Andreas Resch: Paula Elisabeth Cerioli

PAULA ELISABETH
CERIOLI
(1816-1865)

GRÜNDERIN
DER SCHWESTERN
VON DER HL. FAMILIE
UND DER KONGREGATION
DER HL. FAMILIE
VON BERGAMO

Heilig: 16. Mai 2004
Fest: 24. Dezember

PAULA ELISABETH (Konstanze) CERIOLI wurde am 28. Januar 1816 als Tochter reicher Adeliger, des Grundbesitzers Francesco Cerioli und der Francesca Corniani, in Soncino, Provinz Cremona, Italien, geboren. Bei der Taufe erhielt sie den Namen Konstanze. In ihrer Familie lernte sie, an Jesus zu glauben und in den Beziehungen zu ihren Mitmenschen zu wachsen, vor allem aber die Augen auf die Armen zu richten, die häufig an die Palasttore klopften.

Schon bald wurde ihr eine harte Lektion zuteil: physisch im Hinblick auf ihren zarten und kränklichen Körper, moralisch angesichts des Elends, das damals auch die Bewohner Soncinos nicht verschonte und auf das sie ihre Mutter mit vorsorglicher Weisheit von Anfang an hinwies.

Zur Vervollständigung ihrer menschlichen, spirituellen und kulturellen Bildung wurde Konstanze mit elf Jahren in das Kolleg der Schwestern des hl. Franz von Sales, der „Visitantinnen“, nach Alzano Lombardo (Bergamo) geschickt, wo sie bis zum 15. Lebensjahr blieb. Aufgrund ihres Einsatzes beim Studium und wegen ihrer Kultiviertheit, Großzügigkeit und Hilfsbereitschaft war sie bei Lehrpersonen und Kolleginnen gleichermaßen geschätzt. Nach ihrer Rückkehr in die Familie widmete sie sich der Stickerei und Werken der Nächstenliebe, womit sie schon vom Elternhaus her vertraut war.

Nach dem Willen der Eltern, in dem sie stets den Willen Gotte erkannte, heiratete sie am 13. April 1835 mit 19 Jahren einen Witwer von 58 Jahren namens Gaetano Busecchi, den Erben der Grafen Tassis von Comonte di Seriate (Bergamo). Die Ehe wurde mit vier Kindern gesegnet, doch währte die Freude nur kurz, weil drei von ihnen unmittelbar nach der Geburt starben. Ihrem älteren Ehemann gegenüber gab sich Konstanze geduldig und zuvorkommend, doch widmete sie sich in erster Linie dem noch verbliebenen Sohn. Als sie 38 Jahre alt war, wurde dieser allerdings, erst 15-jährig, von einer schweren Krankheit befallen. Er starb im Januar 1854, nachdem er seine Mutter mit den prophetischen Worten getröstet hatte: „Weine nicht, Mama, wenn ich bald sterbe. Gott wird dir viele andere Söhne anvertrauen.“

Im gleichen Jahr, am 25. Dezember 1854, wurde Konstanze Witwe und Alleinerbin eines gigantischen Vermögens. Der Verlust des Ehemannes, vor allem aber des Sohnes, wirkten sich dramatisch auf ihre Person aus; sie fiel in einen Zustand großer Trauer und Trostlosigkeit, sah keinen Sinn mehr in ihrem Leben. Lediglich die von ihrem Sohn vor seinem Tod gesprochenen Worte eröffneten ihr in diesem hoffnungslosen Augenblick den Horizont einer neuen Zukunft: „Gott wird dir viele andere Söhne schenken.“

Reich und einsam, zog sie sich von der Welt zurück, ganz den Werken der Nächstenliebe ergeben, in die sie ihr enormes Vermögen einfließen ließ, wobei sie sich an den Glauben klammerte. Ihr Tag war geteilt zwischen Gebet und karitativen Tätigkeiten; auch während der Nacht, stand sie, sofern es ihr möglich war, zum Beten auf. Manchmal brach es aus ihr hervor: „Der Herr gebe mir die Gnade, mich rasch von der Welt zu trennen! Welch ein Glück, keinen Gedanken mehr auf den Körper verschwenden zu müssen.“

In dieser überaus tristen Situation überzeugte sie ihr Spiritual, Msgr. Alessandro Valsecchi, dem nicht verborgen geblieben war, dass der Herr mit dieser Seele möglicherweise Großes vorhatte, Kontakt aufzunehmen mit Msgr. Luigi Speranza, dem Bischof von Bergamo, und er versicherte ihr, dass Gott ihr auf diese Weise seinen Willen kundtun würde. Bereits nach den ersten Begegnungen, in denen sie sich öffnete, erkannte der Bischof die geistige Dimension und beurteilte Konstanze als eine sehr starke Persönlichkeit, die bereit war, den Willen Gottes uneingeschränkt zu erfüllen. Den Anweisungen des Bischofs folgend, der sie von allem freihalten wollte, das ihr bei einer vollkommenen Einheit mit Gott hätte hinderlich sein können, fühlte sie sich wunderbar emporgehoben und mit neuem Eifer gestärkt, sodass sie beschloss, sich ganz Gott hinzugeben und seinen Willen entschieden zu erfüllen.

Der Augenblick für den Beginn des karitativen Werkes, das ihr so sehr am Herzen lag, war gekommen, als ihr ein Priester empfahl, in ihr herrschaftliches Haus einige arme Mädchen aufzunehmen, um sie zu erziehen und zu behüten. Den Worten ihres neuen Spirituals Folge leistend, holte sie noch am gleichen Tag die verlassenen Mädchen vom Lande in ihren herrschaftlichen Palast nach Comonte. Im November 1856 legte der Bischof für die kleine Gemeinschaft, die Konstanze mit Hilfe einiger Gefährtinnen in Comonte gegründet hatte, Stundenpläne und Lebensregeln fest.

Am 25. Dezember 1856 machte sie das Gelübde der Keuschheit und am 8. Februar 1857 legte sie vor dem Bischof, Msgr. Speranza, die Gelübde der Armut und des Gehorsams ab und gelobte, „stets alles zur größeren Ehre Gottes zu tun“.

Mit wachsender Zahl der Mädchen und der mit ihrer Ausbildung betrauten Personen legten Konstanze und ihre sechs Gefährtinnen, darunter Luigia Corti, später die erste bedeutende Generaloberin, die von Bischof Speranza geweihten Gewänder an und nannten sich von nun an Schwestern von der Heiligen Familie. Die in ihr Haus aufgenommenen Waisen wurden als „Töchter des heiligen Josef“ bezeichnet. Am 23. Januar 1858 änderte Konstanze ihren Namen in Schwester Paula Elisabeth und im Juli desselben Jahres erhielt sie gemeinsam mit ihren Gefährtinnen das neue einheitliche Ordenskleid von kastanienbrauner Farbe, der Farbe der Erde. Im darauffolgenden Jahr, zur gleichen Zeit, legten die ersten sechs Mitschwestern die zeitlichen Ordensgelübde ab. Die Verwirklichung ihrer Berufung wurde von Mutter Paula Elisabeth mit folgenden Worten konkretisiert: „Schlichtheit und Natürlichkeit sei eure Geisteshaltung, von der ihr nie abgehen sollt! Verkündet durch euer gutes Beispiel, auf dass die Früchte noch besser und dauerhafter werden! Worte sind bald vergessen, den Eindruck aber, den ihr durch euer Verhalten hinterlasst, wird man schwerlich aus dem Gedächtnis löschen können. Sorgt also für ein positives Andenken! Erweist euch bescheiden, zurückhaltend, aufmerksam und zugleich fröhlich, freundlich und zuvorkommend. Euer Schweigen sei Ausdruck der Freude und Zufriedenheit eurer Seele. Legt also Zeugnis davon ab, wie wahr aus Erfahrung, ist, was Jesus Christus gesagt hat, nämlich dass sein Joch mild und seine Last leicht sei.

Am 27. Juni 1862 unterzeichnete der Bischof von Bergamo, Msgr. Speranza, das Approbationsdekret des Instituts der Schwestern von der Heiligen Familie.

Nach Überwindung einiger Schwierigkeiten realisierte Cerioli am 4. November 1863 schließlich ihr größtes Anliegen und stellte ihre gesamte Mitgift in Villacampagna di Soncino in den Dienst der Jugendlichen, die sie der Obsorge ihres ersten treuen Mitstreiters, Bruder Giovanni Capponi, anvertraute. Damit legte sie den Grundstein für das Institut der Brüder von der Heiligen Familie zur materiellen Unterstützung und zur moralischen und religiösen Hebung der damals sehr an den Rand gedrückten Bauernklasse. So nahmen auch die Wortes ihres Sohnes Karl Gestalt an, der ihr auf dem Sterbebett viele andere Söhne prophezeit hatte, die ihr statt seiner anvertraut würden.

Als Lebensmodell wählte und empfahl sie den Schwestern, Brüdern und Waisen die Heilige Familie von Jesus, Maria und Josef, mit dem Wunsch, dass ein jeder, nach Erkennen der eigenen Sohnschaft Gottes, des einzigen Vaters, Vater und Mutter zu sein lerne. Einfachheit und Demut sollten ihr Leben auszeichnen.

Die beiden Institutionen, die Schwestern wie die Patres und Brüder von der Hl. Familie, sehen in der hl. Elisabeth Cerioli ihre Gründerin, die ihren Ruf zur Nächstenliebe nach dem Modell der Hl. Familie mit folgenden Worten umschreibt: „Nehmt eure ,Söhne‘ und ,Töchter‘ und führt sie behutsam zu Gott, den ihr ihnen als gut, heilig, barmherzig und offen darstellt, anstatt ihr Herz zu verengen und ihren Intellekt zu verarmen, indem ihr Ihn bei jeder Gelegenheit als streng und furchterregend verkündet, stets bereit zu strafen und wegen jedes kleinen Fehlers zu maßregeln. Ich möchte, dass die Schwestern und Brüder von der Hl. Familie und ebenso die Töchter des hl. Josef Gott einzig um der Liebe willen und aus Achtung und Dankbarkeit lieben, fürchten, dienen und ehren, weil er uns Vater, Schöpfer und Wohltäter ist – und niemals, niemals aus unterwürfiger Angst. Denn, wer aus Liebe handelt, handelt erhaben.“

Bevor Cerioli am 24. Dezember 1865 als Arme unter Armen starb, vertraute sie die blühende Schwesterngemeinschaft und den eben gegründeten männlichen Zweig der Vorsehung an. Ihr Grab befindet sich in der Kirche des Instituts Sacra Famiglia, via Luigia Corti, 6, Comonte di Seriate (BG), Italien.

Es waren die Bischöfe von Bergamo, Pietro Luigi Speranza und Weihbischof Alessandro Valsecchi, Vertraute und weise Seelenführer der Gründerin, welche die Leitung des Männerinstituts übernahmen, sodass sie in der Kongregation als Mitbegründer verehrt werden. Msgr. Valsecchi war bis zu seinem Tod auch unmittelbarer Oberer des Instituts der Männer. Bischof Gaetano Camillo Guindani übertrug 1901 die Leitung desselben Don Angelo Orisio aus Martinengo, der nach Ablegung der Ordensgelübde mit anderen bergamaskischen Priestern in der Kongregation das Ideal von Cerioli zu dem seinen machte, das Seligsprechungsverfahren beförderte und sich für den erfolgreichen Fortgang des Werkes einsetzte. Ausgehend von den Schriften der Gründerin erstellte er die „Regeln“. Die päpstliche Anerkennung des Schwesterninstituts erfolgte am 17. Juni 1902, des männlichen Zweiges am 19. März 1986.

Am 16. Mai 2004 wurde Paula Elisabeth Cerioli von Papst Johannes Paul II. heiliggesprochen, nachdem sie Papst Pius XII. am 19. März 1950 seliggesprochen hatte.

 

RESCH, ANDREAS: Die Heiligen Johannes Pauls II. 1982 – 2004. Innsbruck: Resch, 2012 (Selige und Heilige Johannes Pauls II; 5). XIV, 480 S., 109 Farbtaf., ISBN 978-3-85382-094-0, Ln, EUR 48.60 [D], 49.90 [A]

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