Andreas Resch: Simon von Lipnica

SIMON VON LIPNICA
(1435/1440-1482)

PROFESSPRIESTER
DES ORDENS DER MINDERBRÜDER
(FRANZISKANER)

Heilig: 3. Juni 2007
Fest: 18. Juli

SIMON (Szymon) VON LIPNICA wurde zwischen 1435 und 1440 in Lipnica Murowana bei Krakau, Polen, geboren. Seine wohlhabenden Eltern Anna und Gregor vermittelten ihm eine solide Erziehung im Sinne des christlichen Glaubens und eine entsprechende kulturelle Bildung. Schon früh fühlte sich der kleine Simon zum Gebet hingezogen, verbunden mit einer starken Marienverehrung.

Nach Abschluss der örtlichen Pfarrschule übersiedelte Simon 1454 nach Krakau, um sich an der berühmten Jagiellonen-Universität einzuschreiben und dort Vorlesungen zu besuchen. Zur damaligen Zeit erfreute sich Krakau der Anwesenheit des hl. Johannes Kapistran, der 1443 vom polnischen König Kasimir eingeladen worden war. Am 8. September 1453 gründete Kapistran in Krakau das erste Franziskanerkloster unter der Bezeichnung „Heiliger Bernhardin von Siena“, weshalb die Franziskanerobservanten in Polen „Bernhardiner“ genannt werden. Kapistran begeisterte mit seinen Predigten und seinem beispielhaften Leben die Bevölkerung so sehr, dass unter den Jugendlichen und Studenten der Universität Krakau viele den Entschluss fassten, sich von der Welt loszusagen und in das Kloster einzutreten. Einer von ihnen war Simon. Nach Beendigung des Bakkalaureats klopfte er 1457, unter Verzicht auf weitere Studien, zusammen mit zehn anderen an die Pforte des Klosters St. Bernhardin und bat um Aufnahme.

Das Noviziat absolvierte Simon unter der weisen Führung des seligen Christophorus Piccinelli von Varese, eines wegen seiner Predigten und seines heiligmäßigen Lebens bekannten Ordensmannes. Anschließend studierte er Theologie und empfing schließlich um das Jahr 1465 die Priesterweihe. Bereits 1463 wurde er zum Domprediger auf dem Krakauer Wawel ernannt. Seine Predigten waren bald in aller Munde. 1465 wurde P. Simon Guardian in Tarnów und nahm am Provinzkapitel von Krakau teil. 1467 wurde er Prediger im Konvent von Stradom (Krakau). Die Klarheit seiner Worte, die Tiefe seiner Gedanken, verbunden mit einem glühenden Vortrag und einer spürbaren Einheit mit Gott, prägten sich den Menschen tief ins Gedächtnis ein. Geläutert und hoffnungsvoll gingen sie nach Hause; einige entschieden sich für das Verlassen der Welt, um ihr Leben Gott zu weihen.

P. Simons Wahlspruch – „beten, arbeiten, vertrauen“ – war ihm förmlich auf den Leib geschrieben. Sein Eifer und seine Hingabe für die Predigten trugen ihm nach alten Quellen den Titel predicator ferventissimus (glühendster Prediger) ein. Zudem setzte er sich, gleich dem hl. Bernhardin und Johannes Kapistran, für die Verehrung des Namens Jesu ein und erreichte dabei zahlreiche Bekehrungen.

Um dem Vorbild seiner Predigten, dem hl. Bernhardin, die Ehre zu erweisen, fuhr Simon von Lipnica am 17. Mai 1472 mit einigen polnischen Mitbrüdern nach L’Aquila in den italienischen Abruzzen, um an der Übertragung der sterblichen Überreste des Heiligen in die ihm zu Ehren errichtete Kirche teilzunehmen.

Wiederum in der Heimat, wurde er 1478 zum Definitor der Provinz Krakau ernannt. Als solcher reiste er neuerlich nach Italien, um im gleichen Jahr am Generalkapitel in Pavia mitzuarbeiten. Dies gab ihm die Möglichkeit, die Gräber der Apostel Petrus und Paulus in Rom zu besuchen und einen Abstecher ins Heilige Land zu machen. Simon befasste sich dabei auch mit dem Gedanken, in Gefangenschaft der Ungläubigen zu geraten. Um selbst in diesem Fall stets die Ordensregel vor Augen zu haben, lernte er sie vor der Reise auswendig. Er war aber auch bereit, sein Leben hinzugeben. Im Stillen hoffte er sogar, als Missionar in die Türkei geschickt zu werden und dort als Märtyrer zu sterben. Daraus wurde jedoch nichts und so kehrte er 1482 nach Krakau zurück.

Als dort vom Juli 1482 bis 6. Januar 1483 die Pest wütete, nahmen sich die Franziskaner des Klosters St. Bernhardin ohne Unterlass der Kranken an. P. Simon hielt die Zeit für gekommen, sich ganz der Nächstenliebe hinzugeben, selbst unter der Gefahr, das eigene Leben zu verlieren. Unentwegt versuchte er zu trösten, Hilfestellung zu leisten, die Sakramente zu spenden und den Sterbenden die Frohbotschaft zu verkünden. In einem heroischen Akt opferte er Gott sein Leben für die Beendigung der Pest auf. Als ob der Herr sein Angebot erhört hätte, wurde P. Simon schon bald selbst von der Krankheit angesteckt und trug sein Schicksal mit außerordentlicher Geduld. Als der Tod herannahte, äußerte er den Wunsch, unter der Kirchenschwelle beerdigt zu werden, damit alle mit Füßen auf ihn treten könnten.

Nach sechstägiger Krankheit starb Simon von Lipnica am 18. Juli 1482 als „Märtyrer der Nächstenliebe“ im Ruf der Heiligkeit.

Seine Verehrung setzte sich ungebrochen fort. P. Simon lebte durch sein Beispiel, was er in seinen Predigten verkündete und was nach seinem Ermessen gottgefällig ist. Er brachte all seine Talente in die Predigt ein und war unermüdlich in seinem Einsatz für Gott und das Heil der Seelen. Es genügte ihm zufolge nicht, eine Predigt nur anzuhören, sondern man sollte die Botschaften aufnehmen und das Leben danach gestalten: „Nicht die sind vor Gott gerecht, die das Gesetz hören, sondern er wird die für gerecht erklären, die das Gesetz tun“ (Röm 2,13). Bedenke, dass wir ohne die Hilfe des Hl. Geistes aus den Predigten keine Früchte ziehen können. Gottes Wort ist nicht gleich einer Rede zu einem zeitlichen Menschen. Es ist der göttliche Samen, der in die Tiefen unseres Herzens eindringen muss. Dazu brauchen wir die Gnade Gottes. „So ist weder der etwas, der pflanzt, noch der, der begießt, sondern nur Gott, der wachsen lässt“ (1 Kor 3,7). Vor einer Predigt oder einem Vortrag bitte um die Gnade der Erleuchtung und dann um Stärkung!

Als ein authentischer Jünger des hl. Franziskus war P. Simon streng gegen sich selbst, aber gütig und hilfsbereit gegenüber den anderen. Zudem zeichnete er sich durch ein Leben in Armut und Redlichkeit aus, das von zahlreichen außergewöhnlichen Gnadenerweisen in verschiedensten Situationen begleitet war, sodass er schon zu Lebzeiten als Heiliger verehrt wurde. Diese Verehrung hielt, wie erwähnt, auch nach seinem Tod unvermindert an, sodass er zu einem Volksheiligen wurde. Simon verstand es in außerordentlicher Weise, den Einsatz für die Verkündigung des Evangeliums mit dem Zeugnis der Nächstenliebe zu verbinden. Diese bildete die Grundlage seiner großen Liebe zum Wort Gottes, zu den Armen und Kranken.

Am 24. Februar 1685 bestätigte der selige Innozenz XI. den Kult von Simon von Lipnica als Kult seit unvordenklichen Zeiten und sprach ihn damit selig. Nach dem 1943 in Krakau erfolgten Wunder, welches der Fürbitte des Simon von Lipnica zugeschrieben wurde, leitete die Heilsprechungskongregation am 25. Juni 1948 unter Papst Pius XII. das Heiligsprechungsverfahren ein.

1999 begann der Erzbischof von Krakau, Kardinal Franziskus Macharski, mit den für das Verfahren geforderten Diözesanerhebungen. Am 19. September 2000 erklärte der Kardinal die Diözesanerhebung über das Leben, die Tugenden und das Wunder von Simon für beendet. Nach Feststellung der ordnungsgemäßen Durchführung derselben promulgierte der Papst am 19. Dezember 2005 das Dekret der Anerkennung der heroischen Tugenden und am 16. Dezember 2006 das Dekret der Anerkennung des Simon von Lipnica zugeschriebenen Wunders.

Die Heiligsprechung selbst fand am 3. Juni 2007 durch Papst Benedikt XVI. in Rom statt. Bei dieser Feier sagte der Papst in seiner Predigt:

„Der neue Heilige, Szymon z Lipnicy, ein großer Sohn Polens, Zeuge Christi und Schüler der Spiritualität des hl. Franz von Assisi, hat in weit entfernt liegender Vergangenheit gelebt, aber heute wird er der Kirche als aktuelles Vorbild eines Christen vor Augen gestellt, der – beseelt vom Geist des Evangeliums – bereit ist, sein Leben den Nächsten zu widmen. So hat er, erfüllt von der Barmherzigkeit, die er aus der Eucharistie schöpfte, nicht gezögert, den Pestkranken Hilfe zu bringen, wobei er sich mit der Krankheit ansteckte, die schließlich auch ihn zum Tode führte. Heute vertrauen wir seinem Schutz vor allem diejenigen an, die unter Armut, Krankheit, Einsamkeit und sozialer Ungerechtigkeit leiden. Auf seine Fürsprache erbitten wir für uns die Gnade der beharrlichen und aktiven Liebe zu Christus und zu den Brüdern und Schwestern.“

P. Simon verstand es in der Tat, den Einsatz für das Evangelium auf außerordentliche Weise mit dem Zeugnis der Nächstenliebe zu verbinden, woraus seine große Liebe zum Wort Gottes, zu den Ärmsten und Leidenden floss. Diese Liebe zollte er auch seinen Mitbrüdern, insbesondere den Kranken. So vollzog sich sein Leben in einer restlosen Hingabe an Gott, die Mitmenschen und seine Ordensgemeinschaft ganz nach dem Vorbild des hl. Bernhardin und des hl. Franziskus.

Der Orden der Franziskaner nannte ihn daher anlässlich der Feier seines achthundertjährigen Bestehens (1209-2009) einen authentischen Zeugen der Armut, Demut und Einfachheit wie auch der Freude, ganz dem Herrn zu gehören und zugleich ein Geschenk für das Leben der Mitbrüder zu sein.

Das Grab von P. Simon von Lipnica befindet sich in der Bernhardinerkirche in Krakau.

 

RESCH, ANDREAS: Die Heiligen Benedikts XVI. 2005 – 2012. Innsbruck: Resch, 2013, XII, 204 S., 48 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-096-4, Ln, EUR 25.90 [D], 26.60 [A]

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