der Papst und die Konzilstelnehmer bereiteten ihm ein feierliches Begräbnis.

B. hatte großen Einfluss auf die philosophische Theologie des Mittealters und erfuhr in der Belebung der Neuscholastik des 19. und 20. Jhs. eine solche Wiederbelebung, dass Leo XIII. ihn den „Fürst[en] unter den Mystikern“ nannte.

In seiner Metaphysik verficht B. jene Theorie, wonach bestimme Muster (Ideen) bei Gott Vorbilder für die erschaffenen Dinge sind und als solche die Voraussetzung dafür geben, dass sowohl Gott die Welt als auch der Mensch überhaupt etwas erkennen kann, da die Natur gleichsam ein Spiegel der Vollkommenheit Gottes ist.

In seinem Werk Itinerarium mentis in Deum (Pilgerbuch der Seele zu Gott), das er in der Einsamkeit der Albanerberge schrieb und das eine seiner schönsten mystischen Schriften und zugleich eines der schönsten Zeugnisse franziskanischen Geistes ist, gibt er eine Anleitung für den Aufstieg der > Seele bis zu ihrer mystischen Gottesvereinigung. Dieser Aufstieg erfolgt über sechs Stufen, und wie Gott nach den sechs Schöpfungstagen am siebten ruhte, soll dies auch der Mensch, die kleine Welt (mundus minor), nach dem Aufstieg über die sechs Erleuchtungsstufen: die Betrachtung der Welt als Spiegel Gottes, die Betrachtung ihres eigenen Urgrundes, die Erfahrung der Seele als Abbild des trinitarischen Gottes und das Studium der von > Christus bewirkten > Gnade. Auf der fünften Stufe steigt die Seele über sich hinaus und versucht Gott als das Sein selbst zu erfassen, was sie die sechste Stufe erreichen lässt, indem sie das Sein als das absolute Gutsein, als die vollkommene Liebe erfasst. Ausdruck dieser höchsten Mitteilsamkeit des Guten ist die Trinität selbst. Als einer der Ersten vertritt er die Ansicht, dass der Mensch nicht zu dem Zweck geschaffen sei, zu denken, sondern zu lieben.

B.s wichtigste Schriften sind: Beviloqium (Kurzes Gespräch); Collationes in hexaemeron (Ansprachen über das Sechstagewerk); De reductione artium ad theologiam (Die Zurückführung der Künste auf die Theologie); Itinerarium mentis in Deum (Pilgerbuch der Seele zu Gott); Soliloqium de quattuor mentalibus exercitiis (Alleingespräche über die vier geistlichen Übungen).

W.: Bonaventura, Sanctus: Doctoris Seraphici S. Bonaventurae S. R. E. Episcopi Cardinalis Opera omnia / iussu et auctoritate Rmi. P. Bernardini a Portu Romatino … Ed. studio et cura P. P. Collegii a S. Bonaventura ad plurimos codices mss. emendata anecdotis aucta prolegomenis scholiis notisque illustrata. Ad Claras Aquas (Quaracchi): Typographia Collegii S. Bonaventurae, 1882 – 1991.

Lit.: Gilson, Étienne: Die Philosophie des heiligen Bonaventura. Köln; Olten: Hagner, 21960; Ratzinger, Joseph: Die Geschichtstheologie des heiligen Bonaventura. Neuaufl. St. Ottilien: EOS-Verl, 1992.

Bonchor, Gott der Berber im Gebiet des heutigen Nordtunesien, der als Schöpfergott verehrt wurde. Er dürfte dem römischen > Jupiter entsprochen haben.

Lit.: Lurker, Manfred: Lexikon der Götter und Dämonen. 2., erw. Aufl. Stuttgart: Kröner, 1989.

Bond, Frederick Bligh (* 30.06.1864 Marlborough, Wiltshire, England; † 8.03.1945 Dolgellau, Wales), britischer Archäologe, Architekt und Parapsychologe.

1897 wurde B. Schüler des Royal Institute of British Architects und 1903 Mitglied der Somerset Archaeological and Natural History Society. 1907 war er bereits einer der erfolgreichsten und angesehensten Architekten Englands, weshalb man ihm die Ausgrabungen im Bereich der Abtei von Glastonbury, eines der ältesten und bedeutendsten Orte Englands, anvertraute, war er doch einer der führenden Experten Englands für gotische Architektur und die Restauration alter Kirchen. B. leitete die Ausgrabungen von 1908 bis 1921. Dabei setzte er zur Auffindung verborgener Kapellen auch die Durchgaben Sensitiver ein, die er vor allem von dem Medium John > Alleyne und Mrs. Hester > Dowden durch > Automatisches Schreiben erhielt. Diese Quellen hielt er jedoch geheim, bis er seine Methode 1918 in seinem Buch The Gate of Remembrance kundtat. Er behauptete, dass er durch die Methode der automatischen Schrift in der Lage sei, die Umrisse der verschollenen Edgar- und Loretto-Kapelle zu lokalisieren. Diese Mitteilungen zerstörten jedoch seinen wissenschaftlichen Ruf. Die Grabungen wurden eingestellt und B. im April 1922 als Grabungsleiter entlassen.

1924 schrieb er in der Zeitschrift Light, dass viele seiner früheren Ausgrabungen von großem historischen Wert seien und er deshalb in Ungnade fiel, weil er sich der parapsychologischen Forschung bediente. B. befasste sich daraufhin als Parapsychologe mit Automatischem Schreiben und mit Psycho-Fotografie (der mentalen Beeinflussung fotografischer Bilder). Von 1921–1926 gab er die Zeitschrift Psychic Science heraus und während seines Aufenthalts in den USA von August 1926 bis Januar 1936 das Journal of the American Society for Psychical Research (1930 –1936). Im Januar 1936 kehrte B. nach England zurück. Bei seinem Tod hinterließ er ein 1935 verfasstes, unveröffentlichtes Manuskript. Darin sind eine Reihe von „Mitteilungen“ angeführt, die er durch ein amerikanisches Schreibmedium erhielt und die angeblich von seinem Urgroßonkel, Kapitän William Bligh, stammten, gegen den auf der berühmten Bounty gemeutert wurde.

W.: The Gate of Remembrance: The Story of the Psychological Experiment which Resulted in the Discovery of the Edgar Chapel at Glastonbury. Oxford: Blackwell, 41918; The Hill of Vision: A Forecast of the Great War, and of Social Revolution with the Coming of the New Race. Boston, Mass.: Marshall Jones, 1919; The Company of Avalon. A Study of the Script [i. e. automatic writing, on the subject of Glastonbury Abbey] of Brother Symon. Oxford: Basil Blackwell, 1924.

Bond, Graham (* um 1940; † 7.03.1974 London) Jazz-Musiker. B. wurde als uneheliches Kind von einer Beamtenfamilie adoptiert, die ihn aufgrund seiner musikalischen Begabung zu einem Konzertpianisten ausbilden lassen wollte, doch er bevorzugte Jazz. Anfang der 60er Jahre war B. bereits ein hoffnungsvoller Saxophonist und trat 1962 der noch jungen Blues Incorporated von Alexis Korner bei, wechselte vom Saxophon zur Hammond-Orgel und gründete 1963 mit Jack Bruce und John McLaughlin die Graham Bond Organisation, deren Musik, dominiert vom dämonischen Spiel der Orgel, als Beginn des Jazzrock gilt.

B.s Interesse für Okkultismus und Schwarze Magie ging so weit, dass er von dem Satanisten Aleister > Crowley die Schreibweise Magick übernahm, sich schließlich für dessen Sohn hielt und Musik als die tiefste Form der Magie bezeichnete (Magick-LP 1971). Seither ist die Magie oder Magick im Rockreform-Feld weit verbreitet. Mit Mayall und Korner zählt B. zu den Vätern des britischen Blues.

1974 wurde B., von Drogen gezeichnet, in der Londoner Finsbury Park Underground Station von einer U-Bahn überfahren.

Lit.: Shapiro, Harry: Graham Bond: The Mighty Shadow. Enfield: Guinness Publishing, 1992.

Bone, Eleanor (*1910; † 21.09.2001), englische > Hexe, die sich für die Wiederbelebung der modernen Hexenbewegung einsetzte. Sie sei 1941 in Cumbria, im Norden Englands, von einem älteren Ehepaar, das sich als Erben der Hexerei zu erkennen gab, in dieser Kunst unterwiesen worden. Nach vierjähriger Arbeit mit ihnen kehrte sie nach London zurück, wo sie heiratete. Später wurde sie von dem Hexenmeister Gerald Brosseau > Gardner in einen seiner > Coven eingeführt und zu dessen Hohepriesterin ernannt. Aufgrund ihrer zahlreichen Verbindungen zu verschiedenen Mitgliedern der Hexenbewegung wurde B. zuweilen sogar als Mutter der britischen Hexerei bezeichnet. Anfang 1960 gründete sie im Süden Londons einen Hexenzirkel in der Hoffnung, dass > Wicca schließlich von der modernen Gesellschaft als Religion anerkannt werde. 1972 kehrte sie nach Cumbria zurück, ließ sich in Alston nieder und pflegte wieder die in Cumbria erlernte volkstümliche > Hexerei.

Lit.: Gardner, Gerald: High Magic‘s Aid. New York: Weiser, 1975; Drury, Nevill: Lexikon esoterischen Wissens. München: Droemer Knaur, 1988; Lamond, Frederic: 50 Jahre Wicca: ein kritischer persönlicher Rückblick. Hamburg: Heiden Verl, 2004.

Bonga, Gottheiten bei den indigenen indischen Stämmen der Munda, Hos und Santal. Der oberste Gott der Munda, Sing B. (Sonnengott), erschuf, nach Überlieferung der Hos, zusammen mit der Wassergottheit Nage B. die Menschheit neu. Bei den Santal heißt der oberste Bonga Maran Buru, „Großer Berg“.

Lit.: Lurker, Manfred: Lexikon der Götter und Dämonen. Stuttgart: Kröner, 1989; Parkin, Robert: The Munda of Central India: An Account of Their Social Organization. Delhi; New York: Oxford University Press, 1992.

Bonifatius, eigentl. Wynfrith (* 672 / 675 Wessex, England; † 5.06.754 Dokkum, NL, Provinz Friesland), heilig (Fest: 5. Juni), Be-
nediktiner, „Apostel Deutschlands“; wirkte zunächst als Missionar bei den Friesen und begab sich dann in das weitgehend heidnische Nordhessen. Dort fällte er 723 bei Geismar die dem germanischen Gott > Donar bzw. Thor geweihte Donar-Eiche. Da ihn daraufhin der von den Einheimischen erwartete Zorn Donars nicht traf, gewann er großes Ansehen. Er errichtete aus dem Holz eine Petrus-Kapelle und zerstörte weitere heidnische Kultstätten und Altäre, um den Anhängern dieser Gottheiten zu beweisen, dass diese über keinerlei Macht verfügten. Auf den Ruinen erbaute er mit dem Stein oder dem Holz christliche Kapellen und Klöster, von denen einige von den Heiden allerdings wieder zerstört wurden. Am bekanntesten von all seinen Klostergründungen ist das 744 errichtete Kloster Fulda. 747 wurde B. zum Erzbischof von Mainz geweiht.

Nach der Reorganisation der deutschen Kirche ging er im Alter noch einmal nach Friesland und fand dort den Märtyrertod. Er wurde im Dom von Fulda beigesetzt..

B. ist nicht zu verwechseln mit dem römischen Märtyrer Bonifatius († um 306 in Tarsus), der zu den > Eisheiligen gerechnet wird.

Einer Legende zufolge äußerte B. zu Lebzeiten den Wunsch, in Mainz beerdigt zu werden und so trieb sein Leichnam nach der Ermordung den Rhein aufwärts bis Mainz. Dort wurde er beigesetzt. Als am darauffolgenden Tag der Sarg wieder neben der Gruft stand, lud man ihn auf einen Wagen, den die vorgespannten Kühe führerlos durch den Rhein und bis nach Fulda zogen. Hier fingen die Glocken von selbst an zu läuten und der Sarg des Bonifatius senkte sich von selbst in die selbstgewählte Gruft, wo er sich heute noch befindet (Motiv von der „Wahl des richtigen Ortes“ durch eine Reliquie bzw. den Leichnam eines Heiligen).

Lit.: Schieffer, Theodor: Winfrid-Bonifatius und die christliche Grundlegung Europas. Darmstadt: Wiss. Buchges, 1980.

Bonifatius VIII., Papst

(24.12.1294 – 11.10.1303), vorher Benedetto Gaetani, geb. um 1235 aus einer Adelsfamilie in Anagni südlich von Rom, Studium der Rechte, 1281 Kardinaldiakon, 1291 Kardinalpresbyter und mit wichtigen Gesandtschaften in Frankreich und Sizilien betraut. Als Cölestin V. am 13.12.1294 abdankte, wählte das Kardinalskollegium in Neapel B. einstimmig zum Papst. Mit der Bulle Unam sanctam erneuerte B. den Weltherrschaftsanspruch des Papstes noch ein letztes Mal in vollem Umfang, erlitt aber im Kampf mit Philipp IV. dem Schönen von Frankreich eine schwere Niederlage. Der König berief für den 13.06.1303 eine Notabelnversammlung nach Paris ein, auf der die schwersten Beschuldigungen gegen den Papst vorgebracht wurden. Man bezichtigte ihn der Häresie und Zauberei. Der Papst erkannte die Versammlung nicht an, weil nur er eine solche einberufen könne. Die Vorwürfe gingen auch noch weiter, als B. am 11.10.1303 starb. Seine Feinde verbreiteten sogar die Nachricht, dass er in den letzten Augenblicken seines Lebens einen Pakt mit dem Teufel eingestanden habe, sein Tod von Blitz und Donner begleitet worden sei, feuerspeiende Drachen durch die Luft flogen und sich noch allerlei andere außergewöhnliche Ereignisse zutrugen, sodass die Bevölkerung von Rom glaubte, die ganze Stadt stürze in den Abgrund. Sein Nachfolger, Benedikt XI., versuchte B. zu verteidigen, starb aber 1304 im ersten Jahr seines Pontifikats. Es folgte der Erzbischof von Bordeaux als Clemens V. – eine Wahl, die dem Einfluss des Königs zugeschrieben wurde. Clemens sollte die Kampagne gegen B. unterstützen und den Prozess gegen ihn eröffnen, um die Erinnerung an ihn negativ einzufärben. Nach Abschwächung der Bulle Unam sanctam verzichtete Philipp IV. jedoch auf die Verurteilung von B., um dadurch die Aufhebung des > Templerordens zu erreichen.

Dante verewigte B. sogar in der Hölle (Inferno XIX, 76 –77).

Lit.: Scholz, Richard: Die Publizistik zur Zeit Philipps des Schönen und Bonifaz’ VIII.: ein Beitrag zur Geschichte der politischen Anschauungen des Mittelalters. Amsterdam: Rodopi, 1969; Schmidt, Tilmann: Der Bonifaz-Prozeß: Verfahren der Papstanklage in der Zeit Bonifaz’ VIII. und Clemens’ V. Köln [u. a.]: Böhlau, 1989; Dante [Alighieri]: Die göttliche Komödie: mit Illuminierungen aus dem Codex urbinate Latino 365. Aus dem Ital. übertr. von Wilhelm G. Hertz. Düsseldorf: Albatros, 2007.

Bonifatius (lat., „der Wohltäter“) von Tarsus (*3. Jh. Rom (?); † um 306 Tarsus), heilig (Fest: 14. Mai). Die historischen Unterlagen seines Lebens liegen im Dunkeln. Der Überlieferung nach wurde er, obschon Heide, von einer reichen römischen Frau in die Türkei geschickt, um nach Reliquien von Märtyrern zu suchen. In Tarsus erlebte er, wie Christen aufgrund ihrer Überzeugung zu Tode gefoltert wurden und dennoch im Glauben nicht wankten. Das beeindruckte ihn so sehr, dass er Christ wurde, den Glauben öffentlich bekannte und schließlich selbst als Märtyrer sein Leben hingab.

Der Legende nach brachten daraufhin seine Begleiter die Reliquien des B. zur Auftraggeberin zurück, welche die Gebeine an der Via Latina beisetzen ließ.

In Rom wurde B. zum Patron des im Mittelalter bedeutendsten Klosters St. Bonifatius und Alexius auf dem Aventin, und Bonifatius, der „Apostel der Deutschen“, der am Tag des Heiligen seinen Missionsbefehl erhielt, benannte sich nach ihm.

In Süddeutschland zählt B. zusammen mit > Pankratius und > Servatius zu den > Eisheiligen, „Eismännern“ oder „strengen Herren“, deren Tage wegen der Spätfröste gefürchtet sind.

Lit.: Schauerte, Heinrich: Die volkstümliche Heiligenverehrung. Münster (Westf.): Aschendorff, 1948; Lexikon der Heiligen und Heiligenverehrung. A–H. Freiburg: Herder, 2003.

Bonin, Werner F.

(*18.07.1941; † 15.08.1986), Ethnologe, Psychologe und Paranormologe. B. studierte Ethnologie und Psychologie in Tübingen und promovierte 1969 mit der Dissertation „Ifa und Eshu. Ein präliminarer Beitrag zur historischen und phänomenologischen Religionsforschung in Westafrika“. Nach Abschluss der Studien wirkte er als Lehrbeauftragter für philosophische Anthro­pologie an der Fachhochschule für Sozialwesen in Esslingen und später als Dozent im Bereich der Erwachsenenbildung zu Themen aus Psycho­logie, > Tiefenpsychologie, > Völkerkunde, > Religionsethnologie und > Para­psychologie im Stuttgarter Raum sowie als freier Publizist.

In seinen Veröffentlichungen als Psychologe und Ethnologe wandte sich B. insbesondere gegen die Tendenz, das letztlich nicht Erklär­bare auf noch nicht (Weg-)Erklärtes zu reduzieren. B. war ein überaus liebenswürdiger und hochtalentierter Publizist und Forscher, der allzu früh verstarb.

W.: Lexikon der Parapsychologie und ihrer Grenzgebiete. Bern, München: Scherz, 1976; Die Götter Schwarzafrikas. Mit e. Liste afrikan. Gottesnamen von John S. Mbiti u. e. Erzählung von Niitse Akufo Awuku. [Abb.: Gerhilde Figge-Alberti …]. Graz: Verl. für Sammler, 1979; Die großen Psychologen: von d. Seelenkunde zur Verhaltenswiss.; Forscher, Therapeuten u. Ärzte. Düsseldorf: Econ-Taschenbuch-Verlag, 1983; Das Buch der Träume: wie träumen wir? Was träumen wir? Was sagen uns unsere Träume? Was träumt in uns? Frankfurt a. M. [u. a.]: Ullstein, 1984; Naturvölker und ihre übersinnlichen Fähigkeiten: von Schamanen, Medizinmännern, Hexen u. Heilern. München: Goldmann, 1986.

Bonnet, Charles (*13.03.1720 Genf; † 20.05.1793), erster anerkannter experimenteller Insektenforscher. Als B. mit sieben Jahren sein Gehör verlor, nahmen ihn die Eltern aus der Schule und ermöglichten ihm die Ausbildung durch einen Privatlehrer. Bei der Lektüre zu Hause erwachte sein Interesse für die Naturwissenschaft. Das von René Réaumur 1734 veröffentlichte Buch Histoire des insectes veranlasste B., Insekten zu untersuchen. Bei seinen Beobachtungen stellte er fest, dass Käfer und Schmetterlinge durch Poren atmen, die er als stigmata bezeichnete. An Blattläusen entdeckte er die Fortpflanzung ohne Befruchtung (Parthenogenese), was er in einem eigenen Buch, Traité d’insectologie, 1745 beschrieb. B. wurde so zum anerkannten ersten experimentellen Insektenforscher. Wegen beginnender Erblindung befasste er sich fortan mehr mit theoretischen Fragen der Biologie und mit Philosophie. In seinem Buch Considérations sur les corps organisés (1762) vertritt er die Ansicht, dass jeder weibliche Organismus in seinen Keimzellen eine unendliche Reihe von vorgeformten Individuen trage, was zur Unsterblichkeit und Unveränderlichkeit der Arten führe. Die Fossilfunde ausgestorbener Arten erklärte B. in seiner Arbeit La Palingénésie philosophique (1769) damit, dass die Erde periodisch von großen, weltweiten Katastrophen heimgesucht würde. Nach einer solchen Katastrophe würden sich die Menschen zu Engeln, Tiere zu intelligenten Wesen, Pflanzen zu Tieren und Mineralien zu Pflanzen entwickeln. Diese Theorie beeindruckte auch Erasmus Darwin, den Großvater von Charles Darwin. B. war damit einer der ersten Biologen, der den Ausdruck „Evolution“ in einem biologischen Zusammenhang verwendete. Der Mensch ist für B. die Vereinigung einer gewissen Seele mit einem gewissen Körper. Daher liege auch die Auferstehung in der Natur des Menschen und nicht in der körperlichen Wiederverkörperung. Jede Planetenwelt habe ihre besondere Ökonomie, ihre Gesetze, ihre Produkte und ihre Einwohner. „Allein die Vernunft des Menschen dringt noch höher als alle Planeten-Welten hinauf: Sie erhebt sich bis zum Himmel, wo Gott wohnt“ (Palingenesie, II, 391).

Die Werke von B. wurden viel gelesen, so auch von Goethe, Herder und Lessing.

W.: Essai de psychologie; ou consideration sur les operations de l’Ame, sur l‘habitude et sur l’education: Auxquelles on a ajouté. Londres, 1755; Philosophische Palingenesie. Oder Gedanken über den vergangenen und künftigen Zustand lebender Wesen. Als ein Anhang zu den letztern Schriften des Verfassers; und welcher insbesonderheit das Wesentliche seiner Untersuchungen über das Christenthum enthält. Aus dem Französischen übersetzt und mit Anmerkungen herausgegeben von Johann Caspar Lavater. Zürich: Orell, Geßner, Fueßli, 1769; Betrachtungen über die organisierten Körper: worin von ihrem Ursprunge, von ihrer Entwicklung, von ihrer Reproduktion u.s.w. gehandelt wird, u. alles, was die Naturgeschichte davon gewisses u. interessantes liefert, kurz zusammengefasset ist. Lemgo: Meyer, 1775; Karl Bonnets Betrachtung über die Natur / mit Anm. und Zusätzen hrsg. von Johann Daniel Titius. Leipzig: Junius, 1803.

Bönninghausen, Clemens Maria Franz Frhr. von (* März 1785 Herinckhave, Niederlande; † 26.01.1864 Münster), Dr. jur., preußischer Regierungsrat, bedeutender Ho-
möopath, Schüler und Nachfolger von Samuel > Hahnemann.

Nach dem Besuch des Gymnasiums Paulinum zu Münster studierte B. an der Universität von Groningen Rechtswissenschaften und besuchte zudem noch medizinische und naturwissenschaftliche Vorlesungen. 1806 beendete er das Studium mit dem Doktor beider Rechte und arbeitete anschließend als Jurist. 1813 heiratete er Sofie von Schade, ein Jahr später übernahm er sein väterliches Erbteil, das Landgut Haus Darup zu Darup in Westfalen, wo er sich mit Fragen der Landwirtschaft, vor allem der Flora und Fauna, befasste und so auch Verbesserungen in der westfälischen Landwirtschaft mit einleitete. 1816 wurde B. Kommissarius seines Kreises Coesfeld und 1819 gründete er bereits den landwirtschaftlichen Verein für den Regierungsbezirk Münster. Bald darauf wurde ihm die Untersuchung der stigmatisierten Nonne Anna Katharina > Emmerick angetragen, die auch von Clemens > Brentano über 20 Jahre betreut wurde. Ab 1823 hatte B. als Regierungsrat viele Reisen in die Gemeinden zu unternehmen, wobei er seine botanischen Kenntnisse weiter ausbaute und zu einem angesehenen Fachmann auf diesem Gebiet wurde.

Von Tuberkulose befallen, rechnete B. ab 1827 mit seinem Tod und sandte seinem Hausarzt Dr. A. Weihe einen Abschiedsbrief. Dieser hatte sich inzwischen auf > Homöopathie umgestellt und schickte ihm nach genauer Beschreibung der Krankheit einige Arzneien. B. erholte sich überraschenderweise und beschäftigte sich von nun an eingehend mit Homöopathie. Er begann mit Samuel Hahnemann zu korrespondieren, dem er 1833 persönlich begegnete.

In den Jahren 1831 bis 1833 brachte B. sieben Werke heraus, darunter Das Systematisch-alphabetische Repertorium der homöopathischen Arzneien. Seine Heilungserfolge machten ihn über die Landesgrenzen hinaus bekannt und König Friedrich Wilhelm IV. erteilte ihm 1843 die Erlaubnis, als Nichtarzt zu praktizieren. Besonders bekannt wurde er durch sein Therapeutisches Taschenbuch, das durch seinen Aufbau Furore machte, wie auch durch die Behandlung der Dichterin Annette von Droste-Hülshoff und der Kaiserin Eugenie von Frankreich. Dieser Erfolg brachte ihm Ehrenmitgliedschaften vieler homöopathischer Gesellschaften, die Verleihung des Dr. med. h.c. und die Ernennung zum Ritter der Ehrenlegion.

B. starb in seinem Stadthaus in Münster. Sein Grab auf dem alten Hörsten-Friedhof fiel den Bomben des Zweiten Weltkriegs zum Opfer. Heute erinnerte dort eine Sandsteinstele an B. und in Darup die „Von-Bönninghausen-Str“.

W.: Bönninghausen, Clemens Maria Franz von: Zweite Nachschrift, als Anhang zu meiner Geschichte der Untersuchung der Nonne A. C. Emmerich zu Dülmen. Coesfeld: Wittneven, 1819; Geschichte und … Resultate der Untersuchung über die Erscheinungen an der ehemaligen Nonne A. C. Emmerich zu Dülmen. Hamm, 1819; Beiträge zur Kenntniss der Eigenthümlichkeiten aller homoeopatischen Arzneien. Münster: Regensberg, 1831; Hahnemann, Samuel: Die Heilung der asiatischen Cholera. Hrsg. von Clemens von Boenninghausen. Münster: Regensberg, 1831; Systematisch-alphabetisches Repertorium der antipsorischen Arzneien. Nebst Vorwort von S. Hahnemann. Münster: Coppenrath, 1832; Die homoeopatische Diaet und die Entwerfung eines vollständigen Krankheitsbildes behufs homöopathischer Heilung. Münster: Regensberg, 1833; Uebersicht der Haupt-Wirkungs-Sphäre der antipsorischen Arzneien und ihrer Eigenthümlichkeiten. Münster: Coppenrath, 1833; Versuch einer homoeopatischen Therapie der Wechselfieber. Münster: Regensberg, 1833; Die Homöopathie. Münster: Coppenrath, 1834; Versuch über die Verwandtschaften der homöopathischen Arzneien. Münster: Coppenrath, 1836; Therapeutisches Taschenbuch für homöopathische Aerzte. Münster: Coppenrath, 1846.

Bonomo, Johanna Maria (*15.08.1606 Asiago, Venetien; † 1.03.1670 Bassano del Grappa), selig (9.06.1783, Fest: 1. März), Benediktinerin, Stigmatisierte, Mystikerin.

Bereits in ihrer Kindheit zeigte sie besondere Eigenschaften. Mit zehn Monaten begann sie zu sprechen. Mit fünf Jahren erfasste sie bereits das Geheimnis der Eucharistie und noch als Kind lernte sie ohne Instruktor Latein. Mit sechs Jahren verlor B. die Mutter, woraufhin der Vater sie zu den Klarissen nach Trient gab. Mit neun Jahren durfte sie zur Kommunion gehen und legte bei dieser Gelegenheit das Gelübde der Keuschheit ab. Am 21. Juni 1621 trat sie bei den Benediktinerinnen zu Bassano ein, wo sie am 8. September 1622 die Profess ablegte. Ihr Ordensleben war von besonderen mystischen Begleiterscheinungen wie > Visionen, > Ekstasen und > Wundmalen gekennzeichnet, was ihr eine Reihe von Unannehmlichkeiten einbrachte. Von der Kurie von Vizenza wurde ihr für sieben Jahre verboten, in das Sprechzimmer zu gehen und Briefe zu schreiben. Der Beichtvater bezeichnete sie als „Spinnerin“ und verbot ihr sogar den Empfang der Kommunion. In den letzten zwanzig Jahren ihres Lebens änderte sich die Situation. Sie durfte die Korrespondenz wieder aufnehmen, wurde Novizenmeisterin, Priorin, Äbtissin, Beraterin vieler Persönlichkeiten und verfasste mehrere asketische Schriften.

Nach dem Tod fanden ihre sterblichen Überreste in der Kirche der Barmherzigkeit zu Bassano die letzte Ruhe. Ihr im Ersten Weltkrieg zerstörtes Geburtshaus wurde wieder aufgebaut. In der Kunst wird sie in Benediktinerinnentracht, als Äbtissin, mit Taube dargestellt.

Lit.: Bracco, Leone: Vita della B. Giovanna Maria Bonomo, Monaca Benedettina di S. Gerolamo di Bassano. Roma: Monaldi, 1883; Segmüller, Fridolin: Leben der seligen Johanna Maria Bonomo aus dem Orden des hl. Benedikt. St. Ottilien (Oberbay.): Missionsverlag, 1924; Bottecchia, Maria Elisabetta: Misticismo nella beata Giovanna Maria Bonomo (1606 –1670), abbadessa del monastero di S. Girolamo in Bassano del Grappa; indagini su un testo autobiografico inedito. Roma: Benedictina Ed., 2002.

Bonpo > Bon.

Bonpu-no-Joshiki (jap., „das Jedermanns-Bewusstsein“), das gewöhnliche > Bewusstsein im Gegensatz zum Bewusstsein der erleuchteten Menschen. Es ist gekennzeichnet durch Verblendung, die Identifikation mit einem imaginären, abgetrennten Ich als Subjekt im Gegensatz zu den Objekten draußen und die dadurch bedingte Intoxikation mit den drei Geistesgiften: Ärger, Gier und Torheit.

Im buddhistischen Verständnis ist B. ein krankhafter Bewusstseinszustand.

Im > Zen als Weg von der Verblendung zur Erleuchtung ist die Unterscheidung von „erleuchtetem“ und „unerleuchtetem“ Bewusstsein durchaus angebracht.

Lit.: Diener, Michael S.: Das Lexikon des Zen: Bern: Otto Wilhelm Barth Verlag, 1992.

Bon-Religion > Bon.

Bon-ten (jap.), Bezeichnung für Brahma-deva, den höchsten hinduistischen Gott > Brahma, den Schöpfer des Universums. Er gilt im > Buddhismus, zusammen mit > Taishaku-ten (sanskr. Shakro devanam Indra), als Beschützer des Buddhismus.

Lit.: Lurker, Manfred: Lexikon der Götter und Dämonen. Stuttgart: Kröner, 1989.

Bon-Tsau-Gang-Mu (chin., „Text und Kommentar des Bon-tsau“), berühmtes chinesisches Arzneibuch, das der große chinesische Pharmakologe des 16. Jhs., Li Schi-dschen († um 1580), verfasste. In 27 Jahren wertete er über 900 pharmakologische Werke aus. Die Veröffentlichung der umfangreichen Arbeit konnte jedoch erst sein Sohn im Jahre 1596 besorgen. Das Werk umfasst 48 Bände. Dazu kommen 2 Bde. theoretische Einleitung, 2 Bde. Krankenindizes und 3 Bde. Illustrationen.

Die Zahl der behandelten Substanzen beläuft sich auf 1900. Davon hat der Autor 1500 aus früheren Werken übernommen, den Rest untersuchte er selbst. Das Werk enthält mehr als 11091 alte und neue Rezepte. 1100 Drogen sind pflanzlicher Herkunft, etwa 450 tierischer, die restlichen aus Mineralien. Jede Droge wird nach folgendem Schema eingehend beschrieben: volkstümlicher und wissenschaftlicher Name, Aussehen, Herkunft, Geschichte, Gewinnung, medizinische Dosierung und Konservierung.

Lit.: Hui-djiän Dschang: Li Schi-dschen, der große chinesische Pharmakologe des 16. Jahrhunderts. Peking: Verlag für Fremdsprachen, 1959.

Bonus Eventus (lat., „gutes Ereignis“), römische Gottheit, die den Erfolg im Sinne eines „glücklichen Ausgangs“ verkörperte, vor allem das Gedeihen der Feldfrüchte. B. E. wurde daher besonders von den Bauern verehrt und besaß in der Kaiserzeit auf dem Marsfeld zu Rom, in der Nähe der Thermen des Agrippa (Panthéon), einen Tempel. Abgebildet wird er mit einer Schale in der rechten, Ähren und Mohn in der linken Hand.

Lit.: Holzapfel, Otto: Lexikon der abendländischen Mythologie. Sonderausg. Freiburg: Herder, 2002.

Bonus Lombardus, Petrus (Mitte des 14. Jhs.), Arzt in Ferrara und alchemistischer Schriftsteller. Er verfasste mehrere alchemistische Werke: De secreto omnium secretorum (Venedig, 1546); Praeciosa ac nobilissima artis Chymiae (Nürnberg, 1554); Introductio in alchemiam (Basel, 1572); Margarita preciosa novella (entstanden um 1330, veröffentlicht 1557); Introductio in divinam chemiae artem (gedruckt 1572).

Seine Quellen sind Aristoteles, die arabischen Alchemisten und auch die Metamorphosen des Ovid.

W.: Petrus Bonus Ferrarensis: Varia Alchimica Pap. 47 Bl., 3 Zettel. Dalmatien (?), nach 1323, Kremsmünster, Benediktinerstift, CC 53; Bono da Ferrara, Pietro. Praeciosa ac nobilissima artis chymiae collectanea de occultissimo… philosophorum lapide, per Janum Lacinium,… nunc primum in lucem aedita… apud Gabrielem Hayn, Ioann. Petrei generum (Nuremberg), 1554; Margarita Preciosa Novella de Petrus Bonus, apud Aldi filis (Venecia), 1557; Bono da Ferrara, Pietro et al.: Introductio in divinam chemiae artem integra magistri Boni,… nunc primum in lucem edita (a Michaele Toxita), apud P. Pernam (Basilea). 1572.

Book of the Dun Cow (Leabhar na hUidhre, Royal Irish Academy ms. 23 E 25), so benannt nach der Haut der Kuh des hl. Ciarán († 618 ?), eines der berühmtesten irischen Heiligen, die in Clonmacnoise aufbewahrt wurde und aus der nach der Überlieferung das Buch hergestellt sein soll. Es ist dies der früheste erhaltene irische literarische Text, der viele der berühmtesten Sagen enthält. 67 Blätter aus rauem Pergament sind überliefert, die von drei Personen beschrieben wurden, von denen Mael Muire mac Céilechair († 1106) namentlich bekannt ist. Der Text entstand im 11. Jh.; eine Neufassung, nicht unumstritten, wird in die erste Hälfte des 12. Jhs. verlegt.

W.: Lebor na hUidre, R. I. Best-O.J. Bergin, 1929.

Lit.: Oskamp, H. P. A.: Notes on the History of Lebor na hUidre, PRIA 65c, 1967.

Booth, Gotthard (*26.05.1899 Nürnberg; † 1975 New York), Psychiater und Parapsychologe. B. promovierte 1924 in München in Medizin, spezialisierte sich von 1924 –1930 in Psychiatrie und Neurologie und führte in Hamburg eine Privatpraxis für Neuropsychiatrie. 1935 übersiedelte er nach New York, wo er als Berater des General Theological Seminary sowie als Programmberater in Psychiatrie und Religion des Union Theological Seminary fungierte; Mitglied medizinischer Gesellschaften und der > American Society for Psychical Research.

Auf dem Gebiet der Parapsychologie interessierte er sich vornehmlich für Spontanfälle in der Psychiatrie, für > Geistheilung und > Psi-Phänomene bei Schlingpflanzen. Er veröffentliche eine Reihe von Beiträgen zu den Themen: Wissenschaft und Geistheilung (Pastoral Psychology, Mai, 1954), Parapsychologie und Medizin (Revue Metapsychique, Sept. / Dez, 1954), Beobachtungen von Psi-Funktionen bei Pflanzen (Proceedings of the First International Conference of Parapsychological Studies, 1955), Telepathie (Psychiatric Quarterly, 1956), Ror-
schach-Test und unorthodoxes Heilen (
Proceedings of Four Conferences of Parapsychological Studies, 1957).

Booth, John Wilkes (1838 –1865), US-Schauspieler, Mörder Abraham Lincolns. Es gibt zahlreiche Berichte, in denen behauptet wird, dass B., der am 14. April 1865 den amerikanischen Präsidenten Abraham Lincoln erschoss, dazu verdammt sei, am Ort des Geschehens, im Ford’s Theatre in Washington, zu spuken. Jahrelang sollen im gesamten Gebäude seine Schritte zu hören gewesen sein. Aufgrund dieses unheilvollen Rufes blieb das Theater bis zu seiner Wiedereröffnung 1968 für fast hundert Jahre ungenutzt. Auch dann noch sollen Arbeiter und Schauspieler von merkwürdigen Begegnungen mit dem Phantom erzählt haben. Es hält sich auch die hartnäckige Legende, dass alle Schauspieler, die ihre Rollen auf dem Fluchtweg entlang der Bühne zu sprechen haben, über die B. nach dem Attentat entkommen konnte, sich hoffnungslos verhaspeln würden.

Lit.: Stern, Philip Van Doren: The Man Who Killed Lincoln: The Story of John Wilkes Booth and His Part in the Assassination. New York: The Literary Guild of America, 1939; Evans, C. Wyatt / Kan Lawrence: The Legend of John Wilkes Booth: Myth, Memory, and a Mummy. University Press of Kansas, 2004.

Bootsbestattung (engl. boat burial). Von Bestattungen in Booten und Schiffen finden sich in der schriftlichen Überlieferung zahlreiche Hinweise mit unterschiedlichem Quellenwert, so in einem Reisebericht des Arabers Ahmad Ibn Fadlān aus dem 10. Jh. (Capelle, 50 –52). Einer der bekanntesten Fundorte für ein Schiffsgrab ist jedoch Sutton Hoo in Suffolk, England, wo die Bestattung nach den im Grab gefundenen Goldmünzen auf etwa 625 datiert wird.

Bei den Germanen Nord- und Westeuropas ist die B. während der > Eisenzeit bis zum Ende der Wikingerzeit archäologisch belegt. Die literarischen Zeugnisse unterscheiden drei Arten: 1) ein Schiff, das mit dem Toten an Bord brennend auf das Meer hinausfährt; 2) das Schiff wird mit dem Toten an Land verbrannt und die Asche in einem Hügel beigesetzt; 3) Bestattung des Toten im Schiff, über das dann ein Grabhügel aufgeschüttet wird.

So alt die B. auch ist: die damit verbundenen Vorstellungen hängen eng mit der Symbolik des Bootes als Begleiter in eine andere Welt zusammen. So trägt, nach Südseeinsulanern und den Chinook-Indianern an der Nordwestküste Amerikas, das Totenschiff die Seele über einen Fluss oder Meeresarm in das am jenseitigen Ufer gedachte Totenreich.

Lit.: Doerr, Erich: Bestattungsformen in Ozeanien. Wien: Anthropos, 1935; Schmidt, Peter J.: Die Bestattungsformen der Indianer des südlichen Mittelamerika: eine archäologisch-ethnologische Untersuchung. Hamburg, phil. Diss., 1968; Capelle, T.: Schiffsbestattungen und Schiffsgräber. Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Bd. 27, 2004, S. 50 –52.

Bootsmensch oder Menschenboot, wesenhaftes Fahrzeug des Sonnengottes > Schamasch der akkadischen und babylonischen Mythologie. Der Oberkörper eines Menschen ist mit dem Bootsleib verbunden, der seinerseits in einem Tierkopf endet. Die Arme des menschlich geformten Vorderteiles des Bootes betätigen die Ruder und der nach vorn blickende Kopf trägt Hörner. In der Akkadzeit erhielt der B. noch ein zweites Bein, das gleichsam über das Wasser schreitet, während das andere das Hinterteil des Bootes bildet.

Lit.: Frankfort, Henri: Alter Orient – Mythos und Wirklichkeit. Stuttgart; Berlin; Köln; Mainz: Kohlhammer, 1981; Mode, Heinz: Fabeltiere und Dämonen: die Welt der phantastischen Wesen. Leipzig: Koehler & Amelang, 2005.

Bootstrap-Philosophie („Schnürsenkel“-Theorie), physikalisches Denkmodell, demzufolge das Universum als dynamisches Gewebe zusammenhängender Geschehnisse zu verstehen ist.

Der amerikanische theoretische Physiker Geoffrey Chew (*1924) stellte in den 50er Jahren des 20. Jhs. als Ergänzung zur Relativitätstheorie Einsteins und zur Quantenmechanik von Bohr und Heisenberg die Bootstrap-Theorie der Elementarteilchen auf, welche Quantentheorie und Relativitätstheorie zu einer Theorie vereinigt, um sowohl die quantenmechanischen als auch die relativistischen Aspekte der subatomaren Materie zur Geltung zu bringen und zugleich einen radikalen Bruch mit der gesamten abendländischen Auffassung von der Grundlagenforschung aufzustellen. Nach Chew lasse sich die Natur nicht auf fundamentale Einheiten reduzieren, da die Dinge kraft ihrer wechselseitig stimmigen Zusammenhänge bestünden. Die gesamte Physik müsse daher ausschließlich auf den Erfordernissen aufbauen, dass alle ihre Komponenten mit sich selbst in Übereinstimmung sein müssen.

Der mathematische Rahmen der B.-Physik ist das Konzept der S. Matrix (Streuungs-Matrix)-Theorie, das ursprünglich von Heisenberg eingebracht und vor allem von Chew und seinen Mitarbeitern zu einer Theorie der subatomaren Teilchen sowie zu einer allgemeinen Naturphilosophie, der B.-Philosophie, ausgebaut wurde. Diese gibt nicht nur die Idee der fundamentalen Bausteine der Materie auf, sondern erkennt überhaupt keine fundamentalen Einheiten, Gesetze, Konstanten oder Gleichungen an. Das materielle Universum ist ein dynamisches Gewebe zusammenhängender Geschehnisse, bei dem keine Eigenschaft fundamental ist. Die Struktur des ganzen Gewebes bestimmt die umfassende Stimmigkeit ihrer Zusammenhänge.

Dies ist der naturwissenschaftlichen Devise jedoch so fremd, dass nur einige Physiker diesen Weg einschlagen. Die anderen versuchen es weiterhin nach den fundamentalen Bausteinen der Materie. Im Gegensatz dazu haben New-Age-Denker wie Fritjof Capra die Vorstellung von einem Universum als Gewebe von Zusammenhängen, die typisch für das Denken der östlichen Weisheitslehren ist, voll aufgegriffen.

Lit.: Chew, Goffrey: Bootstrap: A Scientific Idea. Science, 161 (1968); Capra, Fritjof: Das Neue Denken: Aufbruch zum neuen Bewusstsein; die Entstehung eines ganzheitlichen Weltbildes im Spannungsfeld zwischen Naturwissenschaft und Mystik. Bern: Scherz, 1987.

Boppelgebet, Gebet zur Erlösung der Seelen, die als > Klopfgeister umgehen, das durch Beschwörung der Geister vielleicht auch zum Totbeten Lebender verwendet wurde. So sprach einst eine berüchtigte „Unholdin“, die sog. Seelenmutter von Küssnacht, gegen die um 1573 ein Prozess wegen Hexerei angestrengt wurde, bei ihren Beschwörungen ein Gebet, B. oder „starke Bopfart“ genannt (Dettling, 17). Auch ihre Jüngerin Verena Lisibach verwendete bei ihren Gebeten für Verstorbene das B. Nach dem Luzerner Turmbuch von 1573 ist das B. ein Gebet, mit dem man „die lüt sollt ze tod bëtten“ (Idiotikon I, 1645).

Lit.: Dettling Alois: Die Hexenprozesse im Kanton Schwyz. Schwyz: [s. n.], 1907; Stalder, Franz Joseph: Schweizerisches Idiotikon: mit etymologischen Bemerkungen untermischt: samt einem Anhange der verkürzten Taufnamen. Aarau: Sauerländer, 1994.

Bör, auch Borr oder Burr genannt, nach der germanischen Mythologie ein Riese, den > Buri aus sich selbst zeugte. B. war mit > Bestla vermählt, die ihm die Söhne > Odin, Vili und Ve, die ersten > Asen, gebar. Im Kult spielte er keine Rolle. Bestla war eine Tochter des > Hrimthursen > Bölthorn, also eine Reifriesin, aber friedlich, denn die Hrimthursen galten als böse und kriegerisch.

Lit.: Herder-Lexikon germanische und keltische Mythologie: mit rund 1400 Stichwörtern sowie … Tabellen. Neuausg. Freiburg i. Br. [u. a.]: Herder, 1993.

Borak (oder Al Borak, „der Blitz“), nach der arabischen Mythologie das geflügelte Pferd, das vom Engel Gabriel gebracht wurde, um den Propheten > Muhammad von der Erde in den siebten Himmel zu bringen. Auch das Pferd selbst wurde in den Himmel aufgenommen. B. hatte das Antlitz eines Menschen, jedoch die Wangen eines Pferdes. Seine Augen waren wie Hyazinthen und leuchteten wie Sterne. Es hatte Adlerschwingen, sprach mit der Stimme eines Menschen und flog mit strahlendem Licht über alles hinweg.

Lit.: Shepard, Leslie (Hrsg.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. 1. Bd. Detroit, Michigan: Gale Research Company; Book Tower, 21984.

Boraro (die „Weißen“), den > Tukano-Indianern zufolge grausame Waldgeister. Sie sind groß, haarig, mit riesigen Penissen, nach vorne gerichteten Ohren und nach hinten gerichteten Füßen. Ihre Beine sind ohne Gelenke mit dem Köper verbunden, sodass ein Aufstehen nach dem Hinfallen kaum möglich ist. Die Tukano glauben, dass ein B., der mit einer Steinhacke bewaffnet ist, einen Menschen zum Fressen sucht.

Lit.: Seler, Eduard: Geschichtliches, Bilderschriften, Kalendarisches und Mythologie, Ethnographisches und Archäologisches aus Mexico, Archäologisches und anderes aus den Maya-Ländern. Graz: ADEVA, 1960; Contes et mythologie des indiens lacandons: contribution à l’étude de la tradition orale maya. Paris: L’Harmattan, 1986; Jones, David M.: Die Mythologie der Neuen Welt. Reichelsheim: Edition XXV, 2002.

Borborianer, Borboriten („Schmutzige“), abwertende Bezeichnung der Kirchenväter für eine geheime libertinistisch-gnostische Gruppe in Ägypten, Kleinasien und besonders Syrien-Mesopotamien, die ab dem Ende des 3. Jhs. bis in das 6. Jh. nachweisbar ist. Die B. sind vielleicht von den > Nikolaiten abhängig und zum Teil identisch mit den > Stratiotikern, > Phibioniten, > Koddianern, > Zakchäern, > Levitikern u. a. Sie bezeichnen sich als > Gnostiker und stellen in den Mittelpunkt ihrer Lehre und ihres Kultes die Gestalt der > Barbelo oder Barbero, die ihren Namen einer hebräischen Wortverbindung verdankt: Barbhe Eloha, „in der Vier ist Gott“.

Die B. besitzen zahlreiche apokryphe Texte. Zu ihnen gehören nach Epiphanius, dem Hauptzeugen, die Bücher Ialdabaoth, die Apokalypse Adams, das Evangelium Evas, die Bücher Seth, das Buch Noria, die Prophetien des Barkabbas, die Himmelfahrt des Elias, die Geburt Marias, das Evangelium der Apostel, Die großen und die kleinen Fragen der Maria, das Evangelium des Philippus und das Evangelium der Vollendung.

Sie verehren eine ge­wisse Barbelo, von der sie sagen, dass sie oben im achten Himmel lebe, und sie sei aus dem Vater hervorgegangen. Sie aber ist, wie die einen sagen, die Mutter des Ialda­baoth, wie die anderen meinen, die des Sabaoth. Ihr Sohn aber führt die Herrschaft über den siebenten Himmel in tyrannischem Hochmut und spricht zu den ihm Unter­gebenen: ,Ich bin der Herr und sonst keiner mehr; kein Gott ist außer mir‘ (Jes 45, 5). Barbelo aber hörte dieses Wort und weinte. Sie erscheint nun immer den > Archonten in irgendeiner herrlichen Gestalt und beraubt sie ihres Samens durch Lust-Erguss, um auf diese Weise ihre in verschiedene Wesen zerstreute Kraft wiederum an sich zu bringen“ (Leisegang, 188; Epiphan. Panar, haer. 25, 2 ff).

Im Kult werden daher männliches Sperma und weibliches Menstruationsblut („Leib und Blut Christi“) als Träger des > Pneuma dem „Ursprung“ zurückgegeben, um Geburt zu verhindern und den Aufstieg vorwegzunehmen. Die Erlösung von den bösen Weltmächten sei nämlich nicht durch Enkrateia (Enthaltung) oder nihilistischen Libertinismus, sondern durch bewusste Ausübung der Sexualität zu erlangen.

Lit.: Rudolph, Kurt (Hrsg.): Gnosis und Gnostizismus. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1975; Koschorke, Klaus: Die Polemik der Gnostiker gegen das kirchliche Christentum: unter bes. Berücks. d. Nag-Hammadi-Traktate „Apokalypse d. Petrus“ (NHC VII, 3) u. „Testimonium Veritatis“ (NHC IX, 3). Leiden: Brill, 1978; Leisegang, Hans: Die Gnosis. Stuttgart: Kröner, 51985; Brumlik, Micha: Die Gnostiker: der Traum von der Selbsterlösung des Menschen. Berlin; Wien: Philo, 2000.

Borderieux, Carita (Madame Pierre Borderieux (*1874; † 20.02.1953 Paris), Sekretärin von Gabriel Delanne und Herausgeberin von La Revue Scientifique et Morale du Spiritisme. 1921 gründete sie die Zeitschrift Psychica, die sie bis zum Ende ihres Erscheinens 1940 redigierte. B. organisierte wöchentliche Zusammenkünfte in Paris zu Gesprächen über Spiritismus und Parapsychologie, bei denen auch namhafte Personen das Wort ergriffen, wie Camille > Flammarion, Gabriel > Delanne, Juliette > Bisson, René > Warcollier, Leon > Chevreuil, Robert > Tocquet, Maurice > Maeterlinck u. a.

B. interessierte sich vor allem für Hellsehen und die sog. „denkenden Tiere“. Sie trainierte den Hund „Zou“, der angeblich auf Fragen reagierte, die ihm telepathisch gestellt wurden, und verfasste das Buch Les nouveaux animaux pensants (Die neuen denkenden Tiere).

W.: Les Animaux pensants. Les Chevaux d’Elberfeld. Les Chiens de Mauheim. Zou. Le Chien qui sait lire et calculer. Comment je l’ai instruit. Impr. A. Clerc: en vente chez l’auteur, 23, rue Lacroix (XVIIe) / 1923.

Borderland Dreams > Schwellenträume.

Boreas (griech., „der vom Berg Kommende“), Windgott und Personifikation des rauen Nordwindes.

B. ist der Sohn des Gestirngottes Astraios und der > Eos sowie Bruder von > Euros, > Notos und > Zephyros. Er überraschte die athenische Königstocher Oreithyia beim Spielen, entführte sie in seine Heimat nach Thrakien, machte sie zu seiner Gattin und zeugte mit ihr die Boreaden Zetes und Kalaïs. In Athen genoss er besondere kultische Verehrung, weil er den Griechen in den Perserkriegen, speziell in der Seeschlacht von Salamis (480 v. Chr.), gegen den Feind zu Hilfe gekommen war.

In Pferdegestalt war B. der Vater der 12 Stuten des > Dardanos.

Nach ihm ist das sagenhafte Land > Hyperborea benannt, auch die Begriffe boreal (nördlich), Boreal-Zeit beziehen sich auf B.

Lit.: Stephani, Ludolf: Boreas und die Boreaden. St. Petersbourg: Eggers etc., 1871; Memoires de l’Academie imperiale des sciences de St. Petersbourg. 7,16,13; Loeschckii, G.: Commentatio quae inscripta est: Boreas und Oreithyia am Kypseloskasten. Dorpati Liv., Mattiesen 1886 (Akad. Einladungsschr. d. Univ. Dorpat.); Agardm, W. R.: Boreas at Athens. The Classical Journal 61 (1965 – 1967).

Borel, Marie, Geheilte von Lourdes. B. wurde am 14. November 1879 geboren und lebte zum Zeitpunkt der Heilung, am 21. / 22. August 1907, in Mende (Frankreich).

Die plötzliche und vollständige Heilung von sechs Fäkalfisteln im Lenden- und Bauchbereich wurde zwischen 1907 und 1911 alljährlich von verschiedenen Ärzten untersucht und von sämtlichen Experten als medizinisch nicht erklärbar eingestuft. Am 4. Juni 1911 wurde die Heilung von B. durch Bischof Jacques Gely von Mende als Wunder anerkannt und ist als 35. Wunderheilung von Lourdes eingetragen.

Lit.: Resch, Andreas: Die Wunder von Lourdes. Innsbruck: Resch, 2009.

Borel (lat. Borellus) Pierre (* um 1620 Castres, Frankreich; † 14.10.1671 ebd.), Arzt, Mitglied der Akademie von Castres und Schriftsteller.

B. studierte in Montpelier Medizin, arbeitete als Arzt in Castres und befasste sich neben Medizin mit Biologie, Physik, Astronomie, Geschichte, Altertumswissenschaften und > Alchemie, worüber er zahlreiche Bücher veröffentlichte. Seine Arbeiten, insbesondere jene zur Geschichte und Literatur der Alchemie, zeugen jedoch von geringer kritischer Betrachtung und freien Formulierungen.

W.: Observationes medico-physicae stupendae, in quibus quaedam chimica sunt. Castris, 1653; Bibliotheca chimica, seu Catalogus librorum philosophicorum hermeticorum. Parisiis, 1654; Heidelbergae, 1656. Sie zählt 4.000 Schriften auf, ist aber unzuverlässig. B. raffte zusammen, was dem Titel nach geeignet schien, oft rein medizinische, auch theosophische und magische Schriften, führt auch Bücher auf, die nie existiert haben, und macht aus den erdichteten Personen der Turba Autoren. Morhof (Epistola ad Langelottum, p. 115) meint, Borel scheine im Schlaf geschrieben zu haben; Tresor de Recherches et Antiquites gauloises et frangoises, á Paris, 1655. Dieses historische Wörterbuch enthält u. a. mancherlei Nachrichten aus der Geschichte der Alchemie, gehäuft ohne Auswahl und nur zum Teil brauchbar.

Lit.: Schmieders Gesamtausgabe der Geschichte der Alchemie. Leipzig: Bohlmeier, 2009.

Boring > Beauraing.

Borley Rectory > Abtei von Borley.

Bormann, Walter (1844 –1914), Dr. phil., gehörte zum Kreis um Carl > du Prel (1839 – 1899), war Kantianer und verfasste zahlreiche Aufsätze. Von seinen Büchern seien Der Schotte Home und Die Nornen genannt.

W.: Der Schotte Home: ein physiopsychischer Zeuge des Transscendenten im 19. Jahrhundert. Leipzig: Mutze, 1899; Die Nornen: Forschungen über Fernsehen in Raum und Zeit. Leipzig: Altmann, 1909.

Borovit (slaw.; tschech. Borowiec), slawischer Waldgeist. B. galt als Beschützer der wilden Tiere, als Herr der Wölfe und Füchse. Meistens trat er in Tiergestalt auf, als Wolf oder Uhu, zeigte sich aber auch als Hirte, der die Herde beschützte. Die Jäger riefen ihn um Jagdglück an und die Viehzüchter brachten ihm Schafe als Opfer, um ihn zu stärken.

In B. lebten die Seelen jener Menschen fort, die im Wald den Tod fanden.

Lit.: Michailov, Nikolaj: Baltische und slawische Mythologie: ausgewählte Artikel. Madrid: Actas, 1998; Grabner-Haider, Anton: Das Buch der Mythen aller Zeiten und Völker. Akt. Neuausg. Wiesbaden: Marix, 2005.

Borr > Burr.

Borretsch (lat. borago officinalis; engl. borage; ital. borragine), Gurkenkraut, Blauhimmelstern, Herzfreude, Wohlgemuth, Augenzier, Pflanze aus der Familie der Rauhblattgewächse, Boraginaceae. Der Name leitet sich vom keltischen Wort porrach ab, das eine heroische Person bezeichnet.

Der B. stammt aus der Gegend von Aleppo und wird überall in Gärten gepflanzt; verwildert wächst er auf Schuttplätzen. Er ist wässrig, von gurkenähnlichem Geschmack, wird 20 – 60 cm hoch, blüht von Juni bis August und wird während der Blüte geerntet. Die Stängel sind stark behaart und die Blätter, welche Schleimstoffe und 15 – 17% Mineralsalze, insbesondere Kalium und Kalzium, enthalten, geben einen guten Salat und werden auch als Würze verwendet.

B. gilt als eines der vier herzstärkenden Kräuter (quatuor flores cardialis), ist als Tee schweißtreibend, wird gegen Husten und Erkältungen wie auch als Stimulation der Hormone und gegen Depressionen verwendet.

Aufgüsse aus Blüten oder Kraut finden bei der sog. Blutreinigung, als Diuretikum bei Entzündungen der Atemwege und bei Gelenkrheumatismus Anwendung. Wegen des Gehalts an Pyrrolizidinalkaloiden sind allerdings organotoxische und hepatotoxische Wirkungen möglich.

Paranormologisch steht B. für > Jupiter und > Luft, hat eine heiße / niedrige Schwingung und ist der Göttin > Diana, dem Symbol für den Jungfrauaspekt der Göttin, geweiht. In dieser Eigenschaft verleiht er psychische Energie und Mut, auch als Amulett. Als Talisman soll B. vor negativen Energien schützen.

Lit.: Magister Botanicus: Magisches Kreutherkompendium; ein erweytertes wahrhaft ergötzliches Werk ueber die magischen Verrichthungen mit Kreuthern und den zauberischen Kräfften der Pflanzen sowie dehren medicinalischer Beteuthungen. 2., überarb. u. erg. Aufl. Speyer: Die Sanduhr – Fachverlag für altes Wissen, 1995; Pschyrembel Wörterbuch Naturheilkunde: und alternative Heilverfahren. Berlin: de Gruyter, 1996; Gurkenkraut und Ringelblume: Gartenparadiese für drinnen und draußen. Mit Bildern von Annette Fienieg. Düsseldorf: Patmos, 2006.

Borri, Giuseppe Francesco (*6.05.1627 Mailand; † 20.08.1695 Rom / Engelsburg), Alchimist. Sohn der Savina Morosini, die bei der Geburt starb, und des Branda Borri, eines bekannten Arztes in Mailand. 1644 trat B. in das von Jesuiten geleitete römische Seminar ein, wo auch Anthanasius > Kircher unterrichtete, wurde jedoch am 16.03.1649 entlassen, weil er eine Studentenrevolte angestiftet hatte. Er trat daraufhin als Page in den Dienst des Vatikans und studierte Medizin und Alchemie. 1654 wurde wegen seines exzentrischen Verhaltens von der Polizei nach ihm gefahndet, doch versprach er, sich zu bessern. Nach dem Tod von Innozenz X. 1655 kam Alexander VII., ein Feind der Erneuerer, und B. flüchtete in seine Heimatstadt, wo er 1656 heiratete. Vermutlich an Syphilis erkrankt, heilte er sich mit einem Mittel auf der Basis von Merkur, das ihn ins Delirium versetzte, aufgrund dessen er 1658 mit Jugendlichen eine antispanische Revolte auslöste. Den Revoltierenden wurde von der Inquisition der Prozess gemacht. B. flüchte in die Schweiz, wurde wegen Häresie verurteilt und in Rom 1661 „in effigie“ (als Bild) verbrannt. In der Schweiz setzte er seine Behandlung mit Merkur fort und eröffnete eine Arztpraxis zur Heilung der Syphilis. Anschließend ging er nach Innsbruck, Straßburg und Amsterdam, wo er als Arzt großen Erfolg bei der Heilung von Syphilis hatte.

Der Einsatz von Merkur in all seinen Varianten machte ihn zum bedeutendsten Alchemisten seiner Zeit. 1664 veröffentlichte er seinen ersten alchemistischen Text, Specimina Quinque Chymiae Hyppocraticae, musste dann aber wegen Schulden aus Amsterdam fliehen und gelangte nach Hamburg, wo er 1666 Königin Christina von Schweden traf, von der er eine große Geldsumme erhielt. Er ging dann nach Kopenhagen an den Hof Friedrichs III. von Dänemark. Um sich den vielen Verfolgern zu entziehen, nahm er den latinisierten dänischen Namen Olaus Borrichius an, unter dem er fortan all seine alchemistischen und hermetischen Texte veröffentlichte, die auch von Isaac Newton gelesen wurden.

1670 starb Friedrich III. und B. musste Dänemark verlassen. Da er sich in Europa nicht sicher fühlte, verkleidete er sich als Türke, um in die Türkei zu flüchten, wurde jedoch in Mähren verhaftet und Leopold I. von Österreich übergeben, der ihn wegen seiner früheren Verurteilung dem Vatikan auslieferte. Während einer Audienz beim Kaiser hatte er diesen jedoch darauf aufmerksam gemacht, dass die Wachslichter im Zimmer vergiftet seien. Daraufhin ersuchte der Kaiser den Papst, ihn nicht am Leben zu strafen, was der Papst versprach. In Rom angekommen, wurde B. wegen Häresie und Giftmischerei in das Gefängnis des heiligen Offiziums gesteckt und musste 1672 öffentlich abschwören. Von 1678 an wurde er wegen der Heilung des französischen Botschafters, des Herzogs von Estrées, in Halbfreiheit entlassen, konnte seiner Arzttätigkeit nachgehen, wurde als Alchemist unter dem falschen Namen Giustiniano Bono offiziell in die römischen Patrizierhöfe aufgenommen und konnte auf der Engelburg seine letzten Jahre mit Studien und chymischen Operationen verbringen. 1680 half er dem Herzog von Palombara die berühmte Porta alchimica aufzubauen, deren Reste heute noch auf der Piazza Vittorio auf dem Esquilin zu sehen sind.

Das Buch von Arconti Lamberti, La chiave del gabinetto del Cavaliere Giuseppe Francesco Borri, enthält wertvolle Dokumente über die Gedankenwelt von B., der als Vorläufer berühmter > Magier wie > Cagliostro und des Grafen von > Saint-Germain gilt. 

W.: Olai Borrichii Itinerarium 1660 –1665. Ther Journal or the Danisch Polyhistor Ole Borch. Vol 1– 4, 1660 –1665; Olai Borrichii … De ortu, et progressu chemiae, dissertatio. Hafniae: typis Matthiae Godicchenii: sumptibus Petri Haubold Reg. Acad. Bibl., 1668; Olai Borrichii: Conspectus scriptorum chemicorum illustriorum libellus posthumus Havniæ: Garmann, 1696.

Lit.: La chiave del gabinetto del cavagliere Giuseppe Francesco Borri milanese. Col favor della quale si vedono varie lettere scientifiche, chimiche, e curiosissime con varie istruzioni politiche, ed altre cose degne di curiosità, e molti segreti bellissimi. Aggiuntavi una Relazione esatta della sua vita. Colonia: Pietro del Martello, 1681 (Ort und Name des Herausgebers dürften falsch sein; vielleicht Genf. Titel des 2. Teils: Istruzioni politiche del cavaliere Giuseppe Francesco Borri milanese. Date al re’ di Danimarca.

Borrich, Olaus, auch Borch Olav, lat. Borrichius (*7.04.1626 Nörre Bork, Jütland; † 13.10.1690 Kopenhagen), dänischer Arzt, Prof. der Philologie, Poesie, Chemie und Botanik, Alchimist. Bei seinem Wissenschaftsdrang wurden Medizin und Alchemie zum Hauptgegenstand seines Forschens und bei der 1655 in Kopenhagen ausgebrochenen Pest konnte er sein medizinisches Wissen unter Beweis stellen. Eine gutgehende Praxis verschaffte ihm die Mittel, um seine Kenntnisse auf Reisen durch Deutschland, Holland, England, Frankreich und Italien zu vertiefen. Vor allem die Begegnungen mit den Alchimisten bestärkten seinen Vorsatz, deren Geschichte zu bearbeiten, womit er den ersten Grund zur Geschichte der > Alchemie legte. Seine Arbeiten zeugen allerdings mehr von großer Belesenheit als von kritischer Argumentation.

W.: Dissertatio se ortu et progressu Chemiae. Hafniae, 1668, abgedruckt in: Magneti Biblioteca chimica curiosa, T.I. N.1; Hermetis, Aegyptorum e Chemicorum sapientia, ab Herm. Conrigii aniadversionibus vinidcata. Hafniae, 1674; Congressus scriptorum chemicorum. Hamburg, 1697. Erschienen nach seinem Tod und abgedruckt in: Magneti Bibliotheca chemica, T.I. N.2.

Bors (de Ganis), Bohors oder Boort, Ritter der Tafelrunde in der Artussage. Er soll der Sohn von Evaine und Bors dem Älteren, des Königs von Gannes in Gallien, sowie ein Verbündeter von > Artus im Kampf um die Vorherrschaft in England gewesen sein. Als Held vieler magischer Abenteuer nahm er auch an der Suche nach dem Heiligen > Gral teil und fand diesen nach den Erzählungen von Thomas Malory gemeinsam mit Parzival und Galahad. Je nach Überlieferung soll er als einziger von den drei Gralsfindern nach > Camelot zurückgekehrt sein.

Lit.: Malory, Thomas: König Arthur und die Ritter der Tafelrunde. Köln: Anaconda, 2009.

Borvo (auch Bormo oder Bormanus), ein Heil-Gott in der gallisch-keltischen Mythologie, der mit heißen Heilquellen in Verbindung gebracht wird. Die Stammsilbe seines Names (bor) soll die Grundbedeutung von „kochen, sprudeln“ haben. B. ist durch Inschriften aus der gallisch-römischen Zeit bekannt. Auch gewisse Ortsnamen deuten auf ihn hin, wie La Bouboule, Bourbonne-les-Bains (Frankreich), Burtscheid, Worms (Deutschland). Die Zahl der Namen verweist auf die Verbreitung des Kultes dieser Gottheit. B. wird sogar als eine Entsprechung des griechischen Gottes > Apollon bezeichnet.

Lit.: Persigout, Jean-Paul: Dictionnaire de mythologie celte. Monaco: Éditions du Rocher, 1985; Kruta, Venceslas: Les Celtes, Histoire et Dictionnaire. Paris: Éditions Robert Laffont, coll. „Bouquins“ , 2000.

Bosat, bei den Singhalesen auf Sri Lanka Bezeichnung für den künftigen Buddha (> Bodhisattva). Im mittelalterlichen Ceylon bezeichnete man die Könige als „Bosat“, wie heute noch verschiedene Götter, so Natha und Saman.

Lit.: Bechert, H.: Bosat. Mythologie der singhalesischen Volksreligion. Wörterbuch der Mythologie. Bd. 5. Stuttgart, 1984.

Bosch, Hieronymus, eigentlich Jheronimus van Aken (* um 1450 ’s-Hertogenbosch, NL; † August 1516 ebd.), niederländischer Maler.

B. war ein scharfer Naturbeobachter mit schrankenloser Phantasie. Die Hintergründigkeit seiner Bilder verlangt ein Eindringen in die geistigen Grundlagen des ausgehenden Mittelalters und die esoterischen Lehren seiner Zeit. Er soll Angehöriger der Geheimsekte „Brüder und Schwestern des freien Geistes“ gewesen sein, die als > Adamiten beschimpft wurden, bzw. Rosenkreuzergruppen nahegestanden haben. Allerdings sind die Quellen für diese Vermutungen sehr spärlich. Neben den Lehren des offiziellen Christentums kommen vor allem Volksglaube und -brauch sowie esoterische Inhalte zur Darstellung, ebenso wie Symbole aus dem Laboratorium der > Alchemie. In den berühmten Triptychen zeigt sich seine ureigene Imagination von einer sonst nie erreichten Faszinationskraft: Das Jüngste Gericht (Wien), Der Heuwagen (Madrid), Die Versuchung des hl. Antonius (Lissabon), Der Garten der Lüste (Madrid.) 

Zahlreiche Bilder enthalten auch Anspielungen auf den Hexenglauben. Die auffallendsten beziehen sich auf ungewohnte Formen bei der Wanderung von einem Ort zum andern und auf außergewöhnliche Bewegungen. So ist in der Versuchung des hl. Antonius ein Paar zu sehen, das auf einem fliegenden Fisch durch die Lüfte zum Sabbat reitet.

Einige wenige seiner rätselhaften Darstellungen sind entschlüsselt. Da B. aber keine schriftlichen Aufzeichnungen zu seinen Werken hinterließ, hat er wohl so manches Geheimnis mit ins Grab genommen. Ohne paranormologische Kenntnisse bleibt sein Werk jedenfalls unverständlich.

Lit.: Fraenger, Wilhelm: Hieronymus Bosch. [Mit einem Beitr. von Patrik Reuterswärd. Aufnahmen von Lutz Braun]. Dresden [u. a.]: Verl. der Kunst, 111999; Silver, Larry: Hieronymus Bosch. München: Hirmer, 2006; Cuttler, Charles: Hieronymus Bosch: Late Work. London: Pindar, 2007.

Boschintoi, Schmiedegott der Burjaten, für die als Reiternomaden in den Steppen der Mongolei die Arbeiten der Schmiede sowohl in Friedens- wie in Kriegszeiten von größter Bedeutung sind. Die Kunst des Schmiedens wird als ein Geschenk der Götter betrachtet. Die Legende besagt, dass B. seine neun Söhne auf die Erde herabsandte, um die Menschen das Schmieden zu lehren.

Noch heute leben diese göttlichen Schmiede in der Vorstellung vieler Burjaten auf den schneebedeckten Gipfeln des Sajangebirges, die sie bei ihrem Abstieg vom Himmel auf die Erde benutzt hatten, und beschützen von dort aus die Menschen vor bösen Geistern und vor Krankheiten. Es gibt bei ihnen sogar für alle wichtigen Geräte, die zum Schmieden gebraucht werden, einen eigenen Gott, so den Gott des Hammers, den Gott der Esse, den Gott des Blasebalgs usw. Bei großen > Opferritualen, bei denen traditionell ein > Pferd – das wichtigste und am meisten verehrte Tier der Reiternomaden – geopfert wird, werden sie alle angerufen und gebeten, die Menschen weiterhin zu beschützen.

Der Legende nach hatte B. auch eine Tochter, Eilik Mulik mit Namen. Sie war die Älteste und lehrte ihre Brüder das Schmieden. Auch sie stieg vom Himmel auf die Erde und sie brachte den Menschen das Feuer. Seitdem wandert sie umher und verjagt mit Feuerfunken böse > Dämonen und > Ungeheuer.

Lit.: Schmidt, Wilhelm: Die sekundären Hirtenvölker der Mongolen, der Burjaten, der Yuguren, sowie der Tungusen und der Yukagiren. Münster i. W.: Aschendorff, 1952; Musch, Tilman: Nomadismus und Sesshaftigkeit bei den Burjaten: gesellschaftlicher Wandel im Spiegel zeitgenössischer Folklore. Frankfurt a. M. [u. a.]: Lang, 2006.

Bosco, Johannes Melchior (*16.08.1815 Becchi bei Castelnuovo d’Asti, Piemont, † 31.01.1888 Turin), heilig (1.04.1934, Fest: 31. Januar), Jugendseelsorger, Erzieher, Ordensgründer, Jugendpatron. 

B. entstammte einer in sehr ärmlichen Verhältnissen lebenden Familie von Landarbeitern. Als er zwei Jahre alt war, starb der Vater. Die Mutter, Margherita Occhiena, die zwar Analphabetin, aber tief gläubig war, erzog die Kinder zu einem gediegenen christlichen Leben. Seine schulische Ausbildung konnte B. zwar erst spät antreten, doch gelang es ihm aufgrund seiner Intelligenz und seines außergewöhnlichen Gedächtnisses, die Zeit aufzuholen. Aufgrund seiner Frohnatur war er ständig von einer Gruppe Jugendlicher umgeben. 1835 trat B. in das Priesterseminar von Chieri ein, wurde am 5. Juni 1841 zum Priester geweiht und besuchte anschließend zur Weiterbildung das „Convitto Ecclesiastico“ in Turin, wo er sich von der im Seminar gelehrten rigoristisch ausgerichteten Theologie (Probabiliorismus) abwandte und über seinen Lehrer Joseph Cafasso, den bekannten Beichtvater und Seelsorger der Armen und Krüppel, die probabilistische moraltheologische Lehrmeinung des hl. > Alphons M. von Liguori annahm. Diese „mildere“ Moraltheologie und die am „Convitto“ vorherrschende ultramontane Ekklesiologie der „Amicizia Cattolica“ sowie der pädagogische Einfluss der Mutter, des Philipp Neri und des Franz von Sales prägten seine seelsorgliche Praxis. Sehr bald sammelte B. die armen, verwahrlosten und zumeist verwaisten Jugendlichen um sich und kümmerte sich um sie. Er errichtete in Valdocco ein Sonntagsheim (1841 – 1844). Unter den Jugendlichen fand er auch geeignete Helfer. Ab 1846 gründete er sogenannte „Oratorien“ (Orte für Katechese und Freizeitgestaltung), Heime, Abend- und Berufsschulen sowie Gymnasien. Ab 1848 verstärkte er die Förderung der Priesterberufe, initiierte das Presseapostolat, gründete die Laienvereinigung Salesianische Mitarbeiter und fungierte als Vertrauensmann in Konflikten und Verhandlungen zwischen Kirchenstaat und Regierung des Piemontesischen Königshauses. Am 18. Dezember 1859 rief er in Turin die Gesellschaft des heiligen Franz von Sales (seit 1946 Salesianer Don Boscos, SDB) ins Leben, die 1869 als kirchliche Kongregation anerkannt wurde. Unter tausend Schwierigkeiten gelang es ihm, nicht zuletzt dank der Stütze durch Pius IX. (1846 –1878), die Vielfalt seiner Werke zu vermehren, indem er 1875 seine Tätigkeit auch auf die Missionen ausdehnte.

Am 5. August 1872 gründete er zusammen mit der später heiliggesprochenen Maria Domenica Mazzarello (1837– 1881) die Ordensgemeinschaft der Töchter Mariens, Hilfe der Christen (Don Bosco-Schwestern). Bis zu seinem Tod 1888 wurden von den Salesianern Don Boscos bereits 250 Häuser in Europa und Lateinamerika eröffnet, in denen von 1846 an rund 130.000 Jungen aufgenommen und rund 18.000 Lehrlinge ausgebildet wurden. Rund 6.000 dieser Jugendlichen entschieden sich bis 1888, Priester zu werden.

B. gilt als ein bedeutender Vertreter des pädagogischen Präventivsystems, das auf Vernunft, Liebe und Religion aufbaut und Gewalt ausschließt. In seinen Schriften ist er, mehr als Schriftsteller, ein großer Diener der Feder, ein Praktiker. So pflegte er zu sagen: „Bleiben wir bei den einfachen Dingen, doch sollen diese mit Beständigkeit gemacht werden.“

Das Leben von B. ist zudem besonders reich an paranormologischen Begebenheiten. In
seinen autobiografischen Aufzeichnungen, die er auf Anregung Pius’ IX. zu Papier brachte, steht, dass er mit neun Jahren in einem Traum eine Christusvision hatte, in der er den Auftrag erhielt, sich an die Spitze der Jugend zu stellen, und eine Erscheinung der Mutter Gottes, die ihm sein Arbeitsfeld zeigte und darauf hinwies, dass er zur rechten Zeit alles verstehen werde. Von seinen acht Prophezeiungen sollen sich sieben bereits verwirklicht haben, darunter jene der Flucht Pius’ IX. 1859 sowie die zum Tod des Eisenbahninspektors Buffa und eines gewissen Carlo Gastini. Don Giacomelli, seinem erkrankten Beichtvater, sagte er voraus, dass er ihn überleben und ihm in seiner Todesstunde beistehen werde. B. werden auch mehrere Wunder zugeschrieben. Ebenso eindrucksvoll sind die Erscheinungen der verstorbenen Studenten Luigi Comollo (1839) und Domenico Savio (1876). 

W.: Erinnerungen: autobiograph. Aufzeichn. über d. ersten 40 Jahre e. Lebens im Dienst an d. Jugend. Aus d. Ital. übers. von Anton Nosko u. Martin Haunolder. München: Don-Bosco-Verl., 1988; Erinnerungen an das Oratorium des hl. Franz von Sales von 1815 bis 1855. Einf. und Anm. von Antonio da Silva Ferreira. Aus dem Ital. übers. von Rainer Korte. [Hrsg. vom Institut für Salesianische Spiritualität, Pädagogik und Geschichte, Benediktbeuern]. München: Don Bosco, 2001.

Lit.: Valle, Paul: Bilder aus dem Leben und Wirken des ehrwürdigen Dieners Gottes Don Johannes Bosco. 2. u. 3. Aufl. München: Verl. d. Salesianer, 1925; Lemoyne, Johann Baptist: Der ehrwürdige Diener Gottes Don Johannes Bosco, Gründer der frommen Gesellschaft der Salesianer, des Instituts der Töchter Mariens, Hilfe der Christen, und der Salesianischen Mitarbeiter. Erste dt. Ausg. / Hrsg. von der Dt. Provinz der Salesianer Don Boscos. München: Salesianer, 1927.

Böse Geister, leiblose, intelligente, vernunftbegabte, unsterbliche Wesen mit negativen Absichten, die sich in der Natur, in den Lüften, auf der Erde, in Wohnungen, auf Friedhöfen, an negativen Orten der Kraft, in schwarzmagischen Gefilden, als Dämonen in unterirdischen Behausungen oder als gefallene Engel in der Hölle aufhalten. Sie gelten weithin als unsichtbar, können aber auf verschiedene Weise auch wahrgenommen, gehört, gerochen, gefühlt und erahnt, ja zuweilen unter vielerlei Gestalten, die sie für ihre Zwecke annehmen, sogar gesehen werden. Das Bewusstsein, dass Böses eine Folge von aktiv Handelnden ist, gibt es in allen Religionen und Kulturen.

Im > Zoroastrismus bilden die B. G. als > Daevas einen grundlegenden Teil des gesamten Systems.

Im > Hinduismus bedrohen B. G. und Dämonen das Leben der Menschen. Urrituale der Reinigung und Opferung sollen die Menschen von bösen Einflüssen und Bindungen befreien.

Auch im > Buddhismus gibt es B. G.., die den Menschen ärgern oder ihm übel mitspielen wollen. Sie haben keinen festen Wohnort, irren in der Gegend umher, stets auf der Suche nach Opfern. Durch Geschenke können sie kaum beeinflusst werden, da sie keinen Standort haben, an dem man die Gaben hinlegen könnte. Man kann aber einen guten Geist um seinen Schutz gegen sie anflehen. Einen solchen Schutz bieten auch geweihte Amulette oder Tätowierungen.

Im alten > Ägypten, wo Medizin, Magie und Religion eng miteinander verwoben waren, vertrieben die B. G. der kämpferische Gott > Bes sowie > Weihrauch und > Knoblauch.

Bei den Griechen beschreibt > Hesiod (etwa 700 v. Chr.) in seinem Hauptwerk Theogonie den Glauben an ganze Scharen und verschiedene Klassen von Dämonen als Zwischenwesen zwischen Göttern und Menschen. Sie umschweben den Menschen als quasi unsichtbare Wächter. In der irdischen Sphäre wirken sie als Natur- und Elementargeister, entweder als Wohltäter oder als Verderber.

Bei den > Römern finden sich die B. G. bei den > Lemuren, den Totengeistern, wo es neben den > Lares, den gutwilligen, die > Larvae, die bösen gibt. Diese treten nachts als Schreckgespenster auf und belästigen die Lebenden, weshalb man sich vor ihnen besser durch verschlossene Haustüren schützt. Zu ihrer Versöhnung wurden jeweils am 9., 11. und 13. Mai die > Lemuria gefeiert. An diesen Tagen blieben die Tempel geschlossen (Henrichs, Sp. 1450f.).

Im > Judentum leben die B. G. dem Alten Testament zufolge in der Wüste (Jes 14, 14), sie verbreiten Krankheit (Ps 91,6) und Wahnsinn (Sam 16, 14) und täuschen das Volk (1 Kön 22, 22). Der Talmud betont zwar, dass die babylonischen Vorstellungen über Dämonen in Israel nicht bekannt seien, doch fühlten sich die babylonischen Juden von ihnen umzingelt (B. Ber. 6a). Einzelheiten über dämonische Aktivitäten finden sich im gesamten Babylonischen Talmud. Auch die Kabbalisten lehrten, dass die Welt voller Dämonen sei, und versuchten eine systematische Dämonologie zu entwickeln.

Im > Christentum sind nach dem Neuen Testament alle Mächte Christus unterworfen (1 Kor 15, 20-28, Eph 1, 18-23), der auch Herr über die Dämonen ist (Mt 8,1.28-33; 9, 32-34; 15, 22-28). Dabei decken sich die Vorstellungen über die B. G. weitgehend mit den diesbezüglichen Glaubensvorstellungen bei den Juden. Allerdings ist der eigentliche Gegenspieler Jesu der > Teufel als > Antichrist. In der Folge werden zu den B. G. öfters auch Verstorbene gezählt, denen die Lebenden nicht die entsprechende Zuwendung zollten und die deshalb ruhelos umherirren. B. G. können, wie schon im Evangelium steht, von anderen Lebewesen und nicht zuletzt vom Menschen Besitz ergreifen, aber mittels > Exorzismus, Gebeten und anderen Ritualen ausgetrieben werden. Personen, die sich mit B. G. einlassen, laufen Gefahr, aus der Gemeinschaft ausgeschlossen oder gar hingerichtet zu werden, wie die > Hexenprozesse belegen.

Im > Islam enthält der Koran Aussagen, die das > Böse auf das Wirken der Teufel bzw. der > Djinn zurückführen. Der Teufel ist der Feind des Menschen (Sure 35, 6; vgl. 20 117; 2, 168). Die Art und Weise, wie Satan die Menschen verführt, ins Unglück stürzt und letztendlich zur Hölle geleitet, wird in plastischen Bildern beschrieben (Sure 7, 16-17). Allerdings hat Satan keine unmittelbare Wirkung auf den Menschen.

Die in den angeführten Religionen und Kulturen beschriebenen Vorstellungen von B. G. finden sich in mehr oder weniger ausgeprägter Form bei allen Natur- und Kulturvölkern, selbst in den aufgeklärtesten Ländern. Ihre Einwirkungen können folgendermaßen beschrieben werden:

Die B. G. treiben den Menschen an, Böses zu tun, halten ihn vom Guten ab, suchen den Geist zu täuschen, indem sie das Gute als böse und das Böse als gut darstellen. Dabei gehen sie mit Lüge, Betrug, Hinterlist und Falschheit vor. Durch Einflüsterung machen sie den Menschen selbstgefällig, hochmütig, trotzig, widerspenstig, rechthaberisch, hartnäckig, ungehorsam, eitel, stolz, rücksichtslos, heuchlerisch, ja teufelsähnlich. Sie beschäftigen den menschlichen Geist mit unnützen und überflüssigen Dingen, verdunkeln den Verstand und hinterlassen eine gewisse Unruhe, Dürre und Trübsinn.

Das Herz des Menschen machen sie hart, feindselig, unruhig und verzweifelnd. Sie regen die niederen Triebe des Menschen an und wo immer sie in seinem Innern eine Schwachstelle finden, greifen sie zu, um den Widerstand zu brechen und den Menschen zu umgarnen (> Umsessenheit) oder ganz zu besetzen (> Besessenheit).

Lit.: Hederich, Benjamin: Gründliches mythologisches Lexikon. Leipzig, Gleditsch, 1770; Cavendish, Richard: The Powers of Evil in Western Religion, Magic, and Folk Belief. New York: Putnam, 1975; Walker, D. P. (Daniel Pickering): Unclean Spirits: Possession and Exorcism in France and England in the Late Sixteenth and Early Seventeenth Centuries. Philadelphia, Pa.: University of Pennsylvania Press, 1981; Petersdorff, Egon von: Daemonen am Werk / zum Geleit, ein Wort von Romano Guardini. Presse-Urteil von Adolf Rodewyk. Kurzporträt des Autors von Gehrhard Fittkau. Satanismus heute von Joseph Schumacher. Die Überwindung Satans von Papst Johannes Paul II. 3. Aufl., aktualisierte Neuaufl. Stein am Rhein: Christiana-Verl, 1995; Der Koran: erschlossen und kommentiert von Adel Theodor Khoury. Düsseldorf: Patmos, 2005.

Böse Ratgeber, verräterische Diener und verwandte Gestalten. Sie spielten in der germanischen und keltischen Heldensage eine große Rolle. Prototypen waren der Bikki des Gotenkönigs Jörmunrek und der Bricriu der irischen Heldensage.

Lit.: Holzapfel, Otto: Lexikon der abendländischen Mythologie. Sonderausg. Freiburg; Basel: Herder, 2002.

Böse, das, Gegenpol des Guten. Darunter ist im weitesten Sinn alles Negative zu verstehen, wie Leid, Krankheit, Tod, Verderben, Schuld, Krieg sowie moralisch verwerfliche Gesinnung und Handlung. In engerem Sinn ist das B. das, was sich Gott und der Natur entgegenstellt. Die Frage, warum es nicht nur das Gute, sondern auch das B. gibt, kann weder philosophisch oder psychologisch noch soziologisch beantwortet werden. Theologisch wird auf die Folgen der Erbsünde verwiesen, die den Zustand des Paradieses zerstörte. Überwunden kann das B. nur in der Einzelperson werden, durch die Einheit mit Gott und ein Leben nach dem Plan Gottes und nach der Ordnung der Natur.

Das Auftreten des B. wird mit der Bosheit der Menschen bis hin zur Besessenheit und schwarzen Magie, mit negativen magischen Kräften sowie mit der Macht und dem Einfluss des Teufels in Verbindung gebracht. Dabei werden das B., das Widrige, das Unheilbringende, und der B., der > Teufel, in einen engen Zusammenhang gestellt, der je nach Kultur und Religion besondere Formen aufweist. Der > Böse Blick, der > Fluch, der > Schadenzauber, der > Teufelspakt und die Freude am B. in Form von > Schadenfreude sind weitverbreitete Verhaltensformen im Umkreis des B.

Lit.: Szondi, Leopold: Kain, Gestalten des Bösen. Bern; Stuttgart: Huber, 1978; Welte, Bernhard: Über das Böse: e. thomist. Unters. Mit e. Einf. von Bernhard Casper. Freiburg i. Br.: Herder, 1986; Ricoeur, Paul: Symbolik des Bösen. Freiburg i. Br.: Alber, 1988; Bründl, Jürgen: Masken des Bösen: eine Theologie des Teufels. Würzburg: Echter, 2002; Das Böse / Humboldt-Studienzentrum, Universität Ulm. Mit Beitr. von Regina Ammicht Quinn …. Ulm: Humboldt-Studienzentrum, 2003; Staguhn, Gerhard: Wenn Gott gut ist, warum gibt es dann das Böse in der Welt? Fragen an die Religion. München: Hanser, 2006; Berger, Klaus (Hrsg.): Das Böse und die Sprachlosigkeit der Theologie. Regensburg: Pustet, 2007; Claret, Bernd J. (Hrsg.): Theodizee: das Böse in der Welt. Darmstadt: Wiss. Buchges. [Abt. Verl.], 2007; Kiowsky, Hellmuth: Die Urkraft des Bösen: das Böse – ein notwendiger Faktor im Weltgeschehen? Herbolzheim, Br.: Centaurus, 2008.

Bose, Sir Jagadish Chandra (*30.11.1858 Maimansingh, Bengalen, heute Bangladesch; † 23.11.1937 Giridih, Bengalen, heute Indien), weltberühmter indischer Physiker, Pflanzenphysiologe und Radio-Pionier.

Mit neun Jahren wurde B. nach Kolkata in die Schule geschickt, wo er 1877 seine Ausbildung abschloss. 1880 begann er ein Medizinstudium in London, das er aber wegen Malaria abbrechen musste. In den Folgejahren studierte er im Christ’s College in Cambridge Physik. Nach Kolkata zurückgekehrt, erhielt B. eine Anstellung als Physikprofessor am Presidency College, University of Calcutta, wo er die folgenden 30 Jahre unterrichtete und forschte. Unter seinen Schülern befand sich auch Satyendranath Bose, bekannt durch die Bose-Einstein-Statistik. Von 1894 bis 1900, noch bevor Guglielmo Marconi auf diesem Gebiet Berühmtheit erlangte, gab B. einige wichtige Publikationen über elektromagnetische Wellen heraus, demonstrierte 1894 die Fernwirkung derselben und wurde damit zum Pionier des Radios. B. interessierte sich jedoch nicht nur für Schallübertragung, sondern auch für die Auswirkungen jeglicher Form elektromagnetischer Wellen auf Lebewesen, insbesondere auf Pflanzen, und führte hierzu eine Vielzahl von Experimenten durch. Er beschäftigte sich vor allem mit der Strömungsgeschwindigkeit des Protoplasmas in der Pflanze unter verschiedenen Umweltbedingungen. Aufgrund dieser Untersuchungen stellte er die These auf, dass die Reaktionen bei den Pflanzen den nervösen Reaktionen der Tiere vergleichbar seien und dass zwischen Leben und angeblich toter Materie keine so großen Unterschiede bestünden. Sogar Steine sollen einen gewissen Grad von Leben haben. Mit seinen Pflanzenexperimenten wurde B. zum Vorreiter einiger neuerer Experimentatoren auf diesem Gebiet, wie Cleve > Backster.

Nach seiner Pensionierung 1915 gründete B. in Kolkata das Bose-Institut, das erste Forschungsinstitut Indiens, das am 30. November 1917 eingeweiht wurde. Das Magazin Nature veröffentlichte 27 seiner Publikationen.

W.: Response in the Living and Non-Living (1902); Plant Response as a Means of Physiological Investigation (1906); Researches in Irritability of Plants (1913), The Physiology of the Ascent of Sap (1923), dt.: Die Physiologie des Saftsteigens. Jena: Fischer, 1925; The Physiology of Photosynthesis (1924); The Nervous Mechanism of Plants (1926); Plant Autographs & Their Revelations (1927); Motor Mechanisms of Plants (1928); Growth and Tropic Move­ments of Plants (1929).

Lit.: Geddes, Patrick: Leben und Werk von Sir Jagadis C. Bose, M. A., D. S. C., LL. D., F. R. S., C. S. J., C. J. E., Mitglied der internationalen Vereinigung für intellektuelle Zusammenarbeit, Gründer und Direktor des Bose-Institutes in Calcutta. Erlenbach-Zürich: Kotzfel-Verlag, 1930.

Böser Blick (engl. evil eye; it. malocchio), > Schadenzauber durch Anblicken. Die Meinung, dass durch den gezielten, mit Bosheit beladenen Blick Menschen, Tieren und Gegenständen Schaden zugefügt werden kann, ist weltweit verbreitet. Bestimmte Menschen seien dazu besonders befähigt. Der Blick wirke automatisch.

Geschichte

Der Glaube an den B. B. findet sich bereits in der Antike. In > Ägypten gehörte er zum Volksglauben. Dies geht schon aus dem Schutzmittel hervor, das in den Pyramidentexten (1266) in den „zwei bösen Augen“ bezeugt ist, die mit ihrem erstarrten Blick den Türverschluss sichern. Seit etwa 800 v. Chr. sind die Zeugnisse in meist weiblichen Namen, die z. T. im Koptischen noch fortleben, zu finden (Spiegelberg). In der Bibliothek des Tempels von Edfu wurden Sprüche zur Vermeidung des B. B. verwahrt (Brugsch).

Ebenso ist in den alten Inschriften aus Babylon, Assyrien und Mexiko, in den indischen Veden, im persischen Avesta, in der Edda und in den nordischen Sagas davon die Rede. Auch die Werke vieler Klassiker, so Herodot, Horaz, Ovid, Vergil, Plutarch und Plinius, befassen sich damit, wenngleich sich die Definitionen, was am Blick „böse“ ist, von Ort zu Ort unterscheiden. Die Südslawen erzählen von Geistern, Urok genannt, die überall herumlungern und bloß darauf warten, dass sie ein Mensch mit dem B. B. anzieht, um dann sogleich über das ahnungslose Opfer herzufallen.

Im > Islam kann sich der B. B. (ayn) sogar auswirken, ohne dass die Person, die ihn besitzt, die Absicht hat, zu schaden. Besonders gefährdet seien Kinder, Schwangere und Bräute (Sure 113, 5). Als Ursache sieht man den Neid, der sich in Worten oder Blicken ausdrücke. Deshalb wurde von Muhammad als eine der wirksamsten Gegenmaßnahmen das Rezitieren der Suren 113 und 114 empfohlen. Vom orthodoxen Islam wird die ganze Vorstellung missbilligt, weil sie die absolute Vollmacht Gottes umgehe, aber nicht auszurotten sei. Die vorislamischen Araber sahen im Blick des Auges übernatürliche, unheilvolle Kräfte (Kriss).

Der britische Dämonologe William > Perkins (1555 – 1602), berichtet in seinem Discourse of the Damned Art of Witchcraft (1608), dass es eine alte, allgemein anerkannte Meinung sei, dass aus den Augen boshafter und übel gesinnter Menschen mittels Strahlen schädliche und bösartige Geister hervorkommen, welche die Luft verpesten und nicht nur jene vergiften und töten, denen sie täglich begegnen, sondern auch andere, deren Geschäfte sie oft suchen – gleich, wie stark, welchen Alters und Aussehens sie auch sein mögen.

Kennzeichen

Die Kennzeichnung der Träger des B. B. erfolgt nach bestimmten Merkmalen. Jeder, der schielte oder sonst einen auffälligen Blick hatte, konnte wegen Behexens mit dem B. B. angeklagt werden. Bis heute stehen in der Schweiz, in Schottland, Irland, Palästina und Japan ganze Familien in diesem Ruf. Alte Weiber, Hebammen, Prostituierte und Bettler sind ebenso gefürchtet wie Berserker, Gelehrte, Ärzte und Priester. Auch Päpste wurden des B. B. beschuldigt, etwa Pius IX. und Leo XIII., desgleichen König Ludwig XIV. von Frankreich und der deutsche Kaiser Wilhelm II. In den Mittelmeerländern werden häufig Leute mit blauen Augen verdächtigt, während in Nordeuropa die Dunkeläugigen Argwohn erregen. Auch Zigeunern und Wahrsagern wird eine solche Fähigkeit nachgesagt. In den 1930er Jahren wurde dem spanischen König Alfons XIII., der 1931 ins Exil ging, nachgesagt, dass er seine Feinde schädigen könne, indem er ihnen einfach den B. B. schicke.

In besonderen Fällen bedient man sich zur genaueren Diagnose einer Reihe magischer Prozeduren oder ruft das Orakel an.

Wirkung

Was die Auswirkungen des B. B. betrifft, so soll es nur wenige Menschen geben, die dagegen immun sind, denn die Kraft des B. B., die aus den Augen kommt, sei von großer Mächtigkeit. Pflanzen gehen ein oder liefern bittere bzw. ungenießbare Früchte. Alle Arbeit, auf der er ruht, missrät. Steine beginnen zu springen, Quellen versiegen, die Erde fängt an zu beben, kurz: die ganze Natur ist ihm untertan. Außer Menschen sind es Dämonen, Riesen, Zwerge, Tote, ja sogar Statuen und Bilder, denen der B. B. zugeschrieben wird.

Heilung und Schutz

Zur > Heilung einer Krankheit, die durch den B. B. verursacht wird, gibt es unzählige Mittel (HdA, Sp. 689). Durch ihn Getötete werden verbrannt, um die Einwirkung zu vernichten und den Täter zu treffen.

Schutz vor dem B. B. sollen glänzende > Amulette bieten, welche die Aufmerksamkeit auf sich lenken. Als Amulette verwendet man auch Korallenstücke, rote Bänder und Halsketten aus Blättern des Zehrkrautes, des > Bittersüßen Nachtschattens, des Waldnachtschattens oder Ketten aus blauen Perlen. Auch mit Inschriften versehene Ringe, Kirchenglocken, Hufeisen und halbmondförmige Symbole dienen der Abwehr.

Ein besonderes Mittel gegen den B. B. ist die > Hexenflasche, die aus einem Topf oder Kessel besteht. Sie wird mit Urin, Blut, Fingernägeln oder Haaren des Opfers angefüllt und um Mitternacht auf dem Herdfeuer erhitzt. Oder man zerkratzt die Stirn des Täters, um mit dem herausfließenden Blut den Fluch aufzuheben. Andere Abwehrmittel sind dreimaliges Anspucken, Abknicken von Ring- und Zeigefinger über den Daumen in die Handfläche (digitus infamis, „schamloser Finger“). Der Täter darf diese Geste jedoch nicht merken, daher steckt man die Hand in die Tasche. Eine andere Gegenmaßnahme ist das Tragen einer Kordelschnur, die man beim Hersagen von Namen der Macht mit Knoten versehen hat (> Knotenzauber). Oder man ruft Geister an, die gute Dienste leisten, bzw. setzt die Wirkung von Heiligenbildern, geweihten Gegenständen, Gebeten und kraftvollen, segensreichen Worten ein.

Lit.: Kriss, Rudolf: Volksglaube im Bereich des Islam. Wiesbaden: Harrassowitz, 1960; Hauschild, Thomas: Der böse Blick: ideengeschichtl. u. sozialpsycholog. Unters. Hamburg: Arbeitskreis Ethnomed., 1979; Seligmann, Siegfried: Der böse Blick und Verwandtes: e. Beitr. zur Geschichte d. Aberglaubens aller Zeiten u. Völker; 2 Bde. in e. Bd. Hildesheim [u. a.]: Olms, 1985; Bächtold-Stäubli, Hanns (Hg): Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens (HdA). Bd. 1. Berlin: Walter de Gruyter, 1987; Larsson, Björn: Der böse Blick. München: Goldmann, 2003.

Böses Auge > Böser Blick.

Bosheitszauber > Schadenzauber.

Boshintoj, Gott der Metallurgie. Ein alter Mythos der Burjäten in Sibirien berichtet von der unseligen Zeit, als die Menschen noch ohne Kenntnis des Eisens ihr Leben fristen mussten. Da beschlossen eines Tages die guten Geister, den Gott B. und seine neun Söhne zur Erde hinabzusenden, um die Menschen die Metallurgie zu lehren. Der Gott selbst kehrte bald darauf in den Himmel zurück, seine Söhne jedoch blieben auf der Erde. Sie heirateten dort Erdentöchter und wurden so die Ahnherren der Schmiede, und niemand konnte Schmied werden, wenn er nicht von einer dieser Familien abstammte.

Die neun Göttersöhne sind alle mit individuellen Namen benannt; sie sind die Schutzheiligen der Schmiedewerkzeuge. Ihnen zu Ehren finden regelmäßig Weihefeste statt.

Lit.: Eliade, Mircea: Schamanismus und archaische Ekstasetechnik. Zürich: Rasche, 1957; Lips, Julius: Vom Ursprung der Dinge: eine Kulturgeschichte d. Menschen. Aus d. Engl. übers. u. ill. von Eva Lips. Leipzig: Volk u. Buch Verl., 1951.

Botanomantie (griech., Pflanzenwahrsagung; engl. botanomancy, it. botanomanzia), Wahrsagen mittels Pflanzen, insbesondere mittels Kräutern. Dabei gibt es eine Unzahl von Varianten. Man schreibt z. B. den Namen des Fragenden mit der Frage auf ein Kräuterblatt, benetzt dieses und zieht aus dem raschen oder langsamen Trocknen entsprechende Schlüsse. Oder man schreibt Buchstaben auf Kräuterblätter, lässt diese zu Boden fallen und deutet die entstandene Buchstabenkonstellation. Auch das > Blumenzupforakel ist hier zu nennen. > Daphnomantie, > Phyllomantie, > Sykomantie.

Lit.: Schrödter, Willy: Pflanzen-Geheimnisse. Warpke-Billerbeck (Hann.): Baumgartner-Verlag, 1957; Bächtold-Stäubli, Hanns (Hg): Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens (HdA). Bd. 1. Berlin: Walter de Gruyter, 1987.

Botarel, Moshe Ben Yitzchak

(ca. 1390 – 1440), spanischer Kabbalist, der wegen seines Kommentars zu > Sefer Yezirah berühmt wurde.

Lit.: Sefer Yetsirah: ’im hamishah perushim. Grodno, 1806.

Bötekunst (von der dt. Mundart „böten“: entbieten, ein Gebot ausrichten), Besprechungs- und Segensprechkunst. Das Segensprechen spielte im religiösen Volksglauben eine besondere Rolle. Wenngleich weithin christlich verstanden, nahm es oft magische Züge an. Der Segen musste richtig gesprochen werden, um zu wirken, wobei man nicht selten Besprechungsformeln aufsetzte, die sich weitgehend mit > Zauberformeln überschnitten, sofern diese als > Heilzauber gebraucht wurden: „Das Böten war … die eingebildete Kunst, Krankheiten, namentlich alle Arten von Fieber, die Gicht, Wunden, Blutflüsse etc. durch bloße geheimnisvolle Worte, ohne Gebrauch äußerer Hilfsmittel, zu heilen“ (Ersch-Gruber, S, 290). Dahinter steckt die Anschauung, dass gewisse Krankheiten von Dämonen hervorgerufen werden. Durch dreimaliges Wiederholen soll die Wirkung noch verstärkt werden.

Lit.: Allgemeine Enzyklopädie der Wissenschaften und Künste / J. S. Ersch; J. G. Gruber. Graz: ADEVA, 1818 – 1889 (168 Bde.), Bd. 9.

Botenstab (engl. message stick), 20 bis 60 cm lange Holzstäbe unterschiedlicher Form, die von den australischen > Aborigines bemalt oder mit Kerben versehen werden, um beim Überbringen von Nachrichten als Gedächtnisstütze zu dienen. Die Stäbe dienen auch als Ausweis beim Überschreiten fremder Territorien. Die eingeschnittenen Zeichen oder Bemalungen bilden eine nicht allen Mitgliedern der betreffenden Stämme bekannte > Geheimschrift.

Lit.: Frank, M.: Botenstäbe in Australien. In: Zeitschrift für Ethnologie 52 (1940); Numelien, R.: Native Contacts and Diplomacy: The History of Intertribal Relations in Australia and Oceania. In: Commentationes Humanorum Litterarum 41 (1967) 1.

Botin, Hieronymus (*1358 Cahors; † 1420 St. Germain-des-Prés, Frankreich), Benediktiner, der wegen seiner wissenschaftlichen Leistungen, seines heiligmäßigen Lebens und seiner > Prophezeiungen hoch angesehen war. Einige seiner Prophezeiungen sollen bereits in Erfüllung gegangen sein. Für die Endzeit machte er folgende Aussagen: unzählige Heimsuchungen; Zerstörung des modernen Babylon; Läuterung der Guten; ein neuer Papst, der von den Fürsten und Völkern geehrt wird; allgemeiner Friede.

Lit.: Curicque, J. M.: Voix prophétiques ou précis des apparitions et des prédictions les plus célèbres depuis le XIIe siècle jusqu’à nos jours. Luxembourg: Bruck P., 1870.

Botis, > Dämon in Gestalt einer Schlange, der aber auch als Mensch mit großen Zähnen, und einem scharfen Schwert auftreten kann. Er kennt Vergangenheit und Zukunft und versöhnt verfeindete Menschen miteinander.

Lit.: Wierus, Joannes: Ioannis Wieri De Praestigiis Daemonum, et in cantationibus ac veneficiis: Libri sex; Acc. Liber apologeticus, et pseudomonarchia daemonum; Cum rerum ac verborum copioso indice. Postrema editione quinta aucti & recogniti. Basileae: Oporinus, 1577.

Botoque, Kulturheros der Kayapo in den brasilianischen Regenwäldern. Er überbrachte der Menschheit das Wissen um die Kulturtechniken, die ihn der Legende nach ein Jaguar lehrte.

Lit.: Jones, David M.: Die Mythologie der Neuen Welt: die Enzyklopädie über Götter, Geister und mythische Stätten in Nord-, Meso- und Südamerika. Reichelsheim: Edition XXV, 2002.

Botschaften an der Wand. Von den zahlreichen Geisterbotschaften, die weit in die Geschichte zurückreichen, ist jene, die während eines Gastmahls des babylonischen Königs > Belschazzar an der Wand entstand, die bekannteste. Belschazzar (Bel-Scharra-Usur, „Bel beschütze den König“) führte zwischen 553 und 543 v. Chr. anstelle seines Vaters Nabonid die Regierungsgeschäfte. Das Buch Daniel berichtet in 5, 1-28 ausführlich über die Begebenheit:

4  Sie tranken Wein und lobten die Götter aus Gold und Silber, aus Bronze, Eisen, Holz und Stein. 5  In derselben Stunde erschienen die Finger einer Menschenhand und schrieben gegenüber dem Leuchter etwas auf die weißgetünchte Wand des königlichen Palastes. Der König sah den Rücken der Hand, als sie schrieb. 6  Da erbleichte er, und seine Gedanken erschreckten ihn. Seine Glieder wurden schwach, und ihm schlotterten die Knie“ (Dan 5, 4-6).

Die geisterhafte Hand schrieb die aramäischen Worte Mene mene tekel ufarsin. Der König ließ die Wahrsager und Astrologen holen, doch nur der Jude Daniel konnte die Schrift deuten: Mene: Gott hat dein Königreich gezählt und vollendet; tekel: Du bist gewogen und zu leicht befunden; ufarsin: Dein Königreich ist zerteilt und den Medern und Persern gegeben. Belschazzar machte Daniel zum dritten Mann im Reich, starb aber noch in derselben Nacht. Das Reich übernahmen die Meder unter Darius.

Das Thema wurde vielfach aufgegriffen, so von Heinrich Heine in einer Ballade, von Rembrandt in einem Gemälde, von Händel in einem Oratorium, von Rossini in einer Oper, bis hin zur drängenden Mahnung: „Hüte dich vor der Titanic“, die einen Passagier veranlasste, den Dampfer zu meiden (Tweedale).

Lit.: Tweedale, Charles Lakeman: Man’s Survival After Death, or, The Other Side of Life: In the Light of Scripture, Human Experience, and Modern Research. London: Grant Richards, Ltd., 1920; Xenophon: Kyropädie. Paderborn: Schöningh, 1937; Beaulieu, Paul-Alain: The Reign of Nabonidus, King of Babylon 556 –539 B. C. New Haven [u. a.]: Yale Univ. Press, 1989.

Botschaften, verteilte > Kreuzkorrespondenz.

Bottazzi, Filippo (*23.12.1867 Apulien, Italien; † 19.12.1941), Professor für Physiologie und Direktor des Physiologischen Instituts der Universität Neapel. B. studierte in Rom, promovierte 1893 in Medizin und wurde ein Pionier der 1901 gegründeten Gesellschaft für Psychische Studien (Società di Studi Psichici). 1907 hielt er Sitzungen mit Eusapia > Palladino ab. Die in Gegenwart der Professoren De Amicis, Scarpa und Pansini gebotenen Manifestationen wurden von B. instrumentell kontrolliert. Er überzeugte sich von der Echtheit der physikalischen Phänomene und erklärte: „Die Sicherheit, die wir erlangt haben, ist von jener Qualität, die wir beim Studium chemischer, physikalischer und physiologischer Fakten erlangen.“ Zwei Jahre später veröffentliche er die Ergebnisse in Fenomeni Medianici (Mediale Phänomene).

Später unterrichtete B. Wissenschaftsgeschichte an der Universität Cambridge und führte bis zu seinem Tod zahlreiche Studien zu > Leonardo da Vinci durch.

W.: Sulla ritmicità del moto del cuore e sulle Sue cause: Del ritmo nei fenomeni biologici. Firenze: Laboratorio di fisiologia, 1897; Fenomeni medianici: osservati in una serie di sedute fatte con Eusapia Paladino Napoli, 1909.

Lit.: Gillispie, Charles Goulston, ed. Dictionary of Scientific Biography. 16 vols. New York: Scribner, 1970 – 80.

Böttger, Johann Friedrich (*4.02.1682 Schleiz; † 13.03.1719 vermutl. Dresden), deutscher Alchemist und mit Ehrenfried Walther von Tschirnhaus Erfinder des europäischen Porzellans.

B. ging als Zwölfjähriger zum Apotheker Zorn nach Berlin in die Lehre und wurde dort von einem anderen Lehrling in die > Alchemie eingeweiht. Nächtelang vertiefte er sich in alchemistische Schriften und kam bald in den Ruf, unedle Metalle in Gold zu verwandeln. Vor dem verschwenderischen Preußenkönig Friedrich I., der ihn in seine Dienste nehmen wollte, flüchtete er nach Sachsen, wo ihn aber August der Starke in die Pflicht nahm. Da die Umwandlung in Gold ausblieb, drohte ihm der Kurfürst sogar mit dem Tode. In dieser Situation wandte sich B. auf den Rat des Gelehrten Tschirnhaus hin einem anderen gefragten Stoff, dem Porzellan, zu. 1704 stellte sich ein erster Erfolg ein und 1706 gelang B. zusammen mit Tschirnhaus und Gottfried Pabst von Ohain im Labor in Dresden die Herstellung von Jaspisporzellan, einem ziegelroten Steinzeug, das später als „Böttgersteinzeug“ bekannt wurde. 1707 konnte schließlich mit weißer Kaolinerde auch weißes Porzellan hergestellt werden, ein Material, das damals mit Gold aufgewogen wurde. Am 15. Januar 1708 gelang erstmals das Brennen von weißem Porzellan, das die technischen, funktionellen und ästhetischen Anforderungen erfüllte. Im darauffolgenden Oktober starb Tschirnhaus und so musste B. die Vorbereitung zur Inbetriebnahme der heute in aller Welt berühmten Meißner Porzellanmanufaktur am 23. Januar 1710 auf sich nehmen. Er wurde nun auch mit der Leitung der Forschung und der Manufaktur betraut, die 1710 den Betrieb aufnahm.

Am 19. April 1714 konnte B. schließlich auch seine bis dahin andauernde Haft verlassen, musste aber zur Wahrung des Geheimnisses der Porzellanherstellung in Sachsen bleiben. 

Er nahm nun erneut seine Arbeiten zur Goldherstellung auf und gewann August den Starken als Unterstützer. B. starb jedoch bereits am 13. März 1719 im Alter von nur 34 Jahren.

Lit.: Kalkschmidt, Eugen: Der Goldmacher Joh. Fr. Böttger und die Erfindung des europäischen Porzellans. Stuttgart: Dieck, 61926; Oppeln-Bronikowski, Friedrich von: Abenteurer am preussischen Hofe 1700 – 1800. Berlin; Leipzig: Paetel, 1927; Hoffmann, Klaus: Johann Friedrich Böttger: vom Alchemistengold zum weissen Porzellan; Biographie. Berlin: Verl. Neues Leben, 1986; Gleeson, Janet: Das weiße Gold von Meißen. München: Heyne, 1999.

Botticelli, Sandro, eig. Alessandro di Mari-
ano Filipepi (*1445 Florenz, † 17.05.1510), Maler und einer der führenden Künstler der Renaissance. In jungen Jahren kam er zu einem Goldschmied in die Lehre, der sein ungewöhnliches malerisches Talent entdeckte. So wurde er 1464 Schüler von Fra Filippo Lippi, eines bedeutenden Vertreters der florentinischen Frührenaissance, und später von Andrea del Verrocchio bzw. insbesondere von Antonio del Pollaiuolo beeinflusst. Aufgrund seiner hervorragenden Arbeiten wurde B. rasch bekannt und eröffnete 1470 eine eigene Werkstadt, in der er nahezu sein ganzes Leben verbrachte. Die enge Verbindung mit dem Haus Medici und anderen reichen Florentiner Familien brachte ihm viele Aufträge. Durch seine mystisch gestimmte Frömmigkeit wurde er zum Anhänger des Dominikaners Savonarola. Aus diesem Spannungsfeld von Mystik und Mythologie entstanden seine zahlreichen Werke, die in die Geschichte eingingen. Zu den heidnisch-mythologischen Werken zählen der
Frühling (um 1477) mit der Venus als Symbol der Humanität in der Mitte; die Geburt der Venus (1482) als die Geburt der Schönheit aus der Vereinigung mit der Materie; Pallas Athene bändigt den Kentauren als Symbol für die Beherrschung der Triebe durch die Vernunft. In diesem Zusammenhang ist auch sein Bilderzyklus zu Dantes Göttlicher Komödie zu nennen. 

Neben den mythologischen Bildern schuf B. eine Reihe religiöser Werke, so die Madonna mit dem Granatapfel als Sinnbild des durch Christus geschenkten Lebens, die Madonna mit Lilien als Hinweis auf die Jungfräulichkeit, die Trinität.

Von 1481 bis 1489 arbeitete B. mit den Meistermalern Domenico Ghirlandaio, Pietro Perugino und Cosimo Rosselli in Rom an der Sixtinischen Kapelle.

Lit.: Sandro Botticelli. Ouvrage illustre de 25 planches en couleurs tirees hors texte. Paris: Hachette 1913; Sandro Botticelli: der Bilderzyklus zu Dantes göttlicher Komödie; [dieser Katalog erscheint als Originalausgabe zur ersten Station der Ausstellung „Sandro Botticelli. Der Bilderzyklus zu Dantes Göttlicher Komödie. Eine Werkschau von Zeichnungen Botticellis, Malerei und Illuminierten Handschriften der Renaissance“ des Kupferstichkabinetts. Berlin: Ausstellungshallen am Kulturforum Berlin, 15. April – 18. Juni 2000; Zöllner, Frank: Sandro Botticelli. München [u. a.]: Prestel, 2005.

Boucan, rituelles Feuer, das > Wodu-Praktizierende in der Nacht kurz vor Anbruch des neuen Jahres entzünden, um die Sonne wieder „in Brand“ zu setzen. 

Lit.: Lurker, Manfred: Lexikon der Götter und Dämonen: Namen, Funktionen, Symbole. Stuttgart: Kröner, 1989.

Boullan, Joseph Antoine (*18.02.1824 Saint-Porquier; † 4.01.1893 Lyon), exkommunizierter katholischer Priester. B. wurde am 12. September 1848 zum Priester geweiht und wirkte zunächst in der Seelsorge. 1850 ging er nach Rom, wo er zum Doktor der Theologie promovierte und der Kongregation vom Kostbaren Blut beitrat. Ab 1853 schloss er sich der Elsässischen Mission, dem „Maison des Trois Epis“, an. 1854 zerwarf er sich mit der Kongregation in Rom wegen seiner sektiererischen Tätigkeit im Elsass. Als ein besonderer Vertreter von Mystik und Marienverehrung setzte er sich in der Folge dafür ein, das Wunder von > La Salette, das sich 1846 ereignete, einem breiten Publikum bekannt zu machen. Dabei lernte er am 14. März 1856 die belgische Nonne Adèle > Chevalier kennen. Diese galt als religiös-spiritistische Visionärin, deren Eingebungen „übernatürlichen Stimmen“ entstammen sollten. B. suchte nun das junge Mädchen für seine leiblichen und spirituellen Bedürfnisse auszunützen, gründete mit ihr den Orden Les Péres de la Réparation und strebte die kirchliche Anerkennung an, die ihm jedoch verwehrt wurde.

Im Mittelpunkt seines pseudoreligiösen Rituals stand zwar der Gottesdienst nach der katholischen Messe, jedoch mit stark sexualmagischen Zügen. So verkehrte B. dabei nackt mit der Nonne auf dem Altar. Diese sog. > Schwarzen Messen erfreuten sich in den gehobenen Kreisen von Paris einer gewissen Beliebtheit. B. und seine Anhänger glaubten, dass die Menschen seit dem Sündenfall Adam und Evas nur durch geschlechtlichen Verkehr mit höheren himmlischen Wesen, wie Engeln, Erzengeln und Heiligen, erlöst werden könnten. Der Skandal wurde perfekt, als am 8. November 1860 die wahrscheinlich von B. geschwängerte Adèle eine Totgeburt erlitt. B. behauptete allerdings, dies sei die Frucht eines teuflischen Inkubus gewesen. Der Vorwurf, dass er während der Messe am 8. Dezember 1860 ein Kind geopfert habe, konnte vom Gericht nicht nachgewiesen werden. Dennoch wurden B. und Adèle zu drei Jahren Haft verurteilt. Im Anschluss daran ging B. nach Rom, wo er für einige Monate im Sanctum Officium eingesperrt wurde. Hier schrieb er sein Schuldbekenntnis, das der französische Schriftsteller Joris-Karl > Huysmans teilweise literarisch auswertete. 1930 wurde das Schuldbekenntnis als sog. „rosa Heft“ der Vatikan-Bibliothek übergeben.

Voller Enttäuschung nach Frankreich zurückgekehrt, arbeitete B. an der Zeitschrift Les Annales de la Sainteté du XIXe Siècle für die religiös-mystische Erneuerung mit und übernahm später Redaktion und Direktion des Blattes. 1869 gründete er das „Oeuvre de Marie“ (Marienwerk) zum Kampf gegen die Ungläubigkeit und die dunklen Mächte, deren Hauptrepräsentant nach B. der Ex-
Priester Eliphas > Lévi war und die von ihm beeinflussten Rosenkreuzer „zur linken Hand“ unter Stanislas Marquis de > Guaïta. Doch nahmen auch seine Praktiken im „Marienwerk“ eigenartige Formen an , vor allem bei Nonnenklöstern. Durch „astrale“ Sexualität und „übersinnliche Kontaktnahme“ versuchte er, seine Schäfchen zu betreuen. 1875 wurde B. vom Erzbischof von Paris zu sich gerufen, der umgehend Rom informierte. B. wurde daraufhin exkommuniziert. Nach einer anderen Version sei er am 1. Juli 1875 aus der Kirche ausgetreten. Huysmans hat diese Exkommunikation in seinem Roman
Là bas dargestellt.

B. entdeckte nun eine Geistesverwandtschaft seiner Lehre mit der des exkommunizierten Priesters Pierre > Vintras, den er mehrmals aufsuchte. Dieser blieb jedoch reserviert; er starb am 7. Dezember 1975. B. beeilte sich nun, in Lyon mit dessen ehemaligen Schülern in Verbindung zu treten. In der von Vintras gegründeten und bereits 1848 vom Papst verurteilten satanistischen Carmel-Kirche in Lyon behauptete B., dass er von der Himmelsmacht unter dem „Nomen mysticum Élie Jean-Baptiste“ zum Nachfolger von Pierre-Michel-Élie Eugène (= Vintras) auserkoren sei. Der Großteil der Mitglieder Vintras’ lehnten ihn ab, doch gelang es ihm, zehn „Familien“ des Lyoner Carmel für sich zu gewinnen und Reste der begehrten Wunderhostien zu erhalten. Ab 1875 nannte sich B. Élie. Er wurde sodann von den Konkurrenzokkultisten scharf kritisiert und am 24. Mai 1887 vom Tribunal des Pariser Okkultistenverbandes angeblich zum „magischen Tod“ verurteilt. Jedenfalls fühlte er sich von ihnen durch > schwarze Magie zum Sterben verflucht.

Lit.: Encausse, Philippe: Sciences occultes et déséquilibre mental. Paris: Editions Pythagore, 1935; Frick, Karl R. H.: Die Satanisten: Materialien zur Geschichte der Anhänger des Satanismus und ihrer Gegner. Graz: ADEVA, 1985, S. 163 – 173; King, Francis: Sexuality, Magic and Perversion. London: Spearman, 1971; Huysmans, Joris-Karl: Tief unten. Zürich: Diogenes, 1987; ders.: Là bas. Paris: Flammarion, 1997.

Bouly, Alexis Timothée (1865 – 1958), Pfarrer in Hardelot-Plage (Pas-de-Calais), Frankreich, prägte 1890 anlässlich der Gründung des Vereins der Freunde der Radiästhesie, den Begriff > Radiästhesie (lat. radius, „Strahl“, griech. aisthanomai, wahrnehmen). 1922 wurde der Begriff von der „Französischen und internationalen Gesellschaft für Radiästhesie“ offiziell anerkannt. B. war ein so erfolgreicher Radiästhet, dass er auch nach Belgien, Portugal, Polen und Rumänien gerufen wurde.

Lit.: Bouly, Alexis Timothée: La Radiesthésie ou comment devenir expert dans l’art de capter les ondes d’après la méthode de M. l’abbé Bouly, résumé des théories de M. l’abbé Bouly… sur la manière de trouver l’eau, les métaux, les microbes, à l’aide d’une baguette. Paris: impr. Martet, ca. 1931.

Bouquillon, Bertina (1800 –1850), stigmatisierte Dominikanerin. Geboren im Februar 1800 zu Saint Omer, Frankreich, legte sie dort im Spital Saint Louis als Hospitalschwester die Gelübde ab. Mit 22 Jahren hatte B. während einer Krankheit Erscheinungen einer verstorbenen Mitschwester, für deren Befreiung aus dem Fegefeuer sie „Schmerzen“ übernahm. Kurz darauf kündigte B. ihre > Stigmatisation an. Am 30. September tropfte Blut von ihren Händen, am 1. Oktober erschienen die Stigmen an Händen und Füßen, am 2. Oktober blutete die Seite, am 3. Oktober sah man einen Kranz von Blutstropfen im Fingerabstand an ihrem Kopf. Das austretende Blut floss zuweilen reichlich, meist tröpfelte es aber nur wie Schweiß. Die Haut war unmittelbar vor der Blutung intakt. Die Stigmen erschienen bis kurz vor ihrem Tod jeden Freitag und an allen hohen kirchlichen Festen.

B. hatte zudem viele Visionen und machte eine Reihe von Weissagungen, die nur zum Teil zutrafen. So setzte sie den neuen Kriegsausbruch in den Jahren 1940 bis 1950 und den Beginn der letzten Periode der Welt aber bereits im 20. Jahrhundert an. Die Prophezeiungen wurden zwischen 1810 und 1830 niedergeschrieben und P. Fulgenc, dem Kaplan des Trappistenklosters von Notre Dame des Gardes bei Angers übergeben.

B. starb am 25. Januar 1850, an einem Freitag, um 15.00 Uhr. Der Bischof der Diözese ordnete eine Untersuchung an.

Lit.: Rossi, Fr Gaudentius (Pellegrino): The Christian Trumpet. Boston: Thos. B. Noonasn & Co, 1873; Konzionator, Alfons: Der kommende Große Mo-
narch. Lingen (Ems): Kommissionsverlag von R. van Acken, 1931; Schleyer, Franz L.: Die Stigmatisation mit den Blutmalen. Hannover: Schmorl & von Seefeld Nachf., 1948.

Bouriette, Louis, Geheilter von Lourdes. B. wurde 1804 geboren und lebte und arbeitete zur Zeit der Heilung im März 1858 in Lourdes.

Der behandelnde Arzt, Dr. Dozous, bestätigte in seinem Bericht die Heilung von völliger Blindheit auf dem rechten Auge aufgrund von Verletzungen durch die Explosion einer Sprengmine. Am 18. Januar 1862 wurde die plötzliche, vollständige und dauerhafte Heilung durch Bischof Bertrand-Sévère Laurence von Tarbes als Wunder anerkannt. Sie ist als 2. Wunderheilung von Lourdes eingetragen.

Lit.: Resch, Andreas: Die Wunder von Lourdes. Innsbruck: Resch, 2009.

Bourignon de la Porte, Antoinette

(*13.01.1616 Lilie, Belgien; † 30.10.1680 Franeker, Friesland), mystische Schwärmerin. B. fühlte sich aufgrund visionärer Erscheinungen dazu berufen, die Kirche zu erneuern. 1636 floh sie aus dem Elternhaus, um einer Heirat zu entgehen. Von 1653 bis 1662 leitete sie eine Waisenanstalt in Lilie. Dann durchzog sie Flandern und Brabant, sammelte in Amsterdam eine Gefolgschaft um sich, hielt sich von 1667 – 1672 auf der Nordseeinsel Nordstrand und von 1672 – 74 auf Husum auf, wo sie eine eigene Druckerei einrichtete und ihre Schriften auf den Jahrmärkten verbreiten ließ. Ihr weiteres Wanderleben führte sie über Flensburg und Hamburg nach Ostfriesland.

B. nannte sich die „neue Eva“ und behauptete, als „Braut des heiligen Geistes“ Trägerin der Offenbarungen zu sein. Sie verlangte daher von „ihren Kindern“, dass sie ihrer Stimme gehorchten. Ihr Hauptanhänger war der holländische Mystiker Pierre > Poiret, der sie auf ihren Verfolgungen in Norddeutschland begleitete, ihre Werke herausgab und ihr Leben beschrieb. Die zahlreichen Offenbarungsschriften der B. wurden mehrfach indiziert. Ihre Anhänger bildeten bis in das 18. Jh. eine Sekte in Schottland.

Neben den vielen abweichenden theologischen Aussagen, wie jener von der Androgynität Adams, gibt es auch Beschreibungen, die für eine authentische mystische Erfahrung sprechen: „Gott gibt sich der Seele durch innere Bewegungen kund, die die Seele in dem Maße vernimmt und begreift, als sie von irdischen Vorstellungen ledig ist; und je mehr die Kräfte der Seele aufhören, desto verständlicher sind die Bewegungen Gottes“ (Sloterdijk). Vielleicht mangelte es ihr an einem Seelenführer, der die echten Erlebnisse von den phantastischen Deutungen zu unterscheiden vermochte. Auf alle Fälle war B. eine Getriebene mit erhöhtem Sendungsbewusstsein.

W.: Toutes les oeuvres contennes en 19 volumes. Amsterdam: Henry Wetstein 1686. 

Lit.: Poiret, Pierre: La Vie de Dam.lle Antoinette Bourignon, écrite partie par elle-même, partie par une personne de sa connaissance. Amsterdam: J. Riewerts et P. Arents, 1683; Wieser, Max: Peter Poiret [Texte imprimé]: der Vater der romanischen Mystik in Deutschland: zum Ursprung der Romantik in Deutschland. München: Müller, 1932; Sloterdijk, Peter (Hrsg.): Mystische Zeugnisse aller Zeiten und Völker / gesammelt von Martin Buber. München: Diederichs, 21994.

Bourru, französischer Mönchsspuk, von dem in vielen Geschichten die Rede ist. Die mönchsähnliche Gestalt wandert angeblich nachts durch die Straßen von Paris, geht vor den Fenstern auf und ab und schaut in die Wohnungen der Menschen. B. dient auch als Kinderschreck. Der Ursprung des Spuks ist unbekannt.

Lit.: Shepard, Leslie (Hrsg.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. Bd. 1. Detroit, Michigan: Gale Research Company; Book Tower, 21984.

Boursnell, Richard (1832 – 1909), englischer „Psychofotograf “. Bereits 1851 stellte B. beim Fotografieren auf seinen Platten seltsame Erscheinungen fest, die nicht nur seine Fotos unbrauchbar machten, sondern seine Mitarbeiter auch veranlassten, ihm eine unzureichende Säuberung des Glases vorzuwerfen. Daraufhin machte er 40 Jahre lang keine Aufnahmen mehr, bis der Journalist W. T. Stead feststellte, dass die Erscheinungen psychischer Natur seien. B. ließ sich davon überzeugen und war nun beim Fotografieren dermaßen erfolgreich, dass die Spiritualisten Londons in den Räumen der Psychological Society 1903 an die hundert ausgewählte „Geisterfotografien“ ausstellten.

Wie alle „Geisterfotografen“ wurde auch B. der Betrügerei bezüchtigt. So schrieb Admiral Moore in Glimpses of the Next State (1911), dass viele seiner Bilder manipuliert seien, wenngleich er B. für einen exzellenten Hellseher hielt und von dessen besonderen Fähigkeiten überzeugt war. Den Beweis für die Fälschung sah man darin, dass B. schon vor der Belichtung die Bilder beschrieb, die nachfolgend auf der Platte zu sehen waren. 89 Negative, die B. zwischen 1897 und 1907 in Verbindung mit Mr. S. W. Woolley aufnahm, werden im British College of Psychic Science aufbewahrt. H. Blackwell, der ebenfalls mit solchen Fotografien experimentierte, sagte in seinem 1910 geschriebenen und in The London Magazine veröffentlichten Artikel „Spirit Photographs“: „In unseren zahlreichen, im Laufe von zehn Jahren durchgeführten Sitzungen führten wir stets genaue Kontrollen durch. Nicht etwa, weil wir Zweifel gehabt hätten, sondern nur, um die Beweiskraft unserer Ergebnisse zu stärken. Wir verwendeten jedesmal eine neue Filmpackung, die wir gewöhnlich mit Initialen versahen und datierten; in die Kassette der zuvor untersuchten Kamera schoben wir die Platten, die wir sofort anschießend entwickelten… Da ich selbst ein Hobbyfotograf bin, kann ich nach intensivem Studium des Themas anhand einer umfangreichen Sammlung übersinnlicher Fotografien völlig überzeugt sagen, dass Mr. Boursnell absolut ehrenwert ist und höchsten Respekt verdient“ (nach C. Permutt, S. 49 – 50). > Psychofotografie, > Geisterfotografie.

Lit.: Moore, William Usborne: Glimpses of the Next State (The Education of an Agnostic). London: Watts & Co., 1911; Coates, James: Photographing the Invisible. Practical Studies in Spirit Photography, Spirit Portraiture, and Other Rare but Allied Phenomena, 1911; Permutt, Cyril: Fotos aus einer anderen Welt: übersinnliche Phänomene im Bild festgehalten. München: Th. Knaur Nachf., 1990.

Bous (lat.; altnord. búi), Rächer des > Balder. B. ist die latinisierte Form des altdänischen Bo („Bauer“). Nach dem dänischen Geschichtsschreiber Saxo Grammaticus (Gesta Dan. III, 82) ist B. der Sohn der > Rind(a), den > Odin mit ihr zeugte, nachdem ihm der finnische Seher Rostiof geweissagt hatte, dass nur sie ihm den Rächer Balders gebären würde. B. war von Kindheit an sehr kriegerisch und tötete schließlich Hötherus, starb aber bald darauf selbst an seinen Wunden. B. entspricht dem Odinsohn > Vali der eddischen Götterlehre und hat wie dieser einzig und allein die Aufgabe, Balder zu rächen.

Lit.: Herrmann, Paul: Nordische Heldensagen nach Saxo Grammaticus. Jena: Diederichs, 1925; Saxo Grammaticus: Gesta Danorum = Danmarkshistorien. Latinsk tekst udg. of Karsten Friis-Jensen; dansk overs. ved Peter Zeeberg. Kùbenhavn: Det Danske Sprog-og Litteraturselskab, 2005. 

Bouvet, Le Sieur (17. Jh.), oberster Feldrichter der französischen Armee in Italien und Autor des Buches Les manières admirables. Darin werden alle Formen zum Aufspüren von Kriminellen und Wahrsagern, darunter auch der Hexen, beschrieben und Anweisungen für eine gründliche Verurteilung und Strafe gegeben. Es werden alle Foltermethoden und die Verhandlungsmaßregeln bei ungewöhnlichen Situationen während der Foltertortur angeführt.

W.: Bouvet (prévôt général des armées du Roi): Les manières admirables pour découvrir toutes sortes de crimes et sortilèges: avec l‘instruction solide pour bien juger un procez criminel, ensemble l’espèce des crimes, & la punition d’iceux, suivant les loix, ordonnances, canons & arrests. Paris: Jean de la Caille, 1659.

Bovet, Richard (ca. 1641– ca. 1720), englischer Adeliger und Dämonologe. Sein Buch Pandaemonium (1684) besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil befasst sich B. mit den Hexen und Geistern, den gefallenen Engeln und der Ausbreitung des satanischen Königreiches vor der Flut, dem Aberglauben und den Jahrhunderten nach dem diabolischen Vordringen. Der zweite Teil enthält 15 bis dahin noch nie veröffentlichte Gespenstergeschichten.

In seiner Darlegung folgt B. dem englischen Geistlichen, Staatsmann und Philosophen Joseph > Glanvil(l), demzufolge die Geständnisse der Hexen das Ergebnis ihrer Melancholie oder der erlittenen Folter gewesen seien.

Lit.: Bovet, Richard: Pandaemonium, or, The devil’s cloyster [microform]: being a further blow to modern sadduceism, proving the existence of witches and spirits, in a discourse deduced from the fall of the angels, the propagation of Satans kingdom before the flood, the idolatry of the ages after greatly advancing diabolical confederacies, with an account of the lives and transactions of several notorious witches: also, a collection of several authentick relations of strange apparitions of demons and spectres, and fascinations of witches, never before printed. London: Printed for J. Walthoe, 1684.

Bovillus, Carolus oder Bou(v)elles, Charles de (* nach 1470 St. Quentin in der Picardie; † zwischen 1553 und 1567 Noyon oder Ham, Frankreich), französischer Linguist, Mathematiker, Philosoph, Mystiker und Theologe. B. war der Sohn eines Aristokraten und Schüler des französischen Reformhumanisten und Bibelübersetzers Jakob Faber Stapulensis. Er reiste durch Europa und trat schließlich in den Priesterstand. In seinem Werk Liber de sensu vertritt er die Auffassung, dass die Welt ein Tier sei – eine Vorstellung, die dann von François-Félix Nogaret aufgegriffen wurde. Die Schrift Liber de sapiente bezeichnet Ernst Cassirer als die „vielleicht merkwürdigste und in mancher Hinsicht charakteristischste Schöpfung der Renaissancephilosophie“ (Individuum und Kosmos, S. 93).

W.: Bovillus, Carolus de: Que hoc volumine|| contine[n]tur.|| Liber de intellectu.|| Liber de sensu.|| Liber de nichilo.|| Ars oppositorum.|| Liber de generatione.|| Liber de sapiente.|| Liber de duodecim numeris|| Epistole complures.|| Insup[er] mathematicu[m] opus quadripartitu[m] De Numeris perfectis De|| Mathematicis Rosis De Geometricis Corporibus|| De Geometricis Supplementis|| / [Carolvs Bovillvs]. Parisiis: Stephanus, 1510; Caroli Bouilli Samarobrini de Resurrectione dialogus primvs, Interlocvtoribvs Pharisño, Sadducño, & Philosopho. [Paris]: Calderius, 1551.

Lit.: Nogaret, François Félix: La terre est un animal ou conversation d‘une courtisane philosophe. Bruxelles, 1880; Cassirer, Ernst: Individuum und Kosmos in der Philosophie der Renaissance. Darmstadt: WBG, 2009.

Bowditch, Henry Pickering (* 4.04.1840 Boston, Massachusetts; † 13.03.1911 ebd.), amerikanischer Physiologe. B. promovierte 1868 an der Harvard Universität in Medizin und wurde, nach Studien in Europa unter dem Physiologen Claude Bernard und dem Neurologen Jean-Martin > Charcot 1871 Assistant Professor an der Harvard University Medical School, wo er das erste Physiologische Laboratorium der USA einrichtete. 1876 wurde er Ordinarius und von 1883 bis 1893 war er Dekan der Medical School, die er radikal modernisierte. 1906 ging B. als George Higginson-Professor für Physiologie in den Ruhestand. Er war Gründungsmitglied der > American Society for Psychical Research und korrespondierendes Mitglied der > Society for Psychical Research in London. Dabei interessierte er sich vor allem für die Experimente und Forschungen seiner Freunde William > James und Richard > Hodgson.

Lit.: Shepard, Leslie (Hrsg.): Encyclopedia of Occultism & Parapsychology. Bd. 1. Detroit, Michigan: Gale Research Company; Book Tower, 21984.

Boxeraufstand. Die im Westen als „Boxer“ bekannte chinesische Geheimgesellschaft zettelte 1899 /1900 in Nordchina einen großen Aufstand gegen die Ausländer an. Die religiöse Geheimgesellschaft der I-ho-ch’uan oder „Rechtschaffene und Harmonische Fäuste“ stand in Verbindung mit der Acht-Trigramm-Gesellschaft – bekannt für die Ausübung von Gymnastik im altchinesischen Stil, jener Bewegungen, die im Westen zur Namensgebung „Boxer“ führte. Diese verehrten eine Anzahl von in der chinesischen Volksreligion populären Gottheiten und behaupteten, durch spirituelle Übungen und magische Künste besondere übernatürliche Kräfte zu erlangen, wie etwa die Unverwundbarkeit gegenüber Kugeln oder die Gabe zu fliegen. Im frühen 19. Jh. waren die Boxer vor allem eine gegen die Ch’ing-Dynastie gerichtete Sekte. Die durch fremde Regierungen aufgezwungenen Verträge machten dann – in Wahrung der Tradition – die Fremden, darunter vor allem das Christentum, zum Feind.

Der Boxeraufstand endete mit einer weiteren Schwächung der Ch’ing-Dynastie und begünstigte den Ruf der Radikalen nach einer republikanischen Revolution und einem neuen China.

Lit.: Der „Boxeraufstand“ in China: das Tagebuch des Gottlieb Brosi und andere Zeitzeugnisse / Stadt Backnang, Stadtarchiv. Hrsg. von Bernhard Trefz. Backnang: Stroh, 2004; Lange, Sven: Revolt against the West: A Comparison of the Current War on Terror with the Boxer Rebellion in 1900 – 01. Berlin: Hartmann, Miles-Verl, 2006.

Boxhorn, Mark Zuerius (*28.08.1612 Bergen-op-Zoom; † 3.10.1653), holländischer Historiker und Philologe. Sein Buch De somnias oratio (Abhandlung über die Träume) von 1639 ist eine große Rarität.

W.: Boxhorn, Marcus Zuerius: De somnias oratio. Leiden, 1639.

Boyesen, Gerda (*18.05.1922 Bergen, Norwegen; † 29.12.2005 London), Begründerin der > Biodynamischen Psychologie und Psychotherapie. Die Biodynamik ist wie > Hakomi, > Bionergetik, Biosynthese eine Richtung der Körperpsychotherapie.

B. war in erster Ehe mit Carl Boyesen verheiratet. 1947 las sie ein Buch von Wilhelm > Reich, das sie sehr beeindruckte. Nach dem Studium der Psychologie machte sie eine Ausbildung in Physiotherapie und lernte durch ihre eigene Therapie den Zusammenhang von unterdrückten Gefühlen und Muskelspannungen kennen. 1968 ging sie nach London und eröffnete dort eine Praxis und später ein internationales Lehr- und Ausbildungsinstitut. Es war dies das erste von einer Frau gegründete Ausbildungsinstitut für Psychotherapie in Europa.

Nach B. ist Biodynamik die physiologische Basis der Psychotherapie. Dabei hänge der Abbau von psychischem Stress auch mit dem Verdauungssystem zusammen. Deshalb entwickelte sie eine Massagetechnik, um stagnierende Kreisläufe, insbesondere im Verdauungsbereich, wieder in Gang zu bringen. In diesem Zusammenhang entdeckte sie die „Psychoperistaltik“, einen körpereigenen Regulierungsmechanismus, der energetische Rückstände des emotionalen Stoffwechsels in sanfter Weise aus dem Körper eliminiert und das seelisch-körperliche Gleichgewicht des Menschen wieder herstellt.

Neben der Massage arbeitete B. auch mit der > Vegetotherapie von Wilhelm Reich sowie mit gesprächstherapeutischen Anleihen bei Sigmund Freud und C. G. Jung.

Mit dem sogenannten Deep Draining, einer besonderen Art der Massage, sollen tiefere Schichten angesprochen werden, um verfestigte körperliche und psychische Haltungen zu lösen.

W.: Über den Körper die Seele heilen: biodynam. Psychologie u. Psychotherapie. München: Kösel, 1987; Von der Lust am Heilen: Quintessenz meines Lebens / Claudia Leudesdorff; Christoph Santner. München: Kösel, 1995; Dein Bauch ist klüger als du: Stress umwandeln, Sex beleben, Ängste lösen, entspannt schlafen, täglich Glück empfinden / Peter Bergholz. Hamburg: Miko-Ed., 2004.

Boyle, Robert (* 25.01.1627 Lismore Castle, Irland; † 31.12.1691 London), einer der Begründer der modernen Chemie.

Vierzehntes Kind und siebter Sohn von Richard Boyle, Great Earl of Cork, und dessen zweiter Frau Catherine, Tochter von Sir Geoffrey Fenton, des Staatsekretärs für Irland. 1639 begab sich B. auf eine Bildungstour durch Europa. Mit 14 Jahren studierte das „Wunderkind“ in Italien bereits die Schriften von Descartes und Galilei. Beeinflusst von Francis > Bacon und in Auseinandersetzung mit dem deduktiven Denkstil Spinozas wurde B. ein Hauptvertreter der experimentellen Naturphilosophie, die schließlich in Newtons Leitsatz „Hypotheses non fingo“ („Hypothesen erfinde ich nicht“) mündete. 1644 kehrte er nach England zurück und begann mit der Niederschrift einer Reihe von ethischen und religiösen Traktaten. 1649 führte er erstmals naturwissenschaftliche Experimente durch. 1656 wurde B. nach Oxford eingeladen, wo er bis 1668 blieb. Etliche seiner bekanntesten Werke entstanden in dieser Zeit. 1659 baute er seine berühmte Luftpumpe (Vakuumpumpe), mit der er pneumatische Experimente durchführte. Nachdem er Oxford verlassen hatte, verbrachte er den Rest seines Leben bei seiner Schwester in London als Privatlehrer. Er richtete ein Laboratorium ein und veröffentlichte fast jedes Jahr ein Buch. Zudem beteiligte er sich an den Aktivitäten der Royal Society, zu deren Gründungsmitgliedern er zählt. Die meiste Zeit seines Lebens war B. krank. Er litt u. a. an einer Sehschwäche und zitterte an den Händen.

Sein wissenschaftliches Werk ist gekennzeichnet durch die Betonung des Experiments und seine ausgeprägte Zurückhaltung gegenüber umfassenden Theorien. Dem Geist Bacons und ebenso jenem der > Rosenkreuzer verpflichtet, bekundete er als Chemiker großes Interesse für Jan > Helmonts Theorie, der zufolge das Wasser das wesentliche Element aller lebenden Organismen sei, folgte ihm jedoch nicht in der Auffassung, dass auch alle anorganischen Substanzen aus dem Wasser hervorgingen. 1661 veröffentlichte B. sein Buch The Sceptical Chymist, in dem er die Experimente kritisiert, durch die „vulgäre Spagyriker sich erkühnen, ihr sal, sulphur und mercurius für die wahren Prinzipien aller Dinge zu erklären“. Mit „Elemente“ meint B. gewisse primäre und einfache oder vollkommen unvermischte Körper, aus denen alle sogenannten vollkommen vermischten Körper unmittelbar zusammengesetzt sind und in welche sich diese wieder zerlegen lassen. Damit ist zwar noch nicht die Definition des Elements gegeben, was erst durch Antoine L. Lavoisier geschehen sollte, doch wurde „Element“ durch B. zum Fachbegriff der wissenschaftlichen Chemie.

In seinem Nachlass fanden sich auch Aufzeichnungen über die Kunst, Gold mittels Quecksilber und einer „roten“ Erde (gemeint ist offenbar der > Stein der Weisen) zu vermehren, nicht aber zu erzeugen. So blieb B. bis zuletzt Wissenschaftler und Alchemist, der sich jedoch unvergängliche Verdienste um die Fortschritte der Chemie erwarb.

W.: [The Works of the Honourable Robert Boyle … To which is prefixed the life of the author [by Thomas Birch].] 6 vol. J. & F. Rivington, etc.: London, 1772; Der skeptische Chemiker. Leipzig: Akademische Verlagsgesellschaft Geest u. Portig, 1983, Reprint d. 1. Ausg. Leipzig Akad. Verl.-Ges., 1929; The Sceptical Chymist London: Dent, 1949; [Werke, Ausz.] Robert Boyle on natural philosophy. By Marie Boas Hall. An essay with selections from his writings. (Illustr.). Indiana Univ. Press, 1965.

Boyne (Boinn), keltische Göttin in Irland, die mit > Dagda den Sohn > Oengus zeugte. Der Name B. wird als „weiße Kuh“ (Bo-Vinda) gedeutet, weshalb die Göttin als Fruchtbarkeitsgöttin gilt.

Einer mythischen Überlieferung zufolge soll nach B. der ostirische Fluss Boyne benannt sein, an dem Wilhelm III. von England über den ehemaligen englischen König Jakob II. siegte. Dieser Sieg wird von den protestantischen Traditionsverbänden in Nordirland heute noch gefeiert, was immer wieder Anlass zu Unruhen mit der katholischen Bevölkerung in Nordirland gibt.

Lit.: A true relation of the battle of the Boyne … , fought by … King William, … without observation or reflection. London, 1700.

Bozzano, Ernesto (* 9.01.1862 Genua; † 24.01.1943), entstammte einer vornehmen genuesischen Familie, interessierte sich schon früh für das Studium, musste dieses aber auf Druck des Vaters mit vierzehn Jahren unterbrechen und einen Beruf ergreifen, der ihm nicht entsprach. B. bildete sich jedoch mit besonderer Vorliebe für die Naturphilosophie, insbesondere jene des Engländers Herbert Spencer (1820 –1903), als Autodidakt fort. In dieser positivistischen Einstellung konnte das Urteil über das Paranormale zunächst nur negativ sein. Die Lektüre einiger Artikel, die in der von ihm abonnierten Revue Philosophique erschienen, zwang ihn allerdings, sich auch damit zu befassen. Einer dieser Artikel beeindruckte ihn sehr und mit dem Erscheinen der beiden bekannten Bücher Phantasms of the Living von > Gurney, > Myers und > Podmore sowie Animismus und Spiritismus von Alexander > Aksakow begann er sich für Telepathie und Spiritismus zu interessieren, ein Thema, das zur damaligen Zeit viele Wissenschafter in Europa und Amerika aufgriffen.

Von 1891 an bis zu seinem Tod widmete sich B. schließlich in großer Einsamkeit dem Studium der Metapsychologie. Auf der Grundlage der Vergleichs- und Konvergenzanalyse entwickelte er eine wissenschaftliche Untersuchungsmethode der paranormalen Phänomene und begann die größtmögliche Zahl an Nachrichten über paranormale Ereignisse zu sammeln. Dadurch kam er in Verbindung mit sehr vielen bedeutenden Personen, wie William > Crookes, Oliver > Lodge und Charles > Richet, ohne selbst je an einem nationalen oder internationalen Kongress teilzunehmen. Von besonderer Relevanz waren seine Begegnungen mit Miss Maude Bubb und Gastone > De Boni. Bubb schickte ihm die englischen Veröffentlichungen und übersetzte seine Artikel für angelsächsische Zeitschriften. De Boni, dem er 1929 das erste Mal begegnete, wurde sein engster Mitarbeiter und Erbe seines großen Nachlasses.

Neben dieser umfangreichen Tätigkeit als Sammler und Kommentator nahm er auch an Sitzungen teil, die vom Circolo Minerva veranstaltet wurden. Wichtig waren zudem die Sitzungen mit Eusapia > Palladino und jene in Millesimo in der Nähe von Savona, wo er das Phänomen der > direkten Stimme erlebte. Als Leiter der Sitzungen verfasste B. genaue Berichte, die in der 1900 gegründeten Zeitschrift > Luce e Ombra und schließlich als Buch veröffentlicht wurden.

Die letzte Zeit seines Lebens war wegen ökonomischer und gesundheitlicher Probleme sehr beschwerlich. B. starb in der vollen Überzeugung, dass die gesamte paranormale Phänomenologie nicht an das Biologische, sondern das Psychisch-Geistige gebunden sei.

In seinem arbeitsreichen Leben veröffentlichte er 52 Werke, die sich mit allen Gebieten der Paranormologie befassen: Telepathie, Hellsehen, Psychokinese, Geistererscheinungen, Spiritismus.

W.: Ipotesi spiritica e teorie scienti­fiche (1903); Dei casi di identificazione spiritica (1909); Per la dife­sa dello spiritismo (1927); La crisi della morte (1930 – 52); Indagi­ni sulle manifestazioni supernormali (1931– 40); Medianità poliglot­ta o xenoglossia. In: Luce e ombra (1933); Dei fenomeni di bi­locazione (1934); Dei fenomeni d’infestazione (1936); Animismo o spiritismo? (1938); Popoli primitivi e manifestazioni supernormali (1941 – 46); Dei fenomeni di telestesia (1942); Musica trascendenta­le (1943); Mente a mente (1946); I morti ritornano (1947); Letteratura d’oltretomba (1947); Le visioni dei morenti (1947); Luci nel futuro (1947); Guerre e profezie (1948); La psiche domina la materia (1948); Gli animali hanno un’anima? (1950); Pensiero e volontà (1967); Dei fenomeni di trasfigurazione (1967).

Dt.: Die Spukphänomene. Einzig autor. Übers. aus d. Italienischen. Hrsg. von Willy K. Jaschke. Bamberg: Müller, 1930; Übersinnliche Erscheinungen bei den Naturvölkern. 3., erw. Aufl. Freiburg i. Br.: Aurum, 1989.